Bekanntmachung zum Vollzug des Infektionsschutzgesetzes (IfSG)
Aufrechterhaltung der Arztversorgung während der Corona-Pandemie
Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege
vom 2. Dezember 2020, Az. G35e-G8060-2020/48-70
Zum Vollzug von § 28 Abs. 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) wird Folgendes bestimmt:
1.
Voraussetzung für diese Bekanntmachung ist das Fortbestehen der nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG vom Deutschen Bundestag am 25. März 2020 festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite.
2.
- 2.1
- Zur weiteren Bewältigung der Corona-Pandemie soll bei jeder Kreisverwaltungsbehörde jeweils ein koordinierender Arzt1 ernannt werden. Die Bestellung erfolgt durch den zuständigen Landrat oder die Landrätin oder den zuständigen Oberbürgermeister oder die Oberbürgermeisterin.
- 2.2
- Die Hinzuziehung geschieht im Benehmen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), bei Fragen der zahnärztlichen Versorgung im Benehmen mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns.
- 2.3
- Der koordinierende Arzt hat die Aufgaben, die Kreisverwaltungsbehörden bei der Eindämmung und Kontrolle der Pandemie zu unterstützen, durch Koordinierung der Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten eine ausreichende Versorgung im jeweiligen Zuständigkeitsbereich mit ärztlichen Leistungen und entsprechender Schutzausrüstung zu planen und zu koordinieren sowie an der Vorbereitung und Umsetzung des Bayerischen Impfkonzepts zur Bewältigung der Corona-Pandemie mitzuwirken, soweit dies erforderlich ist.
- 2.4
- Als koordinierende Ärzte sollen nur Ärztinnen und Ärzte mit langjähriger beruflicher, insbesondere vertragsärztlicher Erfahrung eingesetzt werden. Sie sollen über eine abgeschlossene Facharztweiterbildung verfügen. Es wird empfohlen, die von der KVB für das Gebiet einer Kreisverwaltungsbehörde bereits benannten, mandatierten ärztlichen Ansprechpartner der örtlichen Koordinierungsgruppen als koordinierende Ärzte einzusetzen.
3.
Gegenstand der Planung und Koordinierung durch den koordinierenden Arzt im jeweiligen Zuständigkeitsbereich einer Kreisverwaltungsbehörde sind, soweit dies zur Bewältigung der Corona-Pandemie örtlich erforderlich ist, insbesondere:
- 3.1
- Planung und Koordinierung von Schwerpunktpraxen oder vergleichbarer Strukturen innerhalb der KVB-Strukturen für die Untersuchung und Behandlung von Infekt-Patienten und die Gewinnung des hierfür erforderlichen Personals,
- 3.2
- Planung und Vorbereitung aller notwendigen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der ambulanten ärztlichen Grundversorgung,
- 3.3
- Unterstützung bei der Koordinierung und Verteilung der infektionsfachlich notwendigen persönlichen Schutzausrüstung (PSA) an die in den Arztpraxen Beschäftigten bei Bedarf,
- 3.4
- Unterstützung bei dem Betrieb von lokalen Testzentren,
- 3.5
- Unterstützung bei der Vorbereitung und Umsetzung des Bayerischen Impfkonzepts zur Bewältigung der Corona-Pandemie, insbesondere durch Vorbereitung und Organisation der freiwilligen Mitwirkung von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten in zukünftigen Impfzentren und Mobilen Impfteams.
4.
Den koordinierenden Ärzten ist für ihre Tätigkeit eine finanzielle Aufwandserstattung zu gewähren. Hierzu schließen die Kreisverwaltungsbehörden im Zeitpunkt der Hinzuziehung mit dem hinzugezogenen Arzt eine Vereinbarung ab. Diese Vereinbarung soll sich an der zwischen dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege und der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns abgeschlossenen Rahmenvereinbarung orientieren und kann nach deren Maßgabe auch rückwirkende Aufwandserstattungen vorsehen.
5.
Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns, die Bayerische Landesärztekammer, die ärztlichen Kreis- und Bezirksverbände, die Bayerische Landeszahnärztekammer sowie die zahnärztlichen Bezirksverbände sollen mit den koordinierenden Ärzten kooperieren.
6.
Diese Bekanntmachung tritt am 4. Dezember 2020 in Kraft. Sie tritt mit Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 IfSG durch den Deutschen Bundestag außer Kraft.
