Veröffentlichung BayMBl. 2024 Nr. 251 vom 29.05.2024

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Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention

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Sonstige Bekanntmachung

Vollzug des Bayerischen Krankenhausgesetzes (BayKrG)
Allgemeinverfügung zur Sicherstellung ergänzender strahlentherapeutischer
Leistungen in der stationären Versorgung (AV Strahlentherapie)

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Pflege und Prävention

vom 15. Mai 2024, Az. 24a-K9000-2022/29-415

Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention erlässt im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 Nr. 1 des Bayerischen Krankenhausgesetzes (BayKrG) folgende

Allgemeinverfügung

1.Versorgungsauftrag zugelassener Krankenhäuser

1.1
1Der stationäre Versorgungsauftrag der nach §§ 108, 109 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Krankenhäuser umfasst bei Vorliegen der nachfolgend genannten Voraussetzungen auch ergänzende strahlentherapeutische Leistungen, insbesondere bei Patienten mit onkologischen Erkrankungen. 2Der Vorrang der ambulanten Behandlung (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V) bleibt unberührt.
1.2
1Die ergänzenden strahlentherapeutischen Leistungen können auf Veranlassung und unter Erhalt der rechtlich gesicherten Gesamtbehandlungsverantwortung des Krankenhauses auch durch eine zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Strahlentherapieeinrichtung im unmittelbaren räumlichen Bezug zum Krankenhausstandort im Auftrag des Krankenhauses erbracht werden (Kooperationsstrahlentherapie). 2Die für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Struktur- und Qualitätsanforderungen sind von der Strahlentherapieeinrichtung zu gewährleisten. 3Sie soll eine Zertifizierung durch ein etabliertes Qualitätsmanagementsystem (zum Beispiel nach DIN EN ISO) sowie eine Auditierung durch die Ärztliche Stelle der Bayerischen Landesärztekammer aufweisen.
1.3
Ergänzende strahlentherapeutische Leistungen sind auf folgende Fallkonstellationen beschränkt:
1.3.1
Strahlentherapiebehandlungen, die ergänzend zur stationären Hauptleistung notwendig und ohne zeitlichen Aufschub durchzuführen sind, um Schäden oder Komplikationen bei Patienten zu vermeiden,
1.3.2
Strahlentherapiebehandlungen, bei denen die Kontinuität der strahlentherapeutischen Behandlung bei einer stationären Aufnahme aus anderen Gründen als dem stationären Aufnahmegrund gewährleistet werden muss,
1.3.3
Strahlentherapiebehandlungen innerhalb multimodaler Therapien, bei denen die Kompetenz anderer Disziplinen als der Strahlentherapie für den Behandlungserfolg als vorrangig oder gleichwertig zu beurteilen ist oder
1.3.4
Strahlentherapiebehandlungen bei multimorbiden Patienten oder bei Patienten, deren Allgemeinzustand eine ambulante Versorgung nicht erlaubt, bei denen die Betreuung durch andere Disziplinen als der Strahlentherapie als gleichwertig oder vorrangig zu bewerten ist.

2.Inkrafttreten

Diese Allgemeinverfügung tritt am 30. Mai 2024 in Kraft.

Begründung

Zu Nr. 1

Bislang ist es landesweit gelebte Praxis, dass Krankenhäuser die zusätzlich zur eigentlichen stationären Behandlung notwendige, ergänzende strahlentherapeutische Behandlung insbesondere von Tumoren während des Krankenhausaufenthalts eines Patienten in nahegelegenen niedergelassenen Praxen durchführen lassen. Hintergrund ist zum einen die Tatsache, dass an den meisten Krankenhäusern selbst keine Möglichkeit zur Bestrahlung besteht und zum anderen, dass ein Patient aus medizinischer Sicht durchgängig, das heißt gegebenenfalls auch vor und nach dem Krankenhausaufenthalt, durch dasselbe Gerät bestrahlt werden sollte – was vielfach erst durch die beschriebene Handhabung ermöglicht wird. In den beschriebenen Fällen haben die Krankenhäuser bislang gegenüber den Krankenkassen die Fallpauschalen geltend gemacht, die einschlägig wären, wenn die Krankenhäuser die Bestrahlungen selbst vorgenommen hätten.

