Veröffentlichung BayMBl. 2020 Nr. 550 vom 23.09.2020

Veröffentlichendes Ressort

Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales

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Verwaltungsvorschrift

2179-A
  • Verwaltung
  • Sozialhilfe und Wohlfahrtswesen
  • Sonstige soziale Hilfen

2179-A

Richtlinie für die Förderung von Maßnahmen zur Prävention von politischer und
religiös begründeter Radikalisierung (Radikalisierungspräventionsrichtlinie – RPR)

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales

vom 27. August 2020, Az. VI2/6726.09-1/15

1Die Errungenschaften unserer freiheitlichen-demokratischen Gesellschaft prägen maßgeblich den hohen Lebenswert im Freistaat Bayern. 2Demokratie, Pluralismus, Meinungsfreiheit, Toleranz und Gleichberechtigung sind die Grundpfeiler unseres friedlichen Zusammenlebens und damit auch Leitbild für die Radikalisierungsprävention. 3Um dieses friedliche Zusammenleben zu sichern, verfolgen wir in Bayern einen ganzheitlichen Ansatz im Kampf gegen Extremismus. 4Unabhängig davon, ob rechts- oder linksextremistisch, islamistisch oder phänomenübergreifend antisemitisch: Durch zielgruppenspezifische und flächendeckende Präventionsarbeit setzen wir bereits bei der Verhinderung von Radikalisierung an. 5In enger Abstimmung mit den anderen Maßnahmen zur Prävention und den Maßnahmen zur Deradikalisierung in Bayern soll so Extremismus auf vielfältigen Wegen so früh wie möglich bekämpft werden. 6Auf dieser Basis hat der Freistaat Bayern verschiedene modellhafte Fördermöglichkeiten zur Prävention von Radikalisierung etabliert. 7Der Freistaat Bayern gewährt auch zukünftig nach Maßgabe dieser Richtlinie und der allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen (insbesondere der Verwaltungsvorschriften zu Art. 44 der Bayerischen Haushaltsordnung – BayHO) Zuwendungen für Maßnahmen zur Prävention von politischer und religiös begründeter Radikalisierung. 8Die Förderung erfolgt ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel.

1.Zweck der Zuwendung

1Prävention zielt auf ein vielfältiges, gewaltfreies und demokratisches Miteinander und will möglichst bereits den Einstieg der vorwiegend jungen Menschen in eine radikale Ideologie verhindern und hierfür zum Beispiel Argumente liefern, warum radikale Ideologien nicht die bessere Alternative sind. 2Prävention hilft, Probleme zu vermeiden, bevor sie entstehen. 3Prävention macht Menschen immun gegen extremistische Botschaften; sie verringert die Gefahr, dass Menschen sich zum Beispiel dem Salafismus, dem Rechts- oder Linksextremismus oder dem Antisemitismus zuwenden und die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnen und womöglich sich selbst oder andere gefährden. 4Prävention sollte möglichst phänomenspezifisch ausgerichtet sein. 5Dies unterscheidet die Prävention von universellen Ansätzen wie der Sozial- und Integrationspolitik oder Maßnahmen der Demokratie- und Wertebildung, wenngleich das Eine ohne das Andere nicht sinnvoll wäre und gegenseitige Überschneidungen nicht immer vermeidbar sind. 6Auch wenn Radikalisierung als Prozess nicht zwangsläufig in Gewalt mündet, gefährdet jeglicher Extremismus die Prinzipien des demokratischen Zusammenlebens und damit den Zusammenhalt unserer Gesellschaft: Die Vielfalt der Lebensstile, Pluralismus und freie Meinungsbildung sind mit extremistischen Weltbildern unvereinbar. 7Radikalisierungsprävention ist somit unabhängig von der Verhinderung von Gewalt nötig, um insbesondere junge Menschen nicht für das demokratische Gemeinwesen zu verlieren. 8Zweck der Förderung ist es,

  • Maßnahmen beziehungsweise Projekte zu etablieren, deren Wirkung gegen jegliche Form von Radikalisierung gerichtet ist,
  • modellhafte Maßnahmen auszuprobieren und deren Wirkweise zu erforschen,
  • sogenannte „Best-Practice-Beispiele“ zu identifizieren und im Rahmen einer Projektförderung zu unterstützen.