Erläuterungen
Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 hat sich in kurzer Zeit weltweit verbreitet. Das Robert Koch-Institut und das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) befürchteten bereits im März 2020 eine extrem rasche Verbreitung des Virus und im finalen Szenario eine Infektionsrate von über 50 % der Bevölkerung. In Abhängigkeit davon, welchen Erfolg die bereits ergriffenen Maßnahmen des Infektionsschutzes (Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen, zeitweise Schließungen von Teilen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Infrastruktur etc.) zur Verteilung der Infektionen auf einen möglichst langen Zeitraum haben, stehen die medizinischen Versorgungseinrichtungen im Freistaat Bayern noch immer vor einer seit Kriegsende nicht dagewesenen Herausforderung.
Zwar sind die medizinischen Versorgungseinrichtungen zwischenzeitlich in vielen Bereichen – insbesondere bei der Ausstattung mit persönlicher Schutzausrüstung (PSA) und Beatmungsgeräten – besser vorbereitet als noch zu Beginn der Pandemie. Dies bedeutet aber keinesfalls, dass bei weiterhin so stark ansteigenden Infektionszahlen wie zuletzt seit Anfang Oktober 2020 Krankenhäuser und Arztpraxen nicht gleichwohl an die Grenzen ihrer Behandlungskapazitäten, Leistungsfähigkeit und insbesondere auch an personelle und materialbezogene Grenzen stoßen können.
Arztpraxen sind nach wie vor erster und wichtigster Ansprechpartner für Bürgerinnen und Bürger, die befürchten, sich mit SARS-CoV-2 infiziert zu haben. Zudem müssen die Arztpraxen die Behandlung all derjenigen COVID-19-Erkrankten gewährleisten, deren Gesundheitszustand noch keine stationäre Behandlung erfordert. Schon während der ersten Hochphase der Pandemie wurden nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sechs von sieben COVID-19-Patienten ambulant medizinisch versorgt. Da sich zuletzt der Anteil der schwer verlaufenden Erkrankungen im Verhältnis zur Gesamtzahl der Infektionen tendenziell verringert hat, ist davon auszugehen, dass sich in der aktuellen zweiten Welle der Infektionen im Herbst und Winter 2020/2021 der Anteil ambulant zu behandelnder COVID-19-Patienten nochmals erhöhen wird. Dies aber wird den ohnehin bereits hohen Druck auf die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte und ihre Praxen weiter ansteigen lassen.
Parallel dazu müssen die Praxen aber auch die ambulante Behandlung in allen anderen, nicht verschiebbaren Fällen weiter gewährleisten, die nicht im Zusammenhang mit COVID-19 stehen. Wegen der in den Herbst- und Wintermonaten unabhängig von COVID-19 zunehmenden Infekt- und Influenza-Erkrankungen ist deshalb nicht auszuschließen, dass die Arztpraxen insgesamt an ihre Leistungsgrenzen gelangen könnten.
Gerade angesichts besonders schwerer und lebensbedrohlicher Krankheitsverläufe und der Erfahrungen mit erheblichen Versorgungsengpässen in anderen Staaten bedarf es wegen der seit Anfang Oktober 2020 zuletzt massiv zunehmenden Infektionszahlen erneut einer optimalen Planung und Koordinierung auch der ambulanten ärztlichen Versorgung. Vor diesem Hintergrund müssen alle notwendigen organisatorischen Maßnahmen getroffen und bestmöglich umgesetzt werden, die erforderlich sind, um die ärztliche Versorgung der Bevölkerung im notwendigen Umfang zu gewährleisten. Dies schließt gegebenenfalls auch die psychotherapeutische und zahnärztliche Versorgung mit ein. Um dabei widersprüchliche Entscheidungen sowie vermeidbare Zeit- und Reibungsverluste zu minimieren, soll für die Planung und Koordinierung der ambulanten ärztlichen Versorgung vor Ort ein bei den Kreisverwaltungsbehörden angesiedelter koordinierender Arzt eingesetzt werden, der diese Aufgaben für das Gebiet einer Kreisverwaltungsbehörde übernimmt.
Zu Nr. 1: Grundlage der Bekanntmachung
Voraussetzung für diese Bekanntmachung ist das Fortbestehen der nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG vom Deutschen Bundestag am 25. März 2020 festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite.
