Aussetzung des Verbots der Nutzung elektronischer Geräte zur Kommunikation
ohne Freisprecheinrichtung (Funkgeräte und Funkmeldeempfänger) nach
§ 23 Abs. 1a der Straßenverkehrs-Ordnung im Freistaat Bayern
Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration
vom 18. März 2024, Az. C4-3612-14-59
Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration erlässt auf der Grundlage von § 46 Abs. 2 Satz 1 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) in Verbindung mit Art. 2 Satz 1 Nr. 4, Art. 5 Satz 1 des Gesetzes über Zuständigkeiten im Verkehrswesen (ZustGVerk) folgende
Allgemeinverfügung
- 1. Den Führern von Kraftfahrzeugen ist es abweichend von § 23 Abs. 1a StVO für alle Verkehrsarten gestattet, im Rahmen der mit dieser Allgemeinverfügung verbundenen Nebenbestimmungen zu dienstlichen bzw. betrieblichen Zwecken eingesetzte Funkgeräte zur Benutzung aufzunehmen und zu halten und damit zu kommunizieren.
- 2. Den Angehörigen der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder der Rettungsdienste ist es abweichend von § 23 Abs. 1a StVO für alle Verkehrsarten gestattet, im Rahmen der mit dieser Allgemeinverfügung verbundenen Nebenbestimmungen zu dienstlichen bzw. betrieblichen Zwecken eingesetzte Funkmeldeempfänger („Pager“) zur Benutzung aufzunehmen, zu halten und Informationen abzulesen.
- 3. Die Ausnahmegenehmigung gilt für das Gebiet des Freistaates Bayern.
- 4. Diese Allgemeinverfügung ist nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO sofort vollziehbar.
- 5. Diese Allgemeinverfügung wird sofort wirksam und ist bis zum 30. Juni 2025 befristet.
- 6. Die Allgemeinverfügung vom 4. Juli 2022 (BayMBl. Nr. 415) tritt mit sofortiger Wirkung außer Kraft.
- 7. Diese Allgemeinverfügung kann jederzeit vollständig oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden.
Nebenbestimmungen
- 1. Von der Ausnahmegenehmigung darf mit Rücksicht auf die Verkehrssicherheit nur für solche Kommunikation Gebrauch gemacht werden, die dem dienstlichen bzw. betrieblichen Zweck des betreffenden Fahrzeugs oder der betreffenden Fahrzeuge unmittelbar dient und die mit Blick auf die Ordnung und Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs keinen zeitlichen Aufschub zulässt.
- 2. Es ist zu gewährleisten, dass die Ausnahmegenehmigung nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, insbesondere der jeweiligen Verkehrslage, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen, in Anspruch genommen wird.
Begründung
I.
Nach § 23 Abs. 1a StVO darf, wer ein Fahrzeug führt, ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, nur benutzen, wenn hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird und entweder nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist. Unter das damit einhergehende Verbot der Benutzung aller übrigen elektronischen Geräte fallen auch betrieblich verwendete Funkgeräte, beispielsweise im Verkehr mit Taxen, bei der Ausbildung von Fahrschülern oder bei der Begleitung von Großraum- und Schwertransporten, sowie Funkmeldeempfänger („Pager“) und ähnliche elektronische Geräte.
Für die insoweit verbotene, letztlich aber der Verkehrssicherheit dienende Nutzung von Funkgeräten sah § 52 Abs. 4 StVO eine Übergangsfrist vor, die zuletzt bis zum 30. Juni 2021 verlängert worden ist. Hintergrund dieser Übergangsfrist war die Feststellung, dass noch kein den vorgegebenen Anforderungen genügendes Angebot von Freisprecheinrichtungen für Funkgeräte auf dem Markt vorhanden war.
Nachdem auch nach Ablauf dieser gesetzlichen Übergangsfrist noch kein ausreichendes Angebot auf dem Markt vorhanden war, hat das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV, damals noch Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur) als Verordnungsgeber erklärt, dass es beabsichtige, im Rahmen einer zukünftigen StVO-Novelle Funkgeräte vom Verbot des § 23 Abs. 1a StVO auszunehmen. Weiter bat das BMDV die Länder zwischenzeitlich von einer Kontrolle des Verbots nach § 23 Abs. 1a StVO in Bezug auf die Nutzung von Funkgeräten für alle Verkehrsarten abzusehen und wies auf die Möglichkeit der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hin. Der Bitte des BMDV folgend, wird im Interesse einer klaren und inhaltlich bestimmten und damit für alle nachvollziehbaren Regelung das Instrument der Ausnahmegenehmigung in Form der Allgemeinverfügung gewählt.
