2120-UG
Zusammenarbeit der Verwaltungs- und
Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung
von Verstößen im Bereich des gesundheitlichen
Verbraucherschutzes
Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung
von Verstößen im Bereich des gesundheitlichen
Verbraucherschutzes
Gemeinsame Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien
für Umwelt und Gesundheit, der Justiz und für Verbraucherschutz und des Innern
für Umwelt und Gesundheit, der Justiz und für Verbraucherschutz und des Innern
vom 23. April 2012 Az.: 42b-G8901-2012/1, 4640-II1297/06, IZ1-0004-208
- An
- die Regierungen
- die Kreisverwaltungsbehörden
- das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
- die Staatsanwaltschaften
- die Präsidien der Bayerischen Landespolizei
- nachrichtlich an
-
- die Generalstaatsanwälte
- das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
- die Landesanstalt für Landwirtschaft
- 1.
- Grundsätze
Die Sicherheit von Lebensmitteln ist wichtige Lebensgrundlage für den Menschen.
Es sind daher im Sinn des gesundheitlichen Verbraucherschutzes alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Produktion sicherer Lebensmittel zu gewährleisten. Diese Verpflichtung obliegt in erster Linie den Lebensmittelunternehmern. Die amtliche Lebensmittelüberwachung überwacht die Einhaltung der Vorschriften und sanktioniert Verstöße. Die verwaltungsrechtlichen Anordnungsbefugnisse und Vollstreckungsmöglichkeiten sind im Interesse des Verbraucherschutzes auszuschöpfen.
Zu den weiterhin zu treffenden Maßnahmen gehört die Bekämpfung von Verstößen gegen entsprechende Vorschriften des Lebensmittelrechts mit Mitteln des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts.
Die wirksame Verfolgung solcher Verstöße, die als besonders gemein- und sozialschädlich anzusehen sind, setzt eine enge, koordinierte, verständnis- und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den für die Überwachung der Lebensmittelsicherheit verantwortlichen Verwaltungsbehörden einerseits und den Strafverfolgungsbehörden andererseits voraus. Um diese Zusammenarbeit noch effektiver zu gestalten, sind die im Folgenden dargestellten Maßnahmen geboten.
- 2.
- Gemeinsame Besprechungen
Die Regierungen vereinbaren mindestens einmal jährlich gemeinsame Besprechungen zum Zwecke des Meinungs- und Erfahrungsaustauschs, der Erörterung von Fragen der Zusammenarbeit, der Koordinierung von Maßnahmen, der wechselseitigen Unterrichtung über den Erlass, die Änderung oder die Auslegung wichtiger Vorschriften sowie der Behandlung aller sonstigen relevanten Fragen aus dem präventiven und repressiven Bereich des Lebensmittel-, Futtermittel- und Veterinärrechts.
An der Besprechung sollen die für ihren Bezirk zuständigen Staatsanwälte, ein Vertreter des Polizeipräsidiums, Vertreter der Kreisverwaltungsbehörden und des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit teilnehmen. Die Generalstaatsanwälte sowie die Landesanstalt für Landwirtschaft sollen von der Besprechung verständigt werden, um ihnen eine Teilnahme zu ermöglichen.
Der jeweils Einladende fertigt über die Besprechung einen Ergebnisbericht, den er seiner obersten Dienstbehörde und den Teilnehmern der Besprechung zur Unterrichtung ihrer vorgesetzten Stellen übermittelt.
- 3.
- Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörden über den Verdacht einer Straftat gegen Vorschriften des Lebensmittel-, Futtermittel- und Veterinärrechts
Die Verwaltungsbehörden unterrichten die Strafverfolgungsbehörden über den Verdacht einer Straftat gegen Vorschriften des Lebensmittel-, Futtermittel- und Veterinärrechts, wenn dies wegen der Bedeutung der Tat oder aus anderen Gründen im öffentlichen Interesse geboten ist.
Die Unterrichtungspflicht besteht insbesondere, wenn
- –
- der Verdacht besteht, dass die Straftat zu einer Verletzung oder unmittelbaren Gefährdung von Leib oder Leben oder von Sachen von bedeutendem Wert oder zu einer erheblichen oder nachhaltigen Schädigung des Verbraucherschutzes geführt hat
oder
- –
- der Verdacht besteht, dass die Straftat aus Gründen der Kostenersparnis, aus Gewinnsucht oder aus Gleichgültigkeit gegenüber den Erfordernissen des Verbraucherschutzes begangen worden ist
oder
- –
- der Tatverdächtige wiederholt gegen Rechtsvorschriften oder behördliche Anordnungen, Bedingungen oder Auflagen zum Schutz der Verbraucher verstoßen hat.
Für die Anzeigepflicht im Bußgeldverfahren gilt Nr. 4 Abs. 3.
Die Mitteilung ist immer an die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft zu richten. Ist zum Zweck der Beweissicherung ein sofortiges Einschreiten der Strafverfolgungsbehörden erforderlich, ist die Polizei unverzüglich zu unterrichten.
- 4.
- Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten
Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten obliegt dem pflichtgemäßen Ermessen der Kreisverwaltungsbehörde (§ 47 Abs. 1 OWiG) und wird durch die vorstehende Unterrichtungspflicht nicht berührt.