Zu Nr. 2: Organisationsstruktur der ärztlichen Versorgung zur Bewältigung der Corona-Pandemie
Die ambulante ärztliche Versorgung findet durch niedergelassene Vertragsärzte, zum Teil aber auch durch Privatärzte statt. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die vertragsärztliche Versorgung gesetzlich Krankenversicherter sicherzustellen. Eine Stelle, die eine solche Koordinierungsfunktion für privat krankenversicherte Personen, für Nichtversicherte oder im Hinblick auf die Versorgung durch Privatärzte innehat, besteht nicht.
Hinzu kommt, dass auch Vertragsärzte bei Fortschreiten des Infektionsgeschehens nicht vor eigener Infektion oder Erkrankung gefeit sind und somit als medizinischer Versorger für die Bevölkerung (zeitweise) ausfallen können. Auch kann die Behandlungsfähigkeit einzelner Praxen durch die wechselnde Verfügbarkeit von benötigter Schutzkleidung und Desinfektionsmittel (vorübergehend) eingeschränkt oder aufgehoben sein. Daher müssen vor Ort sowohl vorausschauende Koordinierungsentscheidungen getroffen werden als auch kurzfristige Reaktionen auf unvorhersehbare Entwicklungen erfolgen.
Zur möglichst durchgehenden Aufrechterhaltung der ambulanten ärztlichen Versorgung kann insbesondere die Konzentration der Untersuchung und Behandlung von SARS-CoV-2-Infizierten auf Schwerpunktpraxen oder vergleichbare Strukturen sowie auf lokale Testzentren sinnvoll sein, weil damit das Ansteckungsrisiko für die Mitarbeiter in den übrigen Arztpraxen reduziert und somit die Leistungsfähigkeit der Gesundheitsversorgung vor Ort insgesamt besser gesichert werden kann.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen können gegenüber ihren Mitgliedern zwar die Einhaltung vertragsärztlicher Pflichten einfordern und gegebenenfalls auch über Disziplinarmaßnahmen durchsetzen. Darüberhinausgehende Versorgungsbeiträge können die Kassenärztlichen Vereinigungen von ihren Mitgliedern aber jedenfalls nicht rechtlich verbindlich einfordern (zum Beispiel zur Verfügung-Stellung als Schwerpunktpraxis, Zustimmung zur Umsteuerung von Patienten der eigenen Praxis in andere Praxen und umgekehrt, Mitwirkung in lokalen Testzentren sowie in Impfzentren oder Mobilen Impfteams). Gleiches gilt in berufsrechtlicher Hinsicht für die Kammern.
Um bedarfsgerecht, schnell und möglichst widerspruchsfrei zu sonstigen Entscheidungen der örtlich zuständigen Kreisverwaltungsbehörde die ärztliche Versorgung vor Ort planen und organisieren zu können, ist es daher bei der Bewältigung des aktuellen Infektionsgeschehens sinnvoll, die Funktion eines unmittelbar bei den örtlichen Koordinierungsgruppen angesiedelten Koordinators für die ambulante ärztliche Versorgung zu besetzen.
Dazu ist vorgesehen, dass die Landräte und Landrätinnen oder Oberbürgermeister und Oberbürgermeisterinnen zur Aufrechterhaltung der ambulanten ärztlichen Versorgung der Bevölkerung im Zuge der Bekämpfung der Corona-Pandemie koordinierende Ärzte hinzuziehen sollen. Um die notwendige enge Abstimmung mit anderen Entscheidungen der Pandemiebekämpfung zu gewährleisten, sollen diese zu den Koordinierungsgruppen hinzugezogen werden, die aufgrund der Bekanntmachung über die Richtlinien für die Bewältigung großräumiger Gefährdungslagen und anderer koordinierungsbedürftiger Ereignisse unterhalb der Katastrophenschwelle (Koordinierungsrichtlinie – KoordR vom 10. September 2007, AllMBl. S. 414), gemäß dem gemeinsamen Schreiben der Staatsministerien für Gesundheit und Pflege sowie des Innern, für Sport und Integration vom 12. August 2020 (Az. G4-A2450-2020/24-1) eingerichtet worden sind.
Da mit der Hinzuziehung zum einen der bundesgesetzlich zugewiesene Aufgabenbereich der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns betroffen ist und zum anderen empfohlen wird, die bereits von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns benannten, mandatierten ärztlichen Ansprechpartner der örtlichen Koordinierungsgruppen als koordinierende Ärzte einzusetzen, soll bei der Heranziehung das Benehmen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns hergestellt werden.
Der koordinierende Arzt wird sowohl gegenüber der Kreisverwaltungsbehörde wie auch gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns als ein beauftragter, unabhängiger Sachverständiger, Koordinator und Berater tätig. Er unterliegt bei seinen Tätigkeiten und Einschätzungen keinen Weisungen der Leitung der Koordinierungsgruppe oder der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns und kann keine Entscheidungen oder Maßnahmen mit Bindungswirkung für die Kreisverwaltungsbehörde, die niedergelassenen Ärzte oder die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns treffen.
Der koordinierende Arzt hat die Aufgabe, die Kreisverwaltungsbehörde bei der Eindämmung und Kontrolle der Pandemie zu unterstützen, durch Koordinierung der Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten eine ausreichende Versorgung im jeweiligen Zuständigkeitsbereich mit ärztlichen Leistungen und entsprechender Schutzausrüstung zu planen und zu koordinieren sowie an der Vorbereitung und Umsetzung des Bayerischen Impfkonzepts zur Bewältigung der Corona-Pandemie mitzuwirken, soweit dies zur Bekämpfung der Corona-Pandemie erforderlich ist. Unter Koordinierung ist bei Bedarf auch die Kommunikation relevanter rechtlicher Bestimmungen zu verstehen.
Der gesetzliche Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen sowie im Hinblick auf die Versorgung mit Schutzimpfungen der gesetzliche Sicherstellungsauftrag der Krankenkassen bleiben grundsätzlich unberührt und bestehen fort. Die Sicherstellungsaufträge werden aber im Sinne der Pandemiebekämpfung zeitweise und bedarfsabhängig durch die Tätigkeit des koordinierenden Arztes flankiert.
Für die erfolgreiche Wahrnehmung der Aufgaben eines koordinierenden Arztes sind neben einem breiten medizinischen Fachwissen auch umfangreiche Kenntnisse der örtlichen Versorgungsstrukturen, der ärztlichen Selbstverwaltung und ihrer Institutionen sowie aller übrigen Akteure des Gesundheitswesens erforderlich. Daher können nur solche Ärzte eingesetzt werden, die über mehrjährige Berufserfahrung, insbesondere in der vertragsärztlichen Versorgung verfügen. Dies ist in der Regel bei Ärzten der Fall, die mindestens fünf Jahre vertragsärztlich tätig waren. Im Einzelfall kann auch eine kürzere Berufserfahrung ausreichen, wenn in dieser Zeit hinreichend praktische Erfahrungen erworben wurden. Zudem soll ein koordinierender Arzt möglichst über eine abgeschlossene Facharztweiterbildung verfügen. Prädestiniert erscheinen aufgrund der besonders breit angelegten medizinischen Fachkenntnisse insbesondere Allgemeinmediziner und Internisten. Es wird empfohlen, die von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns für die jeweilige Kreisverwaltungsbehörde bereits benannten, mandatierten ärztlichen Ansprechpartner der bisherigen örtlichen Koordinierungsgruppen als koordinierende Ärzte einzusetzen, da diese überwiegend bereits seit August 2020 als Bindeglied und Koordinator zwischen den niedergelassenen Ärzten vor Ort, den KVB-Strukturen und den örtlichen Behörden und Entscheidungsträgern fungieren. Dadurch verfügen sie in der Regel auch über aktuelle Kenntnisse der relevanten rechtlichen Rahmenbedingungen.
Der koordinierende Arzt ist für seine Tätigkeit über seine eigenen Kenntnisse der örtlichen Versorgungsstrukturen hinaus insbesondere auf das diesbezügliche Wissen und die Erfahrungen der ärztlichen Selbstverwaltung (Kassenärztliche Vereinigungen, Ärztekammern und ihre organisatorischen Untergliederungen) angewiesen. Daher kann es gegebenenfalls sinnvoll sein, dass diese Institutionen dem koordinierenden Arzt auf dessen Anforderung im Rahmen ihrer Ressourcen geeignetes Personal für einen Arbeitsstab und feste Ansprechpartner zur Verfügung stellen.
