Vollzug des Infektionsschutzgesetzes (IfSG)
Corona-Pandemie:
Einschränkung der Besuchsrechte für Krankenhäuser,
Pflege- und Behinderteneinrichtungen
Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege
vom 13. März 2020, Az. 51b-G8000-2020/122-56
Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege erlässt auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in Verbindung mit § 65 Satz 2 Nr. 2 der Zuständigkeitsverordnung (ZustV) folgende
Allgemeinverfügung:
- 1.
- Besucher, die Kontaktpersonen der Kategorien I und II entsprechend der Definition durch das Robert Koch-Institut (RKI) sind oder die sich in einem Gebiet aufgehalten haben, das vom RKI im Zeitpunkt des Aufenthalts als Risikogebiet ausgewiesen war oder innerhalb von 14 Tagen danach als solches ausgewiesen worden ist, dürfen innerhalb eines Zeitraums von 14 Tagen nach Verlassen dieses Gebiets folgende Einrichtungen nicht betreten:
- a)
- Einrichtungen nach § 23 Abs. 3 Nr. 1 und 3 IfSG (Krankenhäuser sowie Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare medizinische Versorgung erfolgt),
- b)
- vollstationäre Einrichtungen der Pflege gem. § 71 Abs. 2 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) und
- c)
- Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen im Sinne des § 2 Abs. 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX), in denen Leistungen der Eingliederungshilfe über Tag und Nacht erbracht werden.
Die Definition der Kontaktpersonen der Kategorien I und II ist unter
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Kontaktperson/Management.html abrufbar.
Die jeweils geltenden Risikogebiete sind unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete.html tagesaktuell abrufbar. Eine kurzzeitige Anwesenheit, z. B. im Rahmen einer Durchreise, gilt nicht als Aufenthalt nach Satz 1, selbst wenn es dabei etwa bei einem Tankvorgang, einer Kaffeepause oder einem Toilettengang zu einem kurzzeitigen Kontakt mit der dortigen Bevölkerung gekommen ist.
Jeder Patient oder Betreute darf nur einen Besucher pro Tag für je eine Stunde empfangen.
- 2.
- Die Einrichtungen können, ggf. auch unter Auflagen, Ausnahmen zulassen, wenn ein besonderes berechtigtes Interesse vorliegt.
- 3.
- Auf die Bußgeldvorschrift des § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG sowie die Strafvorschrift des § 74 IfSG wird hingewiesen.
- 4.
- Diese Allgemeinverfügung tritt am 14. März 2020 in Kraft.
Begründung:
Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 hat sich in kurzer Zeit weltweit verbreitet. Es muss alles dafür getan werden, eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Deshalb sind erhöhte Schutzmaßnahmen für vorerkrankte, ältere und im weitesten Sinne pflegebedürftige Menschen notwendig. Diese Anordnung ist gemäß § 28 Abs. 3 in Verbindung mit § 16 Abs. 8 IfSG sofort vollziehbar. Zur Begründung im Einzelnen:
Zu Nr. 1:
Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder es sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist.
Für reiserückkehrende Besucher aus Risikogebieten wird für den durch die Inkubationszeit definierten Zeitraum von 14 Tagen nach Ankunft aus einem der fraglichen Gebiete und für Besucher, die Kontaktpersonen der Kategorien I und II sind, ein Verbot zum Betreten der in den Buchstaben a), b) und c) definierten Einrichtungen ausgesprochen.
Kontaktpersonen der Kategorien I und II sind Personen mit einem Kontakt zu einem bestätigten Fall von COVID-19 ab dem 2. Tag vor Auftreten der ersten Symptome bei diesem Fall nach der Definition des RKI. Ihnen wird grundsätzlich nahegelegt, Kontakte zu anderen Personen zu meiden. Damit die medizinische Versorgung weiterhin gewährleistet werden kann, gilt das Verbot nur für Kontaktpersonen, die Besucher sind.
Risikogebiete sind Gebiete, in denen eine fortgesetzte Übertragung von Mensch zu Mensch vermutet werden kann. Um dies festzulegen, verwendet das RKI verschiedene Indikatoren (u. a. Erkrankungshäufigkeit, Dynamik der Fallzahlen). In den durch das RKI festgestellten Risikogebieten besteht eine allgemein wesentlich erhöhte Infektionsgefahr, so dass Personen, die sich dort aufhielten, als ansteckungsverdächtig anzusehen sind. Es ist auf die aktuelle Einstufung abzustellen. Es kommt nicht darauf an, dass diese Einschätzung bereits zum Zeitpunkt des Aufenthalts im Sinne der Nr. 1 in dem Gebiet vom RKI festgestellt wurde.
