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Schulversuch Aufnahme von
Bewerberinnen und Bewerbern mit abgebrochenem Ersten Bildungsweg
am Kolleg in Bayern
Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus
vom 8. März 2024, Az. V.5-BO5231.0/32/2
Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus führt auf der Grundlage der Art. 81 bis 83 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) den Schulversuch „Aufnahme von Bewerberinnen und Bewerbern mit abgebrochenem Ersten Bildungsweg zum Kolleg in Bayern“ nach Maßgabe der nachfolgenden Regelungen durch:
- 1. Inhalt und Ziele
1Angesichts verbesserter Rahmenbedingungen für den Zugang zu den Hochschulen hat sich die Schülerschaft an den Kollegs in den letzten Jahren grundlegend verändert. 2Unter den Schülerinnen und Schülern, die aktuell an einem Kolleg als einem Gymnasium des Zweiten Bildungswegs die Allgemeine Hochschulreife erwerben, befinden sich zunehmend mehr Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund sowie Schülerinnen und Schüler mit gesundheitlichen Belastungen.
3Zugleich stellen Integration und Inklusion eine wachsende sowie dauerhafte Herausforderung für alle Bildungseinrichtungen in Bayern dar. 4Um zu erproben, inwieweit Kollegs im bayerischen differenzierten Bildungssystem einen ergänzenden Beitrag zur Beschulung von Bewerberinnen und Bewerbern mit abgebrochenem Ersten Bildungsweg leisten können, sollen im Rahmen des Schulversuchs unter den nachfolgend genannten Voraussetzungen Erfahrungen gesammelt und ausgewertet werden, die sich bei einem Verzicht auf die Aufnahmevoraussetzung des beruflichen Vorlaufs, d. h.
- entweder einer abgeschlossenen Berufsausbildung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 Gymnasialschulordnung – GSO)
- oder einer mindestens zweijährigen Berufstätigkeit (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 GSO i. V. m. Art. 10 Abs. 4 BayEUG)
- oder einer den einer Berufstätigkeit gleichgestellten Tatbeständen (§ 9 Abs. 6 Satz 2 GSO),
ergeben:
- Die Aufnahmevoraussetzungen zum Kolleg bleiben im Übrigen unverändert (§ 9 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4, Abs. 2 bis 5, 7 bis 8 GSO).
- Bei einem Verzicht auf die Aufnahmevoraussetzung des beruflichen Vorlaufs muss – bei gleichzeitigem Vorliegen aller sonstigen Aufnahmevoraussetzungen für ein Kolleg – zusätzlich nachgewiesen werden, dass die Fortsetzung des Ersten Bildungswegs zum Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife für die im Folgenden genannten Bewerberinnen und Bewerber nicht mehr möglich ist.
- Von der Voraussetzung eines beruflichen Vorlaufs wird im Rahmen des Schulversuchs abgesehen, wenn eine Bewerberin bzw. ein Bewerber den Nachweis erbringt, dass für sie bzw. ihn die Fortsetzung des Ersten Bildungswegs
- bei flucht- oder migrationsbedingtem Zuzug aus dem Ausland oder
- bei ärztlich bescheinigter schwerwiegender längerer bzw. chronischer Krankheit sowie
- bei Abwägung von Alternativen (z. B. Klärung der Aufnahme im beruflichen Schulwesen bzw. anderen geeigneten Einrichtungen)
nicht mehr zur Verfügung steht, jedoch eine begründete Perspektive für den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife deutlich erkennbar ist.
- Die Schulleiterin bzw. der Schulleiter einer teilnehmenden Modellschule entscheidet nach individuellem Beratungsgespräch auf Grundlage der vorhandenen Nachweise (Bildungsnachweise, Gutachten, ggf. Empfehlung der Staatlichen Schulberatungsstelle, Schullaufbahnempfehlung) mit Blick auf die Leistungsfähigkeit und eine pädagogische Wertung der Gesamtpersönlichkeit des Bewerbers bzw. der Bewerberin über die Aufnahme, für die ggf. Eignungsprüfungen bzw. Einstufungstests durchgeführt werden können.
- Folgende Aspekte sind der Aufnahmeentscheidung in der Regel zugrunde zu legen und zu dokumentieren:
- bei migrationsbedingter Unterbrechung des Ersten Bildungswegs (z. B. Flucht):
Aufenthaltstitel; Nachweis des erfolgreichen Abschlusses der Jahrgangsstufe 10 im Herkunftsland, ggf. weitere aussagekräftige ausländische Bildungsnachweise; Nachweise zur Leistungsfähigkeit, z. B. Mathematik-Test, nonverbaler Intelligenztest; ggf. (schulpsychologisches) Gutachten; ggf. Schullaufbahnempfehlung einer zuvor besuchten Schule, Empfehlung der Staatlichen Schulberatungsstelle;
- bei Abbruch des Ersten Bildungswegs aufgrund schwerwiegender Krankheit:
Nachweise zur Leistungsfähigkeit: Übertrittszeugnis der Jahrgangsstufe 4 mit gymnasialem Eignungsvermerk, weitere aussagekräftige Zeugnisse; ärztliche(s) Gutachten, ggf. schulpsychologisches Gutachten, ggf. Empfehlung der Staatlichen Schulberatungsstelle; ggf. Eignungsprüfung in den Fächern Mathematik, Englisch, Deutsch;
- individuelles Beratungsgespräch mit der Schulleitung.
- Unterrichtsorganisation je nach Leistungsfähigkeit der Bewerberin bzw. des Bewerbers:
- Aufnahme in einen bestehenden Vorkurs der Schule;
- Aufnahme in eine bestehende Jahrgangsstufe I;
- für Bewerberinnen und Bewerber mit im Ausland abgebrochenem Ersten Bildungsweg: Aufnahme in eine bestehende Besondere Klasse gemäß KMS vom 24. November 2021, Az. V.5-BO5210.0.Sch11.0351/20/3.
- 1Bei staatlichen Kollegs erfolgt die Klassenbildung im Rahmen des Budgets. 2Bei städtischen Kollegs stehen keine zusätzlichen, über das BaySchFG hinausgehenden Fördermittel zur Verfügung.
5Die Modellschulen sammeln Erkenntnisse für eine passgenaue Aufnahme von Bewerberinnen und Bewerbern mit abgebrochenem Ersten Bildungsweg, für die das Kolleg aufgrund seiner spezifischen Voraussetzungen der am besten geeignete Weg zur Integration in das bayerische Schulwesen mit dem Ziel des Erwerbs der Allgemeinen Hochschulreife ist. 6Die Erkenntnisse werden dem Staatsministerium in mindestens jährlichen Berichten der Modellschulen zugeleitet, insbesondere Dokumentationen von Teilnehmerzahlen, Erfolgsquoten und ggf. Nachsteuerungsbedarfe.
- 2. Laufzeit
Der Schulversuch beginnt zum Schuljahr 2024/2025 und endet mit Ablauf des Schuljahres 2027/2028.
- 3. Modellschulen: Teilnahmevoraussetzungen, Bewerbungsmodalitäten
- Am Schulversuch teilnehmen können staatliche, kommunale und staatlich anerkannte Kollegs.
- 1Interessierte öffentliche Kollegs richten ihren Antrag auf Teilnahme am Schulversuch an das Staatsministerium. 2Bei staatlichen Kollegs stellt die Schulleiterin bzw. der Schulleiter, bei kommunalen Kollegs die jeweilige kommunale Gebietskörperschaft den Antrag.
- Bei Kollegs in privater Trägerschaft stellt der jeweilige Schulträger den Antrag.
Mit der Teilnahme am Schulversuch verpflichten sich die Modellschulen neben der zielgerichteten Bearbeitung der Entwicklungsaufgaben zur Teilnahme an Arbeitssitzungen und zur Mitarbeit an der Evaluation der Ergebnisse sowie ggf. an konzeptionellen Nachjustierungen.
- 4. Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Diese Bekanntmachung tritt am 1. August 2024 in Kraft und mit Ablauf des 31. Juli 2028 außer Kraft.
Martin Wunsch
Ministerialdirektor