Zu beachten ist aber, dass diese Institutionen – ungeachtet ihrer weiterhin bestehenden gesetzlichen Aufgaben – allerdings insoweit nicht zur Kooperation verpflichtet werden können als die Maßnahmen ausschließlich dem Infektionsschutz sowie der Kontrolle und Eindämmung der pandemischen Entwicklung dienen und damit über die gesetzlich normierten Pflichten hinausgehen.
Zu Nr. 3: Planung und Koordinierung durch den koordinierenden Arzt
Gegenstand der Planung und Koordinierung durch den koordinierenden Arzt im jeweiligen Zuständigkeitsbereich einer Kreisverwaltungsbehörde ist, soweit dies zur Bewältigung der Corona-Pandemie und zur Aufrechterhaltung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung örtlich erforderlich ist, insbesondere:
- Planung und Koordinierung von Schwerpunktpraxen oder vergleichbarer Strukturen innerhalb der KVB-Struktur für die Untersuchung und Behandlung von Infekt-Patienten und die Gewinnung des hierfür erforderlichen Personals:
Die Einrichtung von Schwerpunktstrukturen zur Versorgung von Infektpatienten ist unter dem Gesichtspunkt der möglichst durchgehenden Aufrechterhaltung der ambulanten ärztlichen Versorgung sinnvoll, weil dadurch das Infektionsrisiko innerhalb der gesamten örtlichen Ärzteschaft und ihrer Mitarbeiter stärker eingegrenzt werden kann. Dies gilt nicht nur deswegen, weil hierdurch weniger Personen in unmittelbaren Kontakt mit potenziell SARS-CoV-2-infizierten Patienten kommen als bei einer Behandlung durch eine Vielzahl von Praxen. Vielmehr ist in diesen spezialisierten Schwerpunktstrukturen gegebenenfalls auch die Etablierung effektiverer Infektionsschutzvorkehrungen möglich. Und nicht zuletzt wird die Einrichtung einer solchen Schwerpunktversorgung auch einen insgesamt ressourcenschonenderen Einsatz von Schutzausrüstung und Desinfektionsmitteln ermöglichen als bei gleichmäßiger Verteilung auf alle Arztpraxen.
Schwerpunktversorgung kann dabei nicht nur durch neu zu errichtende Schwerpunktpraxen erfolgen. Vielmehr erscheint es auch denkbar, innerhalb bestehender Praxen eine Schwerpunktversorgung durch zeitliche und/oder räumliche Umsteuerung von Patienten zu erreichen. So können einzelne Praxen etwa stunden- oder tageweise spezielle Infekt-Sprechstunden anbieten und sich hierbei gegebenenfalls abwechseln. Auch möglich wäre, im Rahmen von Praxisnetzwerken einzelne Praxen zu Infekt-Praxen umzuwidmen, in die dann alle Infekt-Patienten umgesteuert werden, während die Patienten mit anderen als Infektionserkrankungen von den übrigen Praxen übernommen werden. Welche Ausgestaltung von Schwerpunktversorgung am sinnvollsten erscheint, muss immer an den konkreten örtlichen Gegebenheiten orientiert und möglichst im Einvernehmen mit der örtlichen Ärzteschaft umgesetzt werden.
Die Schwerpunktversorgung soll sich dabei aber nicht ausschließlich auf (bestätigte) COVID-19-Fälle beziehen, sondern auf alle Infektpatienten, deren Symptome eine Infektion mit SARS-CoV-2 jedenfalls nicht ausgeschlossen erscheinen lassen. Hierunter dürften in der Regel auch sämtliche Patienten mit Erkältungskrankheiten oder saisonaler Grippe fallen.
Die Behandlung in solchen Schwerpunktstrukturen und deren Vergütung erfolgt bei gesetzlich krankenversicherten Personen stets im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung.