Kein Aufenthalt im Sinne der Ziffer 1 dieser Verfügung wird bei kurzzeitiger Anwesenheit in einem Risikogebiet außerhalb einer geschützten Umgebung (etwa im eigenen Kfz) angenommen, selbst wenn hiermit Kontakte mit der einheimischen Bevölkerung verbunden waren. Als kurzzeitig gelten etwa Zwischenstopps auf der Durchreise von bis zu 15 Minuten Dauer, wie sie in der Regel bei einem bloßen Toilettengang, einem Tankvorgang oder einer üblichen Kaffeepause im Rahmen der Durchreise gegeben sein können.
Aktuell erhöhen sich täglich die Zahlen derer, die nachweislich am neuen Coronavirus erkrankt sind und auch die Zahl der begründeten Verdachtsfälle steigt an. Es ist daher davon auszugehen, dass die zugrundeliegenden Infektionsketten weit verzweigt sind und es auch eine größere Zahl infizierter Personen gibt, die asymptomatisch sind, da man eine Ansteckung oft gar nicht bemerkt, weil diese ohne Symptome verläuft. Die häufigen Symptome können auch für eine Erkältung oder einen grippalen Infekt gehalten werden. Es ist daher möglich, dass Besucher, die gar nicht wissen, dass sie krank sind oder ihre Symptome nicht in den Zusammenhang mit dem Coronavirus bringen bzw. verharmlosen, besonders vulnerable Personen anstecken können.
Die Beachtung allgemeiner Hygieneregeln ist bei dem erheblich gefährdeten Personenkreis in den betroffenen medizinischen Einrichtungen und vollstationären Einrichtungen der Pflege und für Personen mit Behinderungen nicht ausreichend und kann zudem leicht missachtet werden.
Es besteht damit eine konkrete Gefahr für diesen Personenkreis, durch Besucher angesteckt zu werden. Bei unbeschränktem Zugang von Besuchern würden bei dem aktuell erhöhten Risiko, dass die Besucher an dem Coronavirus erkrankt sind, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verletzung eines geschützten Rechtsguts, hier die Gesundheit bzw. das Leben von deutlich gefährdeten Personengruppen, geschehen, wenn weiterhin ohne Beschränkungen alle Besucher zugelassen werden. Die Verbreitung des Virus würde zudem vorangetrieben werden.
Um einen möglichst umfassenden Schutz zu gewährleisten, darf jeder Patient oder Betreute nur einen Besucher pro Tag für je eine Stunde empfangen.
Zu Nr. 1 Buchst. a):
In den vollstationären medizinischen Einrichtungen werden vielfach Personen betreut, die durch eine Infektion mit dem neuen Erreger in besonders schwerer Weise gesundheitlich gefährdet wären. Zum Schutz dieser besonders vulnerablen Personen-gruppen stellt die Beschränkung des Zugangs eine geeignete und erforderliche Schutzmaßnahme dar. Neben der Vermeidung von Einträgen des Erregers wird auch die medizinische Versorgung unterstützt. Das Erkrankungsrisiko des betreuenden und medizinischen Personals wird verringert. Dadurch tragen die Maßnahmen für die erfassten medizinischen Einrichtungen auch zur Aufrechterhaltung der Versorgungskapazitäten bei.
Zu Nr. 1 Buchst. b):
Es gelten dieselben Überlegungen wie zu Buchst. a). Hinzu kommt folgender Faktor: In vollstationären Einrichtungen der Pflege werden vielfach ältere Personen betreut, die zu den Risikogruppen gehören und durch eine Infektion mit dem neuen Erreger in besonders schwerer Weise gesundheitlich gefährdet wären.
Zu Nr. 1 Buchst. c):
Es gelten dieselben Überlegungen wie zu Buchst. a) und b).
Auch in vollstationären Einrichtungen für Menschen mit Behinderung werden vielfach Personen betreut, die durch eine Infektion mit dem neuen Erreger in besonders schwerer Weise gesundheitlich gefährdet wären.
Zu Nr. 2:
Um besonderen Situationen, z. B. bei Kindern, im Notfall, palliative Situation oder in der Versorgung von Sterbenden, Rechnung tragen zu können, können die Einrichtungen Ausnahmen zulassen. Hierbei können sie Auflagen besonders hinsichtlich Hygiene oder Besuchszeiten zulassen.
Zu Nr. 3:
Zuwiderhandlungen sind als Ordnungswidrigkeiten mit einer Geldbuße bis zu 25 000 Euro bewehrt (§ 73 Abs. 1a Nr. 6 und Abs. 2 IfSG) und bei vorsätzlicher Handlung und dadurch der Verbreitung des Erregers gemäß § 74 IfSG mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bewehrt. Die Anordnung stellt eine Maßnahme nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dar.
Zu Nr. 4:
Die Anordnung tritt an dem auf die Bekanntmachung folgenden Tag in Kraft. Sie ist nicht befristet.
gez.
Ruth Nowak
Ministerialdirektorin