Neben der Nutzung von Funkgeräten während der Fahrt besteht hinsichtlich der Nutzung von Funkmeldeempfängern („Pager“) durch Angehörige der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder der Rettungsdienste während der Fahrt das Problem, dass diese für den Fahrzeugführenden lediglich im Rahmen der Inanspruchnahme der Sonderrechte nach § 35 StVO zulässig ist. Darunter fällt auch die Fallkonstellation, wenn der Angehörige alarmiert und zum Einsatz gerufen wird. Soweit der Funkmeldeempfänger lediglich die Information übermittelt, dass beispielsweise keine Funknetzverbindung vorhanden ist, handelt es sich nicht um eine Alarmierung, wonach die Nutzung während der Fahrt in diesem Fall nicht von den Sonderrechten gedeckt ist, sodass die Pflichten aus § 23 Abs. 1a StVO fortbestehen und die Benutzung des Funkmeldeempfängers regelmäßig unzulässig ist. Für den Angehörigen ist es jedoch zum Zeitpunkt der Signaltonabgabe des Funkmeldeempfängers häufig nicht ersichtlich, ob es sich um eine Alarmierung oder um eine sonstige Benachrichtigung handelt. Die Feststellung, um welche Art der Benachrichtigung es sich handelt, ist seitens des Angehörigen jedoch unerlässlich, sodass er auch für den Fall, dass es sich lediglich um eine sonstige Information handelt und er daher nicht von den Sonderrechten Gebrauch machen kann, von den Pflichten des Fahrzeugführenden nach § 23 Abs. 1a StVO befreit werden muss.
II.
Eine Ausnahme von der Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO ist hinsichtlich der Benutzung von Funkgeräten ausschließlich zur Kommunikation vorgesehen. Das Verbot des § 23 Abs. 1a StVO, elektronische Geräte, die der Information oder Organisation dienen oder zu dienen bestimmt sind, zu benutzen, wenn hierfür das Gerät aufgenommen oder gehalten wird, bleibt unberührt. Damit wird dem vorrangigen Zweck von betrieblich eingesetzten Funkgeräten zur Kommunikation und zur Sicherstellung des unabdingbaren Kerns der betrieblichen Dienstleistungen Rechnung getragen. Die Benutzung von Funkgeräten während der Fahrt wird damit nur für die Kommunikation erlaubt, die dem betrieblichen bzw. dienstlichen Zweck des betreffenden Fahrzeugs oder der betreffenden Fahrzeuge unmittelbar dient und die mit Blick auf die Ordnung und Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs keinen zeitlichen Aufschub zulässt.
Hinsichtlich der Nutzung von Funkmeldeempfängern („Pager“) durch Angehörige der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder der Rettungsdienste während der Fahrt wird lediglich für solche Fälle eine Ausnahme erteilt, in denen nach einer Signaltonabgabe des Gerätes nicht mit Sicherheit unterschieden werden kann, ob es sich um eine Alarmierung oder um eine sonstige Information des Gerätes handelt. Die Feststellung der Art der Benachrichtigung ist für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unerlässlich, da nur so vom Angehörigen überprüft werden kann, ob es sich um eine Alarmierung handelt und er unverzüglich beispielsweise zum Einsatzort fahren muss, um an der Rettung von Leib und Leben oder sonstiger wichtiger Rechtsgüter mitzuwirken.
Diese beschränkten Ausnahmen von der Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO sind aus Gründen der Verkehrssicherheit oder der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben sowie der Rettung von Leib und Leben erforderlich und angemessen. Die besonderen Umstände, welche auch im öffentlichen Interesse liegen, machen es erforderlich, die Zeit zu überbrücken, im Fall der Funkgerätebenutzung bis zu einer Entscheidung durch den Verordnungsgeber, im Fall der Funkmeldeempfänger bis zu einem Softwareupdate, welches eine eindeutige Unterscheidung zwischen Alarmierungsbenachrichtigung und sonstiger Nachricht ermöglicht. Dies ist auch dringlich, um die Dienstleistungen bzw. die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben sowie die Rettung von Leib und Leben aufrechterhalten zu können.
Ein Ausweichen bei den Funkgeräten beispielsweise auf Mobilfunk kommt aufgrund der hierdurch nicht ohne Weiteres gegebenen Möglichkeit von Konferenzschaltungen und einer nicht flächendeckend sichergestellten hinreichenden Netzabdeckung nicht in allen erforderlichen Fällen in Betracht. Bei der Nutzung von Funkmeldeempfängern bei der Feuerwehr, dem Katastrophenschutz oder den Rettungsdiensten ist ein alternativer Kommunikationsweg ebenfalls nicht möglich oder zielführend.
Das Interesse der Allgemeinheit an der Funktionsfähigkeit betrieblich erforderlicher Kommunikation zwischen Kraftfahrzeugführern untereinander bzw. mit staatlichen Stellen, wie bei der Durchführung von Großraum- und Schwertransporten zwischen dem Transportfahrzeug, den Begleitfahrzeugen und der Polizei, was insbesondere der Verkehrssicherheit dient, überwiegt hier in den aufgeführten Fällen das Interesse am Vollzug der Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO. Dies gilt ebenso für die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben sowie die Rettung von Leib und Leben durch die Feuerwehr, den Katastrophenschutz oder die Rettungsdienste.