- Planung und Vorbereitung aller notwendigen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der ärztlichen Grundversorgung:
Mit fortschreitender Ausbreitung des Infektionsgeschehens ist davon auszugehen, dass sich auch zunehmend medizinisches Personal und Ärzte mit SARS-CoV-2 infizieren können und an COVID-19 erkranken oder als Kontaktpersonen quarantänepflichtig werden und damit für die Versorgung (zumindest zeitweise) ausfallen. Daneben kann es in Einzelfällen auch dazu kommen, dass Ärzte ihre Praxistätigkeit reduzieren oder einstellen (müssen), um das Risiko einer Eigen- oder Mitarbeiterinfektion zu minimieren – insbesondere, wenn sie selbst oder ihre Mitarbeiter zu Hochrisikogruppen zählen oder die Fortsetzung ihrer Praxistätigkeit mangels ausreichender PSA zu einer nicht zu rechtfertigenden Selbstgefährdung führen würde.
Gleichwohl muss eine ambulante ärztliche Grundversorgung durch alle dafür notwendigen Fachrichtungen durchgehend aufrechterhalten werden. Diese Versorgung muss auch möglichst wohnortnah in den Landkreisen und kreisfreien Städten stattfinden, weil längere Wegstrecken zur Behandlung die Bemühungen der Staatsregierung zur Eindämmung des Infektionsgeschehens konterkarieren würden.
Um dies zu gewährleisten, ist eine Planung und Koordinierung der ärztlichen Versorgung vor Ort durch die koordinierenden Ärzte bei Bedarf in Rücksprache mit den Kreisverwaltungsbehörden erforderlich.
- Unterstützung bei der Verteilung der infektionsfachlich notwendigen Schutzausrüstung (PSA) an die in den Arztpraxen Beschäftigten bei Bedarf
Nachdem sich der Weltmarkt für PSA nach einem weitgehenden Zusammenbruch im zweiten Quartal 2020 seit dem dritten Quartal weitgehend wieder erholt und normalisiert hat, konnten sich die Arztpraxen nach dem Ende der ersten Hochphase der Pandemie grundsätzlich wieder selbst ausreichend mit notwendiger PSA versorgen. Aus diesem Grund hatte auch der Freistaat Bayern seine unterstützende Belieferung der Bedarfsträger mit PSA zwischenzeitlich eingestellt.
Da das Infektionsgeschehen sowohl in örtlicher wie zeitlicher Hinsicht äußerst dynamisch verläuft, ist eine erneute Verknappung von PSA zumindest auf regionaler Ebene aber nicht auszuschließen. Um hierauf besser reagieren zu können, haben sowohl die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns wie auch der Freistaat Bayern Materiallager für PSA angelegt, um die Praxen im Bedarfsfall hiermit unterstützen zu können und sie betriebsfähig zu halten.
Da der koordinierende Arzt durch die Einrichtung von Schwerpunktstrukturen sowie die Planung und Vorbereitung der Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der ärztlichen Grundversorgung einen guten Überblick über das regionale Versorgungsgeschehen und etwaige Versorgungsengpässe erhalten wird, ist er auch prädestiniert dafür, bei der Verteilung von PSA an die in den Arztpraxen Beschäftigten zu unterstützen.
- Unterstützung bei dem Betrieb von lokalen Testzentren
Neben der Behandlung bereits an COVID-19 Erkrankter stellt die Testung auf Infektionen mit SARS-CoV-2 eine der derzeit zentralsten Aufgaben unseres Gesundheitswesens dar. Nur wenn Infektionen rechtzeitig erkannt werden und damit gezielt Eindämmungsmaßnahmen eingeleitet werden können, kann die rasante Ausbreitung des Infektionsgeschehens zumindest zeitlich verlangsamt werden. Die Funktionsfähigkeit der lokalen Testzentren ist daher von überragender Bedeutung. Aus diesem Grund soll der koordinierende Arzt je nach Bedarf auch deren Betrieb unterstützen. Hierzu kann insbesondere die Gewinnung gegebenenfalls zusätzlich erforderlicher Mitarbeiter gehören, soweit der Betrieb der lokalen Testzentren von den Kreisverwaltungsbehörden oder den von ihnen beauftragten Betreibern ohne Unterstützung aus dem Kreis der örtlichen Arztpraxen nicht ausreichend gewährleistet werden kann.
- Vorbereitung und Umsetzung des Bayerischen Impfkonzepts zur Bewältigung der Corona-Pandemie für die jeweilige Kreisverwaltungsbehörde:
Eine Bewältigung der Corona-Pandemie ist letztendlich nur über möglichst umfassende Impfungen der Bevölkerung möglich. Allerdings werden zeitnah nur begrenzte Impfstoffmengen verfügbar sein. Diese reichen nicht aus und sind voraussichtlich aufgrund ihrer physischen Eigenschaften nicht geeignet, um der gesamten Bevölkerung flächendeckend Impfungen im Regelsystem über die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte anzubieten. Daher ist zunächst eine gezielte, zentralisierte Impfung über zentrale Impfstellen und Mobile Impfteams vorgesehen. Entsprechend dem Bayerischen Impfkonzept werden Impfzentren in den Landkreisen und kreisfreien Städten sowie Mobile Impfteams eingerichtet, die zum Beispiel in Alten- und Pflegeheimen und bei eingeschränkt mobilen vulnerablen Gruppen zum Einsatz kommen sollen. Aufbau und Betrieb werden durch die Kreisverwaltungsbehörden erfolgen. Der koordinierende Arzt soll an der Vorbereitung und dem Betrieb von Impfzentren und Mobilen Impfteams mitwirken. Dazu gehört insbesondere die Beurteilung medizinischer Fragen, der Kontakt zu den örtlich Verantwortlichen und die Koordinierung der Ärztinnen und Ärzte vor Ort sowie des einzusetzenden medizinischen Personals.
Die vorstehende Aufgabenaufzählung ist nicht abschließend. Insbesondere bei unvorhersehbaren, kurzfristigen Entwicklungen, auf die sofort reagiert werden muss, obliegt es dem koordinierenden Arzt, auch weitere Maßnahmen vorzubereiten oder zu koordinieren, die der Aufrechterhaltung der ambulanten ärztlichen Versorgung vor Ort in einem den Entwicklungen angemessenen Umfang dienen.
Die Heranziehung des koordinierenden Arztes sowie die Planung und Koordinierung durch den koordinierenden Arzt soll im Benehmen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, bei Fragen der zahnärztlichen Versorgung im Benehmen mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns erfolgen.
Zu Nr. 4: Aufwandserstattung
Für ihre Tätigkeit als Ansprechpartner der Koordinierungsgruppen benötigen die koordinierenden Ärzte ausreichend praktische ärztliche Erfahrung. Deshalb handelt es sich bei ihnen in der Regel um niedergelassene Ärzte, die hauptberuflich in eigener Praxis tätig sind. Durch die Tätigkeit als koordinierende Ärzte entstehen ihnen in der eigenen Praxis somit Umsatz- und Verdienstausfälle. Vor diesem Hintergrund erscheint auch eine finanziell angemessene Aufwandserstattung notwendig und gerechtfertigt.
Hierzu schließen die Kreisverwaltungsbehörden im Zeitpunkt der Hinzuziehung mit dem hinzugezogenen Arzt eine Vereinbarung zur Aufwandserstattung ab. Diese Vereinbarung soll sich an der zwischen dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege und der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns abgeschlossenen Rahmenvereinbarung orientieren.
Damit den Kreisverwaltungsbehörden durch die Zahlung der Aufwandserstattungen keine finanziellen Nachteile entstehen, erstattet der Freistaat Bayern ihnen die hierfür erforderlichen Mittel.
Zu Nr. 5: Kooperation weiterer Institutionen
Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns, die Bayerische Landesärztekammer, die ärztlichen Kreis- und Bezirksverbände, die Bayerische Landeszahnärztekammer sowie die zahnärztlichen Bezirksverbände sollen mit den koordinierenden Ärzten kooperieren. Die koordinierenden Ärzte sind für eine erfolgreiche Planung und Koordinierung der ärztlichen Versorgung im Gebiet der jeweiligen Kreisverwaltungsbehörde wesentlich auf die ärztliche Selbstverwaltung und die dort vorhandenen Kenntnisse der örtlichen Versorgungsstrukturen und Leistungserbringer sowie etwaiger Besonderheiten im Versorgungsgeschehen angewiesen. Nur wenn die jeweiligen Aufgaben der Körperschaften und der koordinierenden Ärzte in konstruktiver Kooperation angegangen werden, kann die große Herausforderung der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung während der Corona-Pandemie auch weiterhin bewältigt werden.
Zu Nr. 6: Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Diese Bekanntmachung tritt am 4. Dezember 2020 in Kraft. Sie tritt mit Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 IfSG durch den Deutschen Bundestag außer Kraft.
Dr. Winfried Brechmann
Ministerialdirektor