Veröffentlichung BayMBl. 2025 Nr. 39 vom 29.01.2025

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Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration

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Verwaltungsvorschrift

2011-I
  • Verwaltung
  • Allgemeines Verwaltungsrecht
  • Allgemeines Sicherheitsrecht

2011-I

Vollzug des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes
(VollzBekLStVG)

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration

vom 13. Januar 2025, Az. C21-2100-1-4

Zum Vollzug des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) werden folgende Hinweise gegeben (die Nummern entsprechen den jeweiligen Gesetzesartikeln; Artikel ohne Gesetzesbezeichnung sind solche des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes):

1.Allgemeine Vorschriften

1.1
1Der Erste Teil des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes gilt für alle Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestände des Landesrechts und stellt einen allgemeinen Teil des Landesstraf- und Ordnungswidrigkeitenrechts in Bayern dar. 2Jede Ahndungsnorm im Bereich des Landesrechts ist nach diesen Bestimmungen zu handhaben.
1.2
Handlung im Sinn von Art. 1 ist jedes menschliche Verhalten, sei es eine Handlung oder ein Unterlassen, soweit ein Handeln durch Rechtspflicht geboten ist.

2.(nicht besetzt)

3.Ordnungswidrigkeiten

1Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) gilt grundsätzlich auch für die Ordnungswidrigkeiten des Landesrechts (vergleiche hierzu neben Art. 3 auch § 2 OWiG). 2Die sachliche Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde zur Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten (§§ 35, 36 OWiG) ist in der Zuständigkeitsverordnung (ZustV) geregelt.

4.Zuwiderhandlungen

4.1
1Art. 4 Abs. 1 gilt für Verordnungen, die aufgrund des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes erlassen werden, und für alle sonstigen auf Landesrecht beruhenden Rechtsvorschriften. 2Rechtsvorschriften im Rang unter dem Gesetz sind aufgrund des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes oder anderer landes- oder bundesgesetzlicher Ermächtigungen erlassene Rechtsverordnungen und Satzungen der Selbstverwaltungskörperschaften.
4.2
1Strafen und Geldbußen dürfen nur verhängt werden, wenn die Strafbarkeit der Handlung vor der Tat gesetzlich bestimmt war (Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG), Art. 104 Abs. 1 der Bayerischen Verfassung (BV) und § 1 des Strafgesetzbuchs (StGB), § 3 OWiG). 2Für die Bewehrung von Rechtsvorschriften, die aufgrund eines Gesetzes von der Exekutive erlassen wurden, schreibt Art. 4 Abs. 1 daher die ausdrückliche Verweisung auf zugrundeliegende gesetzliche Straf- und Bußgeldvorschriften vor. 3Straf- und Bußgeldsanktionen setzen eine gesetzliche Grundsatzentscheidung, etwa in Form einer sogenannten Blankettnorm, voraus. 4Fehlt eine solche Blankettnorm in dem zugrundeliegenden Gesetz, können Zuwiderhandlungen gegen Rechtsverordnungen oder Satzungen nicht mit Geldbuße geahndet werden. 5Ihre Beachtung kann nur im Weg des Verwaltungszwangs nach den Vorschriften des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) durchgesetzt werden.
4.3
1Art. 4 Abs. 2 gilt für bußgeldbewehrte Anordnungen für den Einzelfall, die auf dem Landesstraf- und Verordnungsgesetz, auf anderen Landesgesetzen und Verordnungen sowie auf Satzungen der Selbstverwaltungskörperschaften beruhen. 2Für Einzelanordnungen als Verwaltungsakte wird auf Art. 35 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) hingewiesen.
4.4
1Ermächtigt eine Vorschrift des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes zum Erlass einer Verordnung, kann eine Einzelanordnung auf eine solche Ermächtigung nicht unmittelbar gestützt werden. 2Wohl aber kann eine aufgrund des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes erlassene Verordnung Befugnisnormen zum Erlass von Einzelanordnungen enthalten. 3Umgekehrt kann auf eine Befugnis zu Einzelanordnungen der Erlass einer Verordnung nicht gestützt werden.