Aus Sicht der Krankenhausplanung begegnet dieses Vorgehen grundsätzlich keinen Bedenken. Für Fälle der lediglich medizinisch ergänzenden oder unterstützenden Strahlentherapie, die hier in Rede stehen und die überdies in vielen Fällen als veranlasste Leistungen Dritter behandelt werden, ist der Versorgungsauftrag grundsätzlich als implizit mit der Fachrichtung der Hauptbehandlung (zum Beispiel Innere Medizin, Chirurgie) zugewiesen anzusehen – vergleichbar wie Laborleistungen oder bildgebende Diagnostik.

Mit zwei Entscheidungen (vom 26. April 2022, B 1 KR 15/21 R und vom 29. August 2023, B 1 KR 18/22 R) hat das Bundessozialgericht (BSG) diese Handhabung jedoch für eine Vielzahl praktischer Fälle in Frage gestellt; es hat diejenigen Fallpauschalen für einschlägig erachtet, die unter Außerachtlassung der Bestrahlungen maßgeblich gewesen wären. Gleichzeitig besteht – anders als zum Beispiel bei der Hämodialyse – wegen des rechtlichen Verbots der stationären und ambulanten Parallelbehandlung keine Möglichkeit der Abrechnung unmittelbar durch den niedergelassenen Arzt.

Die erste Entscheidung vom 26. April 2022 betrifft die Konstellation, dass dem Krankenhaus neben dem Versorgungsauftrag in der Inneren Medizin ausdrücklich die Fachrichtung Strahlentherapie zugewiesen ist. In diesem Fall sei es nicht möglich, die regelmäßig bei den Praxen veranlassten strahlentherapeutischen Behandlungen als sogenannte „veranlasste Leistungen Dritter“ nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) abzurechnen. Denn „wesentliche“ Leistungen dürften jedenfalls nicht regelmäßig und planvoll an Dritte vergeben werden. Die Unterscheidung, welche Leistungen wesentlich und unwesentlich sind, sei dabei jedenfalls dann nicht statthaft, soweit das Krankenhaus (uneingeschränkt) über den Versorgungsauftrag „Strahlentherapie“ verfüge, selbst aber nicht in der Lage sei, die in Rede stehenden Leistungen zu erbringen.

Die zweite Entscheidung vom 29. August 2023 betrifft den Fall, dass ein Krankenhaus keinen ausdrücklich verbeschiedenen Versorgungsauftrag für Strahlentherapie hat. In diesem Fall sei zwar richtigerweise eine in der Gesamtverantwortung des Krankenhauses verbleibende Leistung Dritter im Sinn des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG veranlasst worden; allerdings dürften nach § 8 Abs. 1 Satz 3 KHEntgG mit Ausnahme von Notfällen nur solche Leistungen berechnet werden, die innerhalb des Versorgungsauftrags des Krankenhauses liegen.

In beiden Fallkonstellationen laufen die Krankenhäuser damit Gefahr, die von ihnen an die niedergelassenen Strahlentherapeuten zu zahlenden Vergütungen nicht refinanzieren zu können, wenn die Krankenkassen in der Folge der Urteile nur noch die Fallpauschale ohne Codierung der Bestrahlungsleistungen gewähren würden. Folge wäre eine massive, flächendeckende Unterversorgung, da nur noch die wenigen Krankenhäuser mit ausdrücklich zugewiesenem Versorgungsauftrag in der Strahlentherapie, die die Behandlungen selbst durchführen, diese Tumorpatienten behandeln könnten. Dies würde sogar für solche Behandlungen gelten, bei denen nicht das onkologische Leiden Anlass für den Krankenhausaufenthalt ist. Hinzu käme, dass infolge der dargestellten Rechtsprechung Patienten in Kauf nehmen müssten, eine (ambulant) begonnene Strahlentherapie aufgrund des stationären Aufenthalts an einem anderen Gerät durchführen oder eine während des Krankenhausaufenthalts begonnene Strahlentherapie nach dem stationären Aufenthalt mit einem anderen Gerät in Wohnortnähe fortsetzen zu müssen. Beides wäre – abgesehen von dem sich ergebenden Versorgungsengpass – nach medizinischer Expertise von erheblichem Nachteil für den Patienten.

Im Wege einer Allgemeinverfügung wird deshalb ausdrücklich klargestellt, dass der Versorgungsauftrag zugelassener Krankenhäuser auch ohne ausdrückliche Zuweisung der Fachrichtung Strahlentherapie die ergänzende strahlentherapeutische Behandlung von Patienten umfasst.