9Institutionelle Förderungen sind nach dieser Richtlinie nicht möglich. 10Zudem können Maßnahmen und Projekte, deren Schwerpunkt die allgemeine Demokratieförderung ist oder die Deradikalisierung als inhaltlichen Schwerpunkt setzen, nicht gefördert werden. 11Für präventive Maßnahmen im Bereich der Radikalisierung wird mit dieser Richtlinie ein einheitliches Förderinstrument geschaffen, welches die zur Verfügung stehenden kommunalen Angebote und diejenigen auf Bundes- beziehungsweise EU-Ebene ergänzt.

2.Aufgaben und Ziele

1Ziel der Maßnahme ist es,

  • zur Stärkung des vielfältigen, gewaltfreien und demokratischen Miteinanders beizutragen (zum Beispiel durch allgemeine oder phänomenspezifische, insbesondere niedrigschwellig wirkende Präventionsangebote),
  • der Radikalisierung entgegenzuwirken,
  • Zielgruppen für Anzeichen einer Radikalisierung beziehungsweise Anwerbestrategien zu sensibilisieren und insbesondere Jugendliche und ihr soziales Umfeld gegen extremistische Ansprache immun zu machen.

2Dabei sollen die Maßnahmen die Bereiche der politischen Radikalisierung (zum Beispiel Links- und Rechtsextremismus), der religiös begründeten Radikalisierung (zum Beispiel Salafismus) wie auch phänomenübergreifende Ausprägungen (zum Beispiel Antisemitismus) abdecken. 3Ziel der Projektförderung ist es darüber hinaus, die vorhandenen lokalen Präventionsstrukturen miteinander zu vernetzen und zu enger Kooperation zu bringen. 4Hierdurch lassen sich Synergien generieren und langfristig Perspektiven zur Verselbstständigung der Maßnahmen erreichen.

3.Gegenstand der Förderung

Gefördert wird im Rahmen des Zuwendungszwecks nach Maßgabe der Nr. 2 die projektbezogene Durchführung von Maßnahmen zur Radikalisierungsprävention.

4.Zuwendungsempfänger

Zuwendungsempfänger sind rechtsfähige Träger, die über die erforderliche Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit zur Durchführung dieser Maßnahmen verfügen, beziehungsweise deren bisherige Tätigkeit eine erfolgreiche Erfüllung des Förderzwecks erwarten lässt.

5.Art und Umfang der Förderung

5.1Art der Förderung

Die Zuwendung wird als Anteilfinanzierung im Rahmen einer Projektförderung gewährt.

5.2Zuwendungsfähige Ausgaben

1Zuwendungsfähig sind projektbezogene Personalausgaben sowie Sachausgaben. 2Die Höhe der zuwendungsfähigen Eigenpersonalausgaben bemisst sich grundsätzlich nach einem Höchstsatz (Personalausgabenhöchstsatz). 3Dieser wird auf Grundlage des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) in der jeweils geltenden Fassung festgesetzt. 4Für die Berechnung des Personalausgabenhöchstsatzes werden die Angaben des TV-L herangezogen, welche zum Ende des Vorjahres Gültigkeit haben. 5Für die Bemessungsgrundlage des Eigenpersonals sind nicht die tatsächlichen Einstufungen beim Zuwendungsempfänger, sondern grundsätzlich die Entgeltgruppen E 8 bis 11 TV-L (Projektleiterinnen und Projektleiter, Projektkoordinatorinnen und Projektkoordinatoren, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen oder ähnliches Personal), E 5 bis 9 TV-L (Dozentinnen und Dozenten, Lehrkräfte oder ähnliches Personal) und E 3 bis 8 TV-L (Verwaltungs- und Sachbearbeitungskräfte, Buchhaltungskräfte oder ähnliches Personal) maßgeblich. 6Eine Einstufung in Entgeltgruppen über E 11 TV-L ist im begründeten Einzelfall ausnahmsweise möglich. 7Bei der Ermittlung des Höchstsatzes werden zum jeweiligen Grundentgelt des TV-L die Jahressonderzahlung im Sinne des § 20 TV-L, die vermögenswirksame Leistung im Sinne des § 23 Abs. 1 TV-L sowie die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung und die Umlage zur Zusatzversorgung in Höhe von insgesamt bis zu 26 % hinzugerechnet. 8Anpassungen des Personalausgabenhöchstsatzes werden durch das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales bekannt gegeben. 9Zur Abgeltung der Gemeinausgaben (nicht direkt zuordenbare, aber projektbezogene Ausgaben) kann in geeigneten Fällen anstelle einer Spitzabrechnung eine Pauschale in Höhe von bis zu 10 % der direkt zuordenbaren zuwendungsfähigen Ausgaben angesetzt werden. 10Die Entscheidung des Zuwendungsempfängers hinsichtlich Pauschale oder Spitzabrechnung ist für den jeweiligen Bewilligungszeitraum bindend.

5.2.1
1Für Personal, dessen Beschäftigung für eine geringere als die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit nach TV-L vereinbart ist, wird der Teil des Personalausgabenhöchstsatzes als zuwendungsfähig anerkannt, der dem Verhältnis der vereinbarten zur regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit entspricht. 2Gleiches gilt, wenn zuwendungsfähiges Personal auch in anderen Bereichen oder Maßnahmen des Zuwendungsempfängers eingesetzt wird.
5.2.2
1Für Berechnungen anteiliger Monate wird mit der Anzahl der jeweiligen Tage des Monats gerechnet. 2Die sich für die einzelnen Kräfte ergebenden, zuwendungsfähigen Personalausgaben sind auf volle Euro abzurunden.
5.2.3
Die Förderung entfällt, solange eine Stelle nicht besetzt ist oder wegen Krankheit, Elternzeit oder Ähnlichem ein tariflicher oder gesetzlicher Entgeltanspruch nicht besteht.

5.3Höhe der Förderung

Die Förderung beträgt bis zu 90 % der nach Nr. 5.2 ermittelten zuwendungsfähigen Ausgaben.

6.Eigenanteil

1Bei allen Maßnahmen ist ein angemessener Eigenanteil in Höhe von mindestens 10 % der zuwendungsfähigen Gesamtausgaben vom Zuwendungsempfänger aufzubringen. 2Nicht zuwendungsfähige Ausgaben müssen durch Eigen- oder Drittmittel aufgebracht werden. 3Diese dürfen weder den Ausgaben der Maßnahme zugeschlagen noch bei den im Finanzierungsplan vorzusehenden Eigenmitteln angesetzt werden. 4Geldspenden sowie Bußgelder können als Eigenmittel anerkannt werden.

7.Mehrfachförderung

1Eine Komplementärförderung mit Mitteln der Kommunen, des Bundes, der Europäischen Union oder anderer Stellen des Freistaates ist möglich. 2Gewähren vorgenannte Stellen ebenfalls Zuwendungen, und übersteigt die Gesamtzuwendung dadurch 90 % der zuwendungsfähigen Ausgaben, so ist die Förderung vorrangig nach dieser Richtlinie zu kürzen.

8.Antrags- und Bewilligungsverfahren

Alle Anträge nach dieser Richtlinie sind bei der Regierung von Mittelfranken, Sachgebiet 15, Marienstraße 21, 90402 Nürnberg, einzureichen, die über diese entscheidet (Bewilligungsbehörde).

