Vollzug des Infektionsschutzgesetzes (IfSG)
Corona-Pandemie:
Verschiebung elektiver Eingriffe und geplanter Behandlungen in Krankenhäusern
Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege
vom 19. März 2020, Az. G24-K9000-2020/125
Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege erlässt auf der Grundlage von § 28 Abs. 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in Verbindung mit § 65 Satz 2 Nr. 2 der Zuständigkeitsverordnung (ZustV) folgende
Allgemeinverfügung
- 1.
- Krankenhäuser, die in den Krankenhausplan des Freistaates Bayern aufgenommen sind, Universitätsklinika und Krankenhäuser mit Versorgungsvertrag nach § 109 SGB V, Einrichtungen der Vorsorge und Rehabilitation der gesetzlichen Rentenversicherung, der gesetzlichen Unfallversicherung und solche mit Versorgungsvertrag nach § 111 und § 111 a SGB V sowie Privatkliniken mit Zulassung nach § 30 der Gewerbeordnung (GewO) haben, soweit medizinisch vertretbar, bis auf Weiteres alle planbaren Behandlungen zurückzustellen oder zu unterbrechen, um möglichst umfangreiche Kapazitäten für die Versorgung von COVID-19 Patienten freizumachen. Die Behandlung von Notfällen ist zu gewährleisten. Es gilt die Definition von Krankenhausstandorten gemäß der Vereinbarung nach § 2a Abs. 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG).
- 2.
- Ausgenommen von der Verpflichtung nach Nr. 1 sind Krankenhäuser und Einrichtungen, die ausschließlich ein psychiatrisches Versorgungsangebot vorhalten.
- 3.
- Der Betrieb von Einrichtungen nach § 111a SGB V ist in dieser Funktion einzustellen. Die Kapazitäten sind für die stationäre Behandlung von Krankenhauspatienten bereitzuhalten.
- 4.
- Diese Allgemeinverfügung tritt am 20. März 2020 in Kraft und mit Ablauf des 15. Mai 2020 außer Kraft. Sie ist sofort vollziehbar.
Begründung
Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 hat sich in kurzer Zeit weltweit verbreitet. Das Robert Koch-Institut und das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit befürchten eine extrem rasche Verbreitung des Virus und im finalen Szenario eine Infektionsrate von über 50 % der Bevölkerung. In Abhängigkeit davon, welchen Erfolg die bereits ergriffenen Maßnahmen des Infektionsschutzes (Schulschließungen etc.) zur Verteilung der Infektionen auf einen möglichst langen Zeitraum haben, stehen die stationären Kapazitäten im Freistaat Bayern vor einer seit Kriegsende nicht dagewesenen Herausforderung.
Vor diesem Hintergrund müssen alle geeigneten Maßnahmen ergriffen werden, um die Kapazitäten an Krankenhäusern für akut erkrankte Personen vorzuhalten und die Krankenhäuser auf die zu erwartenden massiven Fallzahlsteigerungen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf die Akutkrankenhäuser beschränkt bleiben werden, vorzubereiten. Gerade angesichts besonders schwerer und lebensbedrohlicher Krankheitsverläufe und den Erfahrungen mit erheblichen Engpässen in anderen Staaten bedarf es zum Schutz der Bevölkerung einer erheblichen Ausweitung der zur Verfügung stehenden Behandlungskapazitäten. Dies wurde auch übereinstimmend zwischen Bund und Ländern festgestellt. Vor diesem Hintergrund ist – soweit dies im Einzelfall medizinisch vertretbar ist – ein Aufschub geplanter Eingriffe an vorhandenen und potentiell zu belegenden stationären Kapazitäten erforderlich. Dies gilt sowohl für die Akutkrankenhäuser, die als erste mit der Behandlung der Corona-Patienten befasst sein werden, als auch für Einrichtungen der Vorsorge und Rehabilitation, deren Kapazitäten nach den derzeit zur Verfügung stehenden Erkenntnissen sehr rasch folgend zusätzlich benötigt werden.
Hinsichtlich der Finanzierung hat die Bundesregierung die kurzfristige Vorlage eines Gesetzentwurfs angekündigt, wonach Krankenhäuser, die sich aufgrund staatlicher Vorgaben an der Bewältigung der Corona-Krise beteiligen, eine umfassende Refinanzierung etwaiger Erlösausfälle erwarten können.
Zur Begründung im Einzelnen:
Zu den Nrn. 1 bis 3: Verschiebung elektiver Fälle
Die Allgemeinverfügung richtet sich an sämtliche Plankrankenhäuser, Hochschulklinika, Krankenhäuser mit Versorgungsvertrag nach § 109 SGB V, an Einrichtungen der Rehabilitation und Vorsorge der gesetzlichen Rentenversicherung, der gesetzlichen Unfallversicherung und solche mit Verträgen nach §§ 111 und 111a SGB V sowie an reine Privatkliniken mit Zulassung nach § 30 GewO. Damit wird sichergestellt, dass sämtliche im Freistaat Bayern zur Verfügung stehenden Kapazitäten bereitstehen, um den drohenden, in der Geschichte der Bundesrepublik bislang beispiellosen Notstand in der stationären Versorgung zu bewältigen.
Angesichts der zu erwartenden massiven Belastung der Krankenhäuser ist sicherzustellen, dass diejenigen Patienten zuerst behandelt werden, bei denen ein Aufschub aus medizinischen Gründen nicht möglich ist. Ein zentraler Schritt für die Freihaltung der Kapazitäten ist deshalb die weitestgehende Verschiebung geplanter Eingriffe auf die Zeit nach Rückgang der Infektionszahlen. In diesem Sinne werden sämtliche Krankenhäuser und sämtliche Einrichtungen der Vorsorge und Rehabilitation mit Verträgen nach §§ 111 und 111a SGB V verpflichtet, geplante Behandlungen, die aus medizinischer Sicht Aufschub dulden, zwischenzeitlich abzusagen. Auf diese Weise können personelle und räumlich-technische Kapazitäten entweder zur Behandlung von Corona-Patienten oder aber zur Entlastung anderer Krankenhäuser verwendet werden.
Vor dem Hintergrund sich abzeichnender Engpässe ist der Betrieb von Einrichtungen nach § 111a SGBV in dieser Funktion einzustellen, um für die Behandlung stationärer Krankenhauspatienten weitere Vorsorge zu treffen. Die dadurch freiwerdenden Kapazitäten sind bei Bedarf für die Behandlung akut Erkrankter zur Verfügung zu stellen. Im Übrigen würden bei einem Weiterbetrieb zu Zwecken der Kinderbetreuung ein besonders hohes Infektions- und Übertragungsrisiko bestehen.
Zu Nr. 4:
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten sowie die Befristung der Allgemeinverfügung. Sie gilt zunächst vom 20. März 2020 bis einschließlich 15. Mai 2020. Gemäß § 28 Abs. 3 IfSG i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG ist diese Allgemeinverfügung kraft Gesetzes sofort vollziehbar.
gez.
Dr. Winfried Brechmann
Ministerialdirektor