Veröffentlichung BayMBl. 2020 Nr. 466 vom 19.08.2020

Veröffentlichendes Ressort

Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration

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Verwaltungsvorschrift

963-I
  • Verkehrswesen
  • Luftverkehr
  • Verwendung und Betrieb von Luftfahrtgerät, Luftfahrtunternehmen

963-I

Verständigungen und Sofortmaßnahmen nach Unfällen mit Luftfahrzeugen

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration

vom 27. Juli 2020, Az. C5-3737-1-1 BGB

Präsidien der Bayerischen Landespolizei

Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei

Bayerisches Landeskriminalamt

Regierungen

Kreisverwaltungsbehörden

Gemeinden

nachrichtlich

Bayerisches Polizeiverwaltungsamt

Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern

Fortbildungsinstitut der Bayerischen Polizei

Bundespolizeipräsidium Potsdam

Bundespolizeidirektion München

Bayerisches Landesamt für Umwelt

Anlagen

Anlage 1: Sofortmeldung

Anlage 2: Erreichbarkeiten

1.Allgemeines

1Im Einvernehmen mit den Bayerischen Staatsministerien der Justiz, für Umwelt und Verbraucherschutz sowie für Wohnen, Bau und Verkehr wird bestimmt, dass diese Bekanntmachung bei Unfällen mit Luftfahrzeugen gilt. 2Dabei bemisst sich die Definition eines Luftfahrtunfalls nach der Definition des § 2 des Flugunfall-Untersuchungs-Gesetzes (FlUUG). 3Luftfahrzeuge sind nach § 1 Abs. 2 des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) Flugzeuge, Drehflügler, Luftschiffe, Segelflugzeuge, Motorsegler, Frei- und Fesselballone, Rettungsfallschirme, Flugmodelle, Luftsportgeräte und sonstige für die Benutzung des Luftraums bestimmte Geräte, sofern sie in Höhen von mehr als dreißig Metern über Grund oder Wasser betrieben werden können. 4Ferner gelten Raumfahrzeuge, Raketen und ähnliche Flugkörper als Luftfahrzeuge, solange sie sich im Luftraum befinden. 5Darüber hinaus sind die unten genannten Regelungen anlassbezogen auch auf unbemannte Luftfahrsysteme (ULS) anzuwenden. 6Insbesondere wird auf die Meldepflicht unter Nr. 2.4 hingewiesen.

2.Meldungen

Nach einem Unfall mit einem Luftfahrzeug sind folgende Alarmierungen bzw. Verständigungen durchzuführen (nicht abschließend):

2.1Alarmierungen

1In Abhängigkeit des Schadensausmaßes beim Unfall eines Luftfahrzeugs hat die örtliche Polizeidienststelle zunächst unverzüglich die Polizeieinsatzzentrale zu verständigen bzw. bei Eingang der Mitteilung bei der Polizeieinsatzzentrale wird von dieser die örtliche Polizeidienststelle verständigt. 2Von der Polizeieinsatzzentrale haben anlassbezogen folgende Verständigungen zu erfolgen:

  • die Integrierte Leitstelle (ILS),
  • Verständigungen innerhalb des Polizeipräsidiums,
  • das Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration, Lagezentrum Bayern,
  • das zuständige Wasserwirtschaftsamt, wenn das Auslaufen einer wassergefährdenden Flüssigkeit, insbesondere von Treibstoff, infolge des Unfalls zu befürchten ist,
  • das zuständige Wasser- und Schifffahrtsamt, sofern sich in der Nähe eine Wasserstraße befindet, zum Zwecke der Sperrung des Schiffsverkehrs oder Wahrschau (Schleusensperrung; Gefahrguttransporte),
  • Stromversorgungsbetriebe, falls Stromleitungen betroffen sind oder sich in der Nähe befinden und bei Bergungsmaßnahmen abgeschaltet werden müssen,
  • das zuständige Landratsamt oder die zuständige kreisfreie Gemeinde als Katastrophenschutzbehörde,
  • die zuständige Staatsanwaltschaft,
  • die dem Unfallort nächstgelegenen GG-SBC-Trupps und SBC-Trupps der Polizei.