Ziel ist insoweit, dass die Bestrahlungen als „vom Krankenhaus veranlasste Leistungen Dritter“ im Sinn von § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG angesehen und vergütet werden können. Hierfür sind folgende Erwägungen maßgeblich:

  • Die durchzuführende Bestrahlung muss nach der BSG-Rechtsprechung auf jeden Fall vom Versorgungsauftrag umfasst sein. Daran ändert laut BSG nichts, wenn die Bestrahlung als solche nicht der eigentliche Grund für die stationäre Behandlung ist; nicht nur der eigentliche Grund der stationären Behandlung muss vom Versorgungsauftrag gedeckt sein, sondern auch alle notwendigen Begleitbehandlungen.
  • Nach ständiger BSG-Rechtsprechung ergibt sich der Versorgungsauftrag bei Plankrankenhäusern insbesondere aus den Festlegungen des Krankenhausplans in Verbindung mit den Bescheiden zu seiner Durchführung (§ 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KHEntgG in Verbindung mit §§ 6 Abs. 1, 8 Abs. 1 Satz 3 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes). Die mehrmalige Betonung dieses Umstands insbesondere im Urteil vom 26. April 2022 lässt darauf schließen, dass das BSG die Frage, wann bestimmte Leistungen Dritter veranlasst werden dürfen, in der Regelungshoheit der Krankenhausplanung sieht und bei entsprechend anders ausgestaltetem Versorgungsauftrag in dem zugrundeliegenden Fall zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. In diesem Sinn soll durch Allgemeinverfügung der – bislang lediglich implizit mit den betroffenen Fachrichtungen zugewiesene – Versorgungsauftrag aller zugelassenen Krankenhäuser nunmehr ausdrücklich auf die ergänzende strahlentherapeutische Behandlung erweitert werden.
  • Dabei muss gewährleistet werden, dass die Bestrahlungen keine wesentliche Leistung, sondern nur einen Annex, darstellen. Nur für nicht wesentliche Leistungen kann es hingenommen werden, dass das jeweilige Krankenhaus eigentlich nicht in der Lage ist, sie selbst zu erbringen. Denn nur für die wesentlichen Leistungen hat es nach der Rechtsprechung des BSG die notwendige Infrastruktur bereitzustellen, um die gesetzlich vorgeschriebene Leistungsfähigkeit nachzuweisen.
  • Aus Sicht des StMGP, aber auch aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern und der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, kann die BSG-Rechtsprechung dahin interpretiert werden, dass bei nicht wesentlichen Leistungen auch eine regelmäßige und planvolle Auslagerung auf Dritte zulässig ist.

Im Einzelnen:

Zu Nr. 1.1

Nr. 1.1 weist zugelassenen Krankenhäusern grundsätzlich und ausdrücklich den Versorgungsauftrag für ergänzende strahlentherapeutische Behandlungen insbesondere bei Patienten mit onkologischen Erkrankungen zu. Dabei wird klargestellt, dass dies für sämtliche nach den §§ 108, 109 SGB V zugelassenen Krankenhäuser gilt und dass die Zuweisung nicht den grundsätzlichen Vorrang ambulanter Leistungen vor stationären Leistungen aufhebt.

Zu Nr. 1.2

Nr. 1.2 stellt klar, dass die ergänzenden strahlentherapeutischen Leistungen im Rahmen der Gesamtbehandlungsverantwortung des Krankenhauses auch durch eine qualitätsgesicherte zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Strahlentherapieeinrichtung in unmittelbarem räumlichen Bezug zum Krankenhausstandort im Auftrag des Krankenhauses erbracht werden kann.

Zu Nr. 1.3

Nr. 1.3 grenzt den Begriff der ergänzenden strahlentherapeutischen Behandlung näher ein. Kerngedanke ist insbesondere im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 26. April 2022 (B 1 KR 15/21 R), dass die strahlentherapeutische Behandlung nicht das Wesenselement der stationären Leistungen bildet, sondern gleichsam ergänzend oder unterstützend für den Patienten in der konkreten Situation notwendig ist oder wird. Erst dadurch wird nach den Ausführungen des BSG eine Ausgestaltung als veranlasste Leistung Dritter im Sinn von § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG ermöglicht.

Zu Nr. 2

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten der Allgemeinverfügung.

Dr. Winfried Brechmann

Ministerialdirektor