8.1Bewilligungszeitraum

Bewilligungszeitraum ist grundsätzlich die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember eines Jahres.

8.2Antragstellungsverfahren

1Bei allen Maßnahmen ist ein entsprechender Antrag auf Zuwendung vor Beginn des Bewilligungszeitraums, grundsätzlich bis spätestens 15. November des Vorjahres zu stellen. 2Dem Antrag sind neben der ausführlichen Projektbeschreibung eine Beschreibung der Struktur- (zum Beispiel Kooperationsvereinbarungen, Personal-, Raum- und Sachmittelausstattung, Personalwirtschaft), Prozess- und Ergebnisqualität (zum Beispiel Darlegung des Zugangs zur Zielgruppe, quantitative und qualitative Zielmarken), eine Verpflichtung zur Dokumentation und Evaluation sowie eine grobe Skizze zum Evaluationsvorhaben beizufügen. 3Auf der Grundlage des gestellten Antrags und der im Rahmen des Prüfverfahrens gegebenenfalls mitgeteilten Änderungen erlässt die Bewilligungsbehörde einen Zuwendungsbescheid. 4Dieser steht unter dem Vorbehalt etwaiger Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse nach Bescheiderlass. 5Die Bewilligungsbehörde kann bei Vorliegen der Voraussetzungen der Verwaltungsvorschrift Nr. 1.3.3 zu Art. 44 BayHO auf Antrag die Einwilligung zum vorzeitigen Maßnahmebeginn erteilen. 6Anträge auf Zuwendungen nach dieser Richtlinie sind unter Verwendung der bei der Bewilligungsbehörde erhältlichen Vordrucke zu erstellen. 7Bei der Beantragung einer Zuwendung ist parallel dem Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales ein Abdruck (mit Anlagen) ausschließlich in digitaler Form zu übersenden.

8.3Abschlagszahlungen

1Die Auszahlung der bewilligten Zuwendung erfolgt ausschließlich auf Antrag. 2Die Abschlagszahlungen richten sich nach Nr. 1.4 der Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P) beziehungsweise Nr. 1.3 der Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an kommunale Körperschaften (ANBest-K). 3Die Anträge sind unter Verwendung der bei der Bewilligungsbehörde erhältlichen Vordrucke zu erstellen.

9.Verwendungsnachweis

1Die Bewilligungsbehörde prüft die Verwendungsnachweise in eigener Zuständigkeit und Verantwortung. 2Der Nachweis über die Verwendung der staatlichen Zuwendung, der aus einem Sachbericht und einem zahlenmäßigen Nachweis besteht, ist grundsätzlich spätestens sechs Monate nach Ende des Bewilligungszeitraums vorzulegen. 3Der Nachweis der Verwendung der staatlichen Zuwendung nach dieser Richtlinie ist unter Verwendung der bei der Bewilligungsbehörde erhältlichen Vordrucke zu erstellen. 4Dem Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales ist ein Abdruck des Sachberichtes zum Verwendungsnachweis ausschließlich in digitaler Form zu übersenden.

10.Prüfungsrecht

Der Bayerische Oberste Rechnungshof ist gem. Art. 91 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayHO berechtigt, bei den Zuwendungsempfängern zu prüfen.

11.Datenschutz

1Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten sind die datenschutzrechtlichen Bestimmungen, insbesondere die Verordnung (EU) 2016/679 (EU-Datenschutzgrundverordnung – DSGVO) einzuhalten. 2Die Bewilligungsbehörde ist Verantwortliche im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO. 3Die Verpflichtungen aus der DSGVO (insbesondere die Betroffenenrechte und die Informationspflichten gemäß Art. 13 folgende DSGVO) werden von der Bewilligungsbehörde erfüllt.

12.Inkrafttreten, Außerkrafttreten

1Diese Bekanntmachung tritt am 1. September 2020 in Kraft. 2Sie tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2022 außer Kraft.

Dr. Markus Gruber

Ministerialdirektor