2.2Sofortmeldung zugleich WE-Meldung durch die Einsatzzentrale – örtliche Polizeidienststelle

1Das Landeskriminalamt, SG 532 – Kriminaldauerdienst, ist unverzüglich telefonisch zu verständigen. 2Die telefonische Vorausmeldung ist durch Sofortmeldung zu bestätigen. 3Die Sofortmeldung (Inhalt der Sofortmeldung siehe Anlage 1) soll möglichst genaue Angaben über den Unfallhergang und die Unfallfolgen enthalten. 4Müssen Einzelheiten im Sinne der Anlage 1 erst ermittelt werden, so ist die Sofortmeldung zunächst unvollständig zu erstatten und alsbald zu ergänzen. 5Die Sofortmeldung an das Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration, Lagezentrum Bayern, und das Landeskriminalamt ist mit E-Post zu übermitteln; sie gilt zugleich als WE-Meldung. 6Über Ermittlungsergebnisse und Lagefortschreibungen ist unverzüglich nachzuberichten.

2.3Verständigungen des Bayerischen Landeskriminalamts (BLKA)

Das BLKA hat von dem Unfall eines Luftfahrzeugs sofort – fernmündlich vorab und mit E-Post bzw. Fax – unter Berücksichtigung der Vorgaben und in Teilen vorgehaltener Erreichbarkeiten aus Anlage 2 zu verständigen:

  • Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU),
  • SAR-Leitstelle Münster,
  • Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) Center-Niederlassung München,
  • Regierung von Oberbayern – Luftamt Südbayern Luftsicherheitsstelle,
  • Regierung von Mittelfranken – Luftamt Nordbayern,
  • Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr, über Lagezentrum Bayern,
  • Verkehrsleitung des nächsten Flughafens,
  • Bundespolizei,
  • Landeskommando Bayern,
  • Direktion der Bayerischen Grenzpolizei,
  • zuständige Behörde des Zollgrenzdienstes,
  • zuständige diplomatische oder konsularische Vertretung,
  • Landesamt für Umwelt.

2.4Meldepflichten im Zusammenhang mit ULS

Auf den Meldeweg und den Meldeumfang bei Sachverhalten mit polizeilicher ULS- bzw. Flugmodellrelevanz gemäß IMS IC5-0272.71-2 vom 23. Dezember 2016 darf verwiesen werden.

3.Zuständigkeiten und Aufgaben der Bundeswehr

1Die militärische Flugunfalluntersuchung erfolgt durch das Luftfahrtamt der Bundeswehr. 2Die Feldjäger der Bundeswehr dürfen grundsätzlich jede Absturzstelle eines deutschen, verbündeten oder nichtverbündeten militärischen Luftfahrzeugs sperren und zum militärischen Sicherheitsbereich erklären sowie eine wirksame Absicherung zugunsten der Verbündeten oder Dritter durchführen (siehe auch § 1 des Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie zivile Wachpersonen – UZwGBw). 3Jedoch ist die Bundeswehr angehalten, im Interesse der Sache mit den anderen Hoheitsträgern, insbesondere Staatsanwaltschaft und Polizei, ein gutes Einvernehmen anzustreben.

4.Aufgaben der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) und der Bayerischen Polizei

4.1Aufgaben der BFU

1Der BFU obliegt die unabhängige Untersuchung von zivilen Flugunfällen und schweren Störungen mit Luftfahrzeugen, insbesondere ohne eine Einflussnahme von Dritten. 2Die Untersuchung wird vor Ort von einem Untersuchungsführer geleitet, der sich mit seinem Dienstausweis legitimiert. 3Ausschließliches Ziel dieser Untersuchung ist, Erkenntnisse zu gewinnen, mit denen künftige Unfälle und Störungen verhütet werden können; die Auswertung des Vorkommnisses sowie die Schlussfolgerungen und Sicherheitsempfehlungen sollen nicht der Klärung der Schuld- bzw. Haftungsfrage dienen. 4Der Untersuchungsführer, die Untersuchungsfachkräfte und die Beauftragten für Unfalluntersuchung sind zur Erfüllung des Untersuchungsauftrags befugt, im Benehmen mit der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen (siehe auch §§ 10, 11 FlUUG). 5Die Untersuchung durch die BFU kann angesichts ihrer rein präventiven Zielsetzung die Hinzuziehung eines Sachverständigen durch die Strafverfolgungsbehörden, die im Einzelfall zu prüfen ist, nicht ersetzen.

4.2Aufgaben bzw. Ziele der Bayerischen Polizei

1Die Bayerische Polizei hat folgende Aufgaben bzw. Ziele (nicht abschließend):

  • Abwehren von Gefahren für die Bevölkerung,
  • Verhindern einer Schadensausweitung bzw. eines Schadenseintritts,
  • Gewinnen von Informationen, Ermitteln von Ursachen,
  • Verhindern oder Verringern der Verunsicherung der Bevölkerung,
  • Gewährleisten einer beweissicheren Verfolgung von Straftaten,
  • Gewährleisten des ungehinderten Einsatzes der originär zuständigen Behörden, Fachdienste (BFU).

2Ferner hat die Polizei dem Untersuchungsführer der BFU Amtshilfe zu leisten. 3Auf die bei den Polizeipräsidien vorhandenen Konzepte zur Thematik: „Größere Schadensereignisse, Gefahr größerer Schadensereignisse, Katastrophen“ (SoKo GSE – GGSK) wird hingewiesen.

4.3Zusammenwirken von Polizei und der BFU

4.3.1Aufgabenüberschneidung

1Die Aufgaben der Polizei nach Nr. 4.2 überschneiden sich zum Teil mit Aufgaben des Untersuchungsführers der BFU, zum Teil können sie, wenn sie unsachgemäß vorgenommen werden, die Aufgaben des Untersuchungsführers der BFU erschweren oder vereiteln. 2Die Polizei soll daher darauf bedacht sein, ihre Maßnahmen mit dem Untersuchungsführer der BFU abzustimmen, mit ihm eng zusammenzuwirken und – sofern möglich – Maßnahmen gemeinsam oder im Benehmen mit dem Untersuchungsführer der BFU zu treffen.

4.3.2Weisungsbefugnis der Staatsanwaltschaft

Die Weisungsbefugnis der Staatsanwaltschaft gegenüber ihren Ermittlungspersonen (§ 152 Abs. 1 GVG) bleibt hiervon unberührt.

4.3.3Unfälle von Flugzeugen mit einer Höchstmasse bis 2 000 kg

1Unfälle von Flugzeugen mit einer Höchstmasse bis 2 000 kg, wenn sich der Unfall nicht während des Betriebs in einem Luftfahrtunternehmen ereignet hat, und von Segelflugzeugen und Motorseglern werden von der BFU nur dann untersucht, wenn sich die BFU hiervon neue Erkenntnisse für die Sicherheit der Luftfahrt erwartet. 2In diesen Fällen und bei Unfällen mit Ultraleichtflugzeugen hat jedoch eine Verständigung der BFU zu erfolgen. 3Entsprechendes gilt auch für Unfälle mit anderen Luftfahrzeugen (zum Beispiel Hängegleitern, Gleitsegel und Fallschirmen). 4Um dennoch eine sachgerechte Untersuchung durch die Strafverfolgungsbehörden zu ermöglichen, stellt die BFU auch in diesen Fällen ihre rund um die Uhr besetzte Meldestelle (Erreichbarkeit siehe Anlage 2) als Vermittlungsstelle für Sachverständige zur Verfügung. 5Zusätzlich können dort auch Telefonnummern oder Adressen zum jeweils zuständigen Luftsportverband vermittelt werden.

5.Einzelne Maßnahmen

5.1Anfahrt

1Schon bei der Anfahrt ist auf Überlebende sowie auf unfallrelevante bzw. tatrelevante Umstände im Gelände zu achten. 2Die Fahrzeuge sind in genügendem Abstand seitlich vom Luftfahrzeug und möglichst entgegen der Windrichtung außerhalb des Gefahrenbereiches aufzustellen. 3Dabei sind folgende Gefahrenbereiche unbedingt zu meiden:

  • vor den Flügelspitzen nach vorn auf unbegrenzte Entfernung (Bordwaffen bei Militärflugzeugen),
  • hinter den Flügelspitzen auf mindestens 100 m Entfernung (Triebwerk),
  • das Umfeld von Hochspannungsleitungen, da insbesondere von darin verunfallten Flugzeugen und Ballonen eine erhöhte Gefahr ausgeht (Gefahr eines Stromüberschlags bzw. eines Lichtbogens bis zur Erdung oder Abschaltung der Stromleitung durch die Feuerwehr).

4Jede Entzündungsmöglichkeit ausgelaufener Treibstoffe bzw. ausströmender Gase (Heißluftballon) an der Unfallstelle ist zu vermeiden (absolutes Rauchverbot). 5Verhaltensregeln der Leitfäden 371 und 450 sind zu berücksichtigen.

5.2Absperren der Unfallstelle durch die Polizei

1Aus Sicherheitsgründen ist unmittelbar nach dem Eintreffen das Ausmaß des Trümmerfeldes festzustellen und eine Umstellung mit schnellstmöglicher Verdichtung zur Absperrung um das Luftfahrzeug mit einem Radius von 300 bis 400 m durchzuführen. 2Bei Luftfahrzeugen mit Bordwaffen ist der Gefahrenbereich nach vorne besonders zu beachten. 3Darüber hinaus sind weitere Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung, zum Beispiel Räumung gefährdeter Bereiche, zu prüfen. 4Die Unfallstelle ist so abzusperren, dass diejenigen Beweisgegenstände, die für die Aufklärung der Unfallursache(n) von Bedeutung sind (zum Beispiel Flugzeugtrümmer), nicht vorzeitig in ihrer Lage verändert oder entwendet werden. 5Dabei ist ferner sicherzustellen, dass Unbeteiligte nicht durch Unfallfolgen (Brand, Explosion, Einsturz von Bauwerken) gefährdet werden. 6Hierbei ist zu berücksichtigen, dass explosionsfähige Gase in der Regel schwerer als Luft sind und sich in Senken sammeln und konzentrieren können. 7Mögliche Zündquellen sind fernzuhalten. 8Die Umgebung der Unfallstelle kann durch verstreute radioaktive Ladung oder durch zerstörte Bordinstrumente kontaminiert sein. 9Von verstreuter Ladung mit gefährlichen Gütern können auch nach Stunden noch Gefahren durch verzögert einsetzende gefährliche Reaktionen entstehen (Lithium-Batterien, Peroxide, selbsterhitzungsfähige Stoffe etc.). 10Die Unfallstelle, die Unfallspuren sowie sämtliche Wrackteile, Trümmerstücke und sonstiger Inhalt

des Luftfahrzeugs dürfen bis zur Freigabe durch den Untersuchungsführer der BFU nicht berührt oder verändert werden. 11Gestattet sind lediglich:

  • Rettungs- und Erste-Hilfe-Maßnahmen an Verletzten möglichst unter gleichzeitiger schriftlicher und bildlicher Dokumentierung ihrer Lage auf der Unfallstelle oder im Verhältnis zur Unfallstelle,
  • Löschmaßnahmen, möglichst ohne die Lage der in den Sätzen 4 und 9 genannten Gegenstände zu verändern,
  • Maßnahmen zur Abwehr einer konkreten Gefahr.