Nach § 3 der Verordnung über die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft vom 21. Dezember 1995 (GVBl 1996 S. 4), zuletzt geändert durch Verordnung vom 1. Juli 2011 (GVBl S. 296), sind Verwaltungsangehörige, die mit der im Außendienst beschäftigt sind, sofern sie mindestens zwei Jahre im Dienst dieser Verwaltung tätig sind, sowie Verwaltungsangehörige der Lebensmittelsicherheit beim Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, sofern sie im Außendienst bei Lebensmittelkontrollen eingesetzt werden und mindestens zwei Jahre im Dienst der Verwaltung im Bereich gesundheitlicher Verbraucherschutz und Veterinärwesen tätig sind, Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft. Als solche sind sie berechtigt, bei Vorliegen eines Anfangsverdachts auch aufgrund eigener Initiative die in der Strafprozessordnung vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen, insbesondere bei Gefahr im Verzug gemäß § 105 StPO Durchsuchungen und gemäß § 98 StPO Beschlagnahmen anzuordnen.
In jedem Fall hat jedoch die Kreisverwaltungsbehörde gemäß § 41 OWiG die Sache an die Staatsanwaltschaft abzugeben, wenn Anhaltspunkte für eine Straftat bestehen. Das Gleiche gilt, wenn eine Ordnungswidrigkeit mit einer Straftat zusammentrifft (§ 21 OWiG) oder Zweifel darüber bestehen, ob eine Handlung eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit ist.
- 5.
- Beteiligung der Verwaltungsbehörde durch die Strafverfolgungsbehörde
- 5.1
- Unterrichtungspflicht
Die Staatsanwaltschaft unterrichtet nach Maßgabe des § 42 Abs. 5 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch – LFGB) die nach § 38 Abs. 1 Satz 1 LFGB zuständige Behörde unverzüglich über die Einleitung eines Strafverfahrens, soweit es sich auf Verstöße gegen Verbote und Beschränkungen des LFGB, der nach dem LFGB erlassenen Rechtsverordnungen oder der unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft im Anwendungsbereich des LFGB bezieht. Eine Übermittlung personenbezogener Daten nach Satz 1 unterbleibt, soweit und solange ihr Zwecke des Strafverfahrens oder besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen.
Darüber hinaus unterrichtet die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft, Polizei) die zuständige Verwaltungsbehörde, wenn im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens Sachverhalte offenkundig werden, die im Bereich des Lebensmittel-, Futtermittel- und Veterinärrechts eine Gesundheitsgefährdung der Verbraucherinnen und Verbraucher oder eine sonstige nicht unerhebliche Beeinträchtigung der Interessen des Verbraucherschutzes befürchten lassen. Auf § 17 EGGVG wird insbesondere hingewiesen.
- 5.2
- Sonstige Mitteilungen
Die in dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG), den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) und der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) enthaltenen Vorschriften über die Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Verwaltungsbehörde in Straf- und Bußgeldsachen sind zu beachten. Dies gilt insbesondere für
- –
- die Beteiligung der Verwaltungsbehörde vor einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2, §§ 153, 153a StPO (Nr. 90 Abs. 1, Nr. 93 Abs. 1 RiStBV),
- –
- die Beteiligung der Verwaltungsbehörde vor einer Einstellung des Verfahrens wegen einer Ordnungswidrigkeit (§§ 40, 42 Abs. 1, § 63 Abs. 3 OWiG; Nr. 275 Abs. 1 und 3 RiStBV),
- –
- die Beteiligung der Verwaltungsbehörde an der Hauptverhandlung (Nr. 288 Abs. 2 RiStBV in Verbindung mit § 76 Abs. 1 OWiG),
- –
- die Abgabe der Sache an die Verwaltungsbehörde nach § 43 Abs. 1 OWiG (Nr. 276 RiStBV),
- –
- die Mitteilungen an die zuständige Verwaltungsbehörde bei Straftaten wegen eines besonderen öffentlichen Interesses (Nr. 1 Abs. 3 MiStra) und bei Strafsachen gegen Gewerbetreibende (Nr. 39 MiStra).
- 6.
- Zusammenarbeit im Einzelfall
Mehrere betroffene Behörden koordinieren ihre Tätigkeit im Einzelfall mit dem Ziel, eine bestmögliche Aufgabenerfüllung aller beteiligten Behörden zu erreichen. Grundlage hierfür ist ein möglichst umfassender und zeitnaher Informationsaustausch. Die Behörden legen die Federführung für die weitere Koordination fest. Insbesondere bei schwierigen und umfangreichen Verfahren mit mehreren betroffenen Behörden hat sich dabei eine Zusammenarbeit der Sachbearbeiter in Form einer Arbeitsgemeinschaft mit regelmäßigen Abstimmungsgesprächen bewährt.
Die getroffenen Absprachen sind in geeigneter Weise zu dokumentieren.
- 7.
- Aufgabenwahrnehmung im gesundheitlichen Verbraucherschutz
Bei der Zusammenarbeit der Behörden ist dafür Sorge zu tragen, dass die Strafverfolgungsbehörden und die Behörden des gesundheitlichen Verbraucherschutzes ihre Aufgaben ohne Zeitverzug, gleichrangig und eigenverantwortlich in ihrem jeweiligen Aufgabenbereich wahrnehmen können.
- 8.
- Inkrafttreten
Die Bekanntmachung tritt am 1. Juni 2012 in Kraft.
Michael Höhenberger
Ministerialdirektor |
Dr. Walter Schön
Ministerialdirektor |
Günter Schuster
Ministerialdirektor |