Die Allgemeinverfügung stellt eine Übergangsregelung dar. Das BMDV als Verordnungsgeber wird die ursprünglich beabsichtigte Änderung rechtlich prüfen und die weitere Marktentwicklung abwarten. Ein zeitlicher Horizont kann derzeit nicht skizziert werden, weshalb diese Allgemeinverfügung bis 30. Juni 2025 befristet ist. Hinsichtlich der Nutzung von Funkmeldeempfängern durch die Feuerwehr, den Katastrophenschutz oder die Rettungsdienste stellt die Ausnahmeregelung eine Überbrückung bis zum flächenmäßigen Ausrollen eines Softwareupdates dar, welches eine eindeutige Unterscheidung zwischen Alarmierungsbenachrichtigung und sonstiger Nachricht ermöglichen soll.
Der Widerruf wird vorbehalten, um auf weitere Entwicklungen reagieren zu können. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die vom Bund ursprünglich angekündigte gesetzliche Regelung erlassen wird, eine ausreichende Marktlösung vorhanden ist oder das Softwareupdate für die Funkmeldeempfänger vorzeitig flächendeckend ausgerollt ist.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist im öffentlichen Interesse erforderlich. Denn damit wird, unter Wahrung der Sicherheit und Ordnung, insbesondere der Betrieb von Taxenverkehr, die Ausbildung von Fahrschülern, vor allem der Motorradklassen, die Durchführung von Großraum- und Schwertransporten und die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben sowie die Rettung von Leib und Leben durch die Feuerwehr, den Katastrophenschutz oder die Rettungsdienste sichergestellt. Es kann nicht abgewartet werden bis die Allgemeinverfügung unanfechtbar geworden ist, da ansonsten erhebliche Störungen im Straßenverkehr, beispielsweise bei der Durchführung von Großraum- und Schwertransporten, oder bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben sowie bei der Rettung von Leib und Leben zu erwarten sind.
Das Wirksamwerden wird nach Art. 41 Abs. 4 Satz 4 in Verbindung mit Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG bestimmt. Die Befristung, die Nebenbestimmungen und der Widerrufsvorbehalt stützen sich auf Art. 36 BayVwVfG in Verbindung mit § 46 Abs. 3 StVO.
Hinweise
- Alle weiteren Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung sowie die einschlägigen Bestimmungen der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung sind einzuhalten. Dies betrifft insbesondere das unverändert geltende Verbot des § 23 Abs. 1a StVO, elektronische Geräte in den in dieser Allgemeinverfügung nicht ausgenommenen Fällen zu benutzen.
- Weisungen der zuständigen Straßenverkehrsbehörden sowie der Polizei ist nachzukommen.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach ihrer Bekanntgabe Klage erhoben werden.
Örtlich zuständig ist das Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk der Kläger seinen Sitz oder Wohnsitz hat:
- Regierungsbezirk Oberbayern:
Verwaltungsgericht München in 80335 München, Bayerstraße 30, - Regierungsbezirke Niederbayern und Oberpfalz:
Verwaltungsgericht Regensburg in 93047 Regensburg, Haidplatz 1, - Regierungsbezirk Oberfranken:
Verwaltungsgericht Bayreuth in 95444 Bayreuth, Friedrichstraße 16, - Regierungsbezirk Mittelfranken:
Verwaltungsgericht Ansbach in 91522 Ansbach, Promenade 24–28, - Regierungsbezirk Unterfranken:
Verwaltungsgericht Würzburg in 97082 Würzburg, Burkarderstraße 26, - Regierungsbezirk Schwaben:
Verwaltungsgericht Augsburg in 86152 Augsburg, Kornhausgasse 4.
Für Kläger ohne Sitz oder Wohnsitz im Freistaat Bayern ist das Verwaltungsgericht München in 80335 München, Bayerstraße 30, örtlich zuständig.
Die Klage muss den Kläger, den Beklagten (Freistaat Bayern) und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen und soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Allgemeinverfügung soll in Abschrift beigefügt werden. Der Klage und allen Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Hinweise zur Rechtsbehelfsbelehrung
- Die Einlegung des Rechtsbehelfs ist schriftlich, zur Niederschrift oder elektronisch in einer für den Schriftformersatz zugelassenen Form möglich. Die Einlegung eines Rechtsbehelfs per einfacher E-Mail ist nicht zugelassen und entfaltet keine rechtlichen Wirkungen!
- Ab 1. Januar 2022 muss der in § 55d VwGO genannte Personenkreis Klagen grundsätzlich elektronisch einreichen.
- Kraft Bundesrecht wird in Prozessverfahren vor den Verwaltungsgerichten infolge der Klageerhebung eine Verfahrensgebühr fällig.
Dr. Erwin Lohner
Ministerialdirektor