12Zur Unfallstelle sind Mitglieder der Besatzung des verunglückten Luftfahrzeugs und Beauftragte der betroffenen Fluggesellschaften, Vertreter von Luftfahrzeugherstellerfirmen oder sonstige Personen (ausgenommen Rettungsdienstpersonal) nur im Benehmen mit der Staatsanwaltschaft und dem Untersuchungsführer der BFU zuzulassen. 13Die Zufahrtswege und Rettungswege zur Unfallstelle sind schnellstmöglich freizumachen und freizuhalten.

5.3Rettungsmaßnahmen und Hilfe bei Flugunfällen, einschließlich Unfälle mit militärischen Luftfahrzeugen und Ultraleichtflugzeugen

1Hinweise zum Verhalten an der Unfallstelle, Sofortmaßnahmen und Erste Hilfe, insbesondere auch bei Unfällen mit militärischen Luftfahrzeugen, an und in denen Kampfmittel und Schleudersitzsysteme verbaut sind, sind im Intranetangebot der Bayerischen Polizei (nur für Polizeiangehörige) unter http://www.intrapol.intra.polizei.bayern.de/verkehr/luftfahrt/850371#fm_Zwischenueberschrift_flex_anchor_0_9 abrufbar. 2Motordrachen und Ultraleichtflugzeuge mit der Kennung D-MXXX sind in der Regel mit ballistischen Rettungsgeräten ausgestattet. 3Bei Luftfahrzeugen mit ausländischen Kennungen, also solchen, die nicht mit „D“ beginnen, ist anhand des Kennzeichens (zweiter Buchstabe) nicht erkennbar, ob sich ein ballistisches Rettungssystem an Bord befindet. 4Ebenso sind manche Kleinflugzeuge mit der Kennung D-EXXX der Marke Cirrus und Cessna mit ballistischen Rettungssystemen ausgerüstet. 5Bei der Annährung an diese Ultraleichtflugzeuge ist darauf zu achten, dass die ballistischen Rettungssysteme aufgrund der Gefahr erheblicher Verletzungen nicht auslösen. 6Die Rettungssysteme sind mit einem Sprengsatz ausgestattet, der vor Flugbeginn durch das Ziehen eines Sicherungsstiftes aktiviert wird. 7Vor der Bergung von Personen ist darauf zu achten, dass der Stift wieder eingesetzt bzw. das Rettungssystem durch fachkundige Personen deaktiviert wird. 8Die Sicherung des Rettungssystems ist nach Möglichkeit zu dokumentieren.

5.4Aufklärung an der Unfallstelle

1Soweit möglich ist – gegebenenfalls durch Befragung der Besatzung oder Rückfrage beim Heimatflughafen – festzustellen,

  • wie viele Personen mitgeflogen sind,
  • ob das Luftfahrzeug mit Schleudersitzen ausgerüstet ist oder war,
  • mit welchen Treibstoffmengen das Luftfahrzeug betankt war,
  • welche Bewaffnung an Bord war,
  • welche Beladung sich an Bord befand und
  • ob es sich um ein Ultraleichtflugzeug mit Rettungssystem handelt.

2Um die Halterfeststellung der bei den Luftsportverbänden registrierten Luftfahrzeuge mit den Kennzeichen D-MXXX (Aerodynamisch gesteuerte und gewichtskraftgesteuerte Ultraleichtflugzeuge) auch außerhalb der Bürostunden und an Wochenenden zu ermöglichen, haben der Deutsche Aero Club e. V. (DAEC) und der Deutsche Ultraleichtflugverband e. V. (DULV) jeweils Notrufnummern (siehe Anlage 2) eingerichtet, die es insbesondere den Polizeibehörden erlauben, Halterfeststellungen durchzuführen. 3Herumliegende Gegenstände sind bis zur Beweissicherung liegen zu lassen. 4Verstreute Unterlagen aus Papier (Bordbücher usw.), die offensichtlich aus dem Luftfahrzeug stammen, sind den mit der Beweissicherung befassten Personen zu übergeben.

5.5Beweissicherung

1Für die Aufklärung der Unfallursache und des Unfallhergangs sind insbesondere die Beschaffenheit und genaue Lage des verunglückten Luftfahrzeugs, seiner Ladung, von Luftfahrzeugtrümmern, Leichen und Leichenteilen sowie verletzten Personen, ferner Aufzeichnungseinrichtungen des Luftfahrzeugs, Schalterstellungen im Cockpit, die Luftfahrzeugpapiere, Zeugenaussagen und toxikologische Untersuchungen von Körperflüssigkeiten (wie Blut oder Urin) vor allem des Luftfahrzeugpersonals von Bedeutung. 2Die schnellstmögliche Dokumentation der Absturzstelle durch Fertigen von Lichtbildern oder beispielsweise Drohnenaufnahmen ist anzustreben.

5.5.1Sicherstellung von Tonträgern

1Die Tonträger der Deutschen Flugsicherung oder einer sonstigen Bodenfunkstelle über den Sprechfunkverkehr mit dem Luftfahrzeug sind sofort sicherzustellen. 2Der Untersuchungsführer der BFU ist zur Erfüllung seines Untersuchungsauftrags im Benehmen mit der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang befugt, umfangreiche Maßnahmen zu ergreifen. 3Insbesondere zählen hierzu sofortiger Zugang zu Aufzeichnungsanlagen, Aufzeichnungsträgern und sonstigen Aufzeichnungen aus dem Luftfahrzeug und bei der Flugsicherung, Ansichnahme dieser Gegenstände und ihre Auswertung sowie Zugang zu sonstigen Aufzeichnungen und deren Auswertung, soweit dies zur Erreichung des Untersuchungszweckes erforderlich ist. 4Flight-Recorder, die teilweise auch Flugrouten aufzeichnen, können von der BFU ausgewertet werden.

5.5.2Vernehmung von Zeugen

1Die Polizei hat Unfallzeugen zu ermitteln und zu befragen. 2Beweisgegenstände dürfen in ihrer Lage nicht verändert werden, bevor nicht die Staatsanwaltschaft und der Untersuchungsführer der BFU zugestimmt haben. 3Dies gilt nicht, soweit es zur Rettung Verletzter notwendig ist. 4Die Polizei soll Unfallzeugen im Benehmen mit dem Untersuchungsführer der BFU, möglichst in dessen Gegenwart, vernehmen.

5.5.3Sicherung von Beweisgegenständen

1Beweisgegenstände sind in ihrer ursprünglichen Lage möglichst genau festzuhalten (Markierung im Gelände, Festlegen von Sektoren, Lichtbild- und Videoaufnahmen). 2Das gilt besonders dann, wenn die Lage von Beweisgegenständen durch Erste-Hilfe-Maßnahmen verändert werden muss. 3Nach Unfällen von Luftfahrzeugen sind die Beweisgegenstände oft sehr zahlreich, weit um die Unfallstelle verstreut und manchmal sogar unter die Erdoberfläche gelangt. 4Es ist daher notwendig, bei ihrer Sicherung systematisch vorzugehen, jeden einzelnen Beweisgegenstand kenntlich zu machen und das Gelände vor der Freigabe sorgfältig nach noch nicht entdeckten Trümmern, Effekten der Luftfahrzeuginsassen und dergleichen abzusuchen. 5Zur Unterstützung bei der Beweissicherung bietet sich der Einsatz von Drohnen und Wärmebildkameras an. 6Beweisgegenstände sollen möglichst gemeinsam mit dem Untersuchungsführer der BFU untersucht werden.

5.5.4Identifizierungsmaßnahmen

1Die Identifizierung von Leichen obliegt – unbeschadet der Weisungsbefugnis der Staatsanwaltschaft (Nr. 33 ff. RiStBV) – der Polizei. 2Das BLKA entsendet im Bedarfsfall daktyloskopische Sachverständige, Daktyloskopen und Beamte des Erkennungsdienstes zur Unterstützung bei Identifizierungsaufgaben. 3Anforderungen können rund um die Uhr an das BLKA, SG 532 – Kriminaldauerdienst, gerichtet werden. 4Des Weiteren ist beim BLKA das Sachgebiet 521 – Vermisste, unbekannte Tote, unbekannte hilflose Personen (VuT) – für die Informationskoordinierung im Hinblick auf unbekannte Tote und Vermisste und damit einhergehend für die notwendige Erfassung in der Verbunddatei „VERMI/UTOT“ zuständig. 5Davon unberührt bleiben die Regelungen zu den Auskunfts- und Vermisstenstellen sowie zur Vermisstensachbearbeitung (IMS C5-1338-20/HA vom 26. Juli 2019 und IMS IC5-3721.1-19 vom 3. Dezember 1998). 6Besondere Bedeutung für die Identifizierung unkenntlicher Leichen haben Fingerabdrücke, Fußabdrücke, der Gebissbefund oder -abdruck, Haarproben, Körpergewebe (DNA-fähiges Material zur DNA-Untersuchung) und Effekte, die im Zusammenhang mit den Leichen oder in deren Nähe gefunden wurden. 7Die Empfehlungen des Handbuchs zur Identifizierung von Katastrophenopfern (DVI Handbuch Interpol 2018) sind zu beachten. 8Toxikologische Untersuchungen von Körperflüssigkeiten des Flugpersonals und von Toten sind erforderlich, wenn dadurch Erkenntnisse über den Zustand und das Verhalten vor dem Unfall gewonnen werden können. 9Die in diesem Zusammenhang erforderliche Entnahme von Proben wird durch die zur Leichenidentifizierung beigezogenen Gerichtsmediziner, Land- oder Amtsgerichtsärzte oder sonstigen entsprechend ausgebildeten Ärzten durchgeführt. 10Die Maßnahmen sollten möglichst im Benehmen mit den Sachverständigen des BLKA, Abteilung II – Kriminaltechnisches Institut, getroffen werden, insbesondere dann, wenn auch andere medizinische Asservate für eine toxikologische Untersuchung (zum Beispiel Kohlenmonoxid) von Bedeutung sein können. 11Bei schweren Flugunfällen sollten Sachverständige des BLKA, Abteilung II – Kriminaltechnisches Institut, angefordert werden. 12Die toxikologischen Untersuchungen von Körperflüssigkeiten und sonstigen medizinischen Asservaten werden im BLKA durchgeführt, dem diese unverzüglich zu übersenden sind. 13Für die Feststellung von Alkohol im Blut gelten die hierzu erlassenen Vorschriften. 14Werden bei den Instituten für Rechtsmedizin Sektionen durchgeführt, so sollen dort auch die toxikologischen Untersuchungen der Körperflüssigkeiten erfolgen. 15Bei hohem Probenaufkommen soll ebenfalls ein Teil der Untersuchungen den Instituten für Rechtsmedizin und gegebenenfalls dem Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe übergeben werden. 16Die Identifizierung von Toten nach schweren Unglücksfällen kann durch die Identifizierungskommission (IDKO) des BKA wirksam unterstützt werden. 17Ihr gehören Beamte des BKA sowie Rechtsmediziner, Zahnärzte und Obduktionsassistenten an. 18Die IDKO wird nach Aufruf zugewiesen und nimmt ihren Arbeitsbereich selbstständig wahr. 19Von der IDKO werden vor Ort mit kriminalistischem Fachwissen alle Befunde erhoben, die zur Identifizierung von Opfern oder Vermissten beitragen können. 20Hinzu kommt die rechtsmedizinische Begutachtung zur Erstellung einer ausführlichen Personenbeschreibung, die Feststellung besonderer Merkmale am und im Körper, die Erstellung des Zahnstatus sowie die Erlangung von Gewebeproben für eine evtl. erforderliche DNA-Analyse. 21Der Einsatz der IDKO zur Unterstützung der Länder ist in § 35 des BKA-Gesetzes geregelt und erfolgt auf Anforderung über das Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration, Lagezentrum Bayern. 22Nähere Einzelheiten zum genauen Kräfteansatz und -einsatz der IDKO klärt ein „Vorauskommando“, das sich nach Anforderung unverzüglich zum Schadensort begibt. 23Es wird darauf hingewiesen, dass eine Anforderung der IDKO bei einer Großschadenslage auch bei einer relativ geringen Opferanzahl möglich und sinnvoll sein kann (zum Beispiel, wenn bei ausländischen Betroffenen umfangreiches Vergleichsmaterial im Ausland zu erheben ist).

5.6Absuche nach verstreutem Gefahrgut und Messung radioaktiver Kontamination

1Bestehen Anhaltspunkte, dass die Umgebung der Unfallstelle durch beschädigte Versandstücke mit Gefahrgut – insbesondere zerstreute radioaktive Ladung – oder durch zerstörte Bordinstrumente kontaminiert ist oder dass scheinbar intaktes Gefahrgut verstreut wurde, hat der nächstgelegene GG-SBC-Trupp oder SBC-Trupp der Polizei die erforderlichen Maßnahmen, insbesondere Strahlungsmessungen und die Gewährleistung der Personendosimetrie der Einsatzkräfte, durchzuführen und den Örtlichen Einsatzleiter zu beraten. 2Kann eine entsprechend ausgerüstete Feuerwehr diese Aufgabe zeitnäher erledigen, so ist auch diese zu alarmieren; gegebenenfalls sind weitere Sachverständige, zum Beispiel das Landesamt für Umwelt, hinzuzuziehen. 3Bei Unfällen mit radioaktiven Stoffen ist in jedem Fall das Landesamt für Umwelt zu informieren. 4Beim Auffinden von Gefahrgut oder Überresten von Verpackungen ist der Untersuchungsführer des BFU sofort zu informieren. 5Insbesondere sind vorhandene Regelungen zu Asservatentransporten zu beachten. 6Strahlendosimeter können bei der Auswertungsstelle (AWST) der Mirion Technologies GmbH, https://www.auswertungsstelle.de/die-awst/index.html, bezogen werden.

5.7Freigabe (vgl. § 13 FlUUG)

1Über die Freigabe der Unfallstelle nach § 13 FlUUG, des Luftfahrzeugs, des Wracks oder seiner Teile, der Ladung und etwaiger Opfer entscheidet der Untersuchungsführer der BFU in enger Zusammenarbeit mit der zuständigen Staatsanwaltschaft und der zuständigen Einsatzzentrale der Bayerischen Landespolizei. 2Sofern es sich um ein Militärflugzeug handelt, ist die Zustimmung des Landeskommandos Bayern einzuholen.

6.Schlussbericht

Die endsachbearbeitende Polizeidienststelle hat einen schriftlichen Schlussbericht mit dem Inhalt nach Anlage 1 zu erstatten an

  • den Untersuchungsführer der BFU,
  • die Regierung von Oberbayern – Luftamt Südbayern – oder an
    die Regierung von Mittelfranken – Luftamt Nordbayern –,
  • das Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr.

7.Weiterleitung von Sofortanzeigen des Luftfahrzeugführers

Unberührt bleibt die Pflicht der örtlich zuständigen Polizeidienststellen, Sofortanzeigen des Luftfahrzeugführers nach § 7 der Luftverkehrs-Ordnung über das Landeskriminalamt an die BFU sowie darüber hinaus an die unter Nr. 2.3 genannten Stellen weiterzuleiten.

8.Inkrafttreten, Außerkrafttreten

1Diese Bekanntmachung tritt am 1. September 2020 in Kraft und mit Ablauf des 31. August 2030 außer Kraft. 2Mit Ablauf des 31. August 2020 tritt die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 20. Juli 1976 (MABl. S. 705), die zuletzt durch Bekanntmachung vom 9. April 1986 (MABl. S. 213) geändert worden ist, außer Kraft.

Karl Michael Scheufele

Ministerialdirektor


Anlagen