5.(nicht besetzt)

6.Aufgaben der Sicherheitsbehörden

6.1
Der Zweite Teil des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes regelt Zuständigkeit, Aufgaben und, soweit keine speziellen Befugnisse nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften bestehen, die Befugnisse der Sicherheitsbehörden.
6.2
Die Art. 6 bis 11 kommen zur Anwendung, wenn Aufgabe und Befugnis nicht durch besondere Rechtsvorschriften im Dritten Teil des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes oder im besonderen Sicherheitsrecht (zum Beispiel die in Nr. 7.3 genannten Vorschriften) geregelt sind (Subsidiarität sicherheitsrechtlicher Generalklauseln; vergleiche BayVGH, Beschluss vom 25. Juli 2023, Az. 11 CE 23.652; NdsOVG, Urteil vom 16. Februar 2023, Az. 14 KN 30/22; SächsOVG, Beschluss vom 30. Dezember 2020, Az. 3 B 450/20).
6.3
1Gemeinden im Sinn von Art. 6 sind die kreisangehörigen Gemeinden, die Großen Kreisstädte und die kreisfreien Gemeinden, die neben den örtlichen Aufgaben noch mit den Sicherheitsaufgaben der Landratsämter betraut sind (vergleiche Art. 9 Abs. 1 der Gemeindeordnung – GO). 2In der Regel werden die Gemeinden bei Erfüllung der Aufgaben nach Art. 6 im übertragenen Wirkungskreis tätig (Art. 8 GO). 3Mitgliedsgemeinden von Verwaltungsgemeinschaften sind Sicherheitsbehörden nach Art. 6 grundsätzlich nur in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises (Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgemeinschaftsordnung – VGemO); unberührt davon bleibt der verwaltungsmäßige Vollzug der Aufgaben der Mitgliedsgemeinden durch die Verwaltungsgemeinschaft (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VGemO). 4In Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises sind die Mitgliedsgemeinden ausnahmsweise Sicherheitsbehörden in den Fällen des Art. 4 Abs. 1 Satz 3 VGemO (vergleiche hierzu die Verordnung über die Aufgaben der Mitgliedsgemeinden von Verwaltungsgemeinschaften); ansonsten nimmt die Verwaltungsgemeinschaft auch als Sicherheitsbehörde die Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises der Mitgliedsgemeinden nach Maßgabe des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 VGemO wahr.
6.4
1Öffentliche Sicherheit im Sinn des Art. 6 umfasst die Unversehrtheit des Lebens, der Gesundheit, Ehre, Freiheit und des Vermögens, der Rechtsordnung und der Einrichtungen des Staates und sonstiger Träger von Hoheitsgewalt einschließlich der ungehinderten Ausübung der Hoheitsgewalt (vergleiche BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985, Az. 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81, BVerfGE 69, 315, 372). 2Öffentliche Ordnung umfasst die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden und mit dem Wertgehalt des Grundgesetzes zu vereinbarenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird (vergleiche BVerfG, Beschluss vom 24. März 2001, Az. 1 BvQ 13/01). 3Gefahr im Sinn des Art. 6 ist eine Sachlage, die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens im Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung der Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung führt (konkrete Gefahr), aber auch eine Sachlage, aus der nach allgemeiner Lebenserfahrung konkrete Gefahren im Einzelfall entstehen können (abstrakte Gefahr). 4Im Gegensatz zum Polizeiaufgabengesetz (PAG) (vergleiche Art. 11a PAG) kennt das Landesstraf- und Verordnungsgesetz den Begriff der drohenden Gefahr nicht. 5Für eine Einführung wurde bisher kein Bedürfnis gesehen. 6Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung hat dies auch nicht gefordert. 7Fälle, bei denen sich der zum Schaden führende Kausalverlauf (mit Ort, Zeit und Modalität der gefahrenauslösenden Handlung) noch nicht umfassend vorhersehen lässt, sind weiterhin mithilfe der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten sogenannten „Je-desto-Formel“ zu lösen. 8Je größer der zu erwartende Schaden und je ranghöher das betroffene Schutzgut ist, desto geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und an seine zeitliche Nähe zu stellen. 9Gleiches gilt im umgekehrten Fall: je kleiner der drohende Schaden ist, desto höhere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu stellen. 10Inhaltlich entspricht Art. 6 für die Sicherheitsbehörden der Aufgabenzuweisungsnorm des Art. 2 Abs. 1 PAG für die Polizei.
6.5
1Art. 6 legt eine Mehrfachkompetenz der dort genannten Sicherheitsbehörden fest. 2Da die untere Verwaltungsbehörde in erster Linie für die auf ihren örtlichen Bereich beschränkten Aufgaben zuständig ist, wird die höhere Behörde nach eigenem Recht erst dann Maßnahmen ergreifen, wenn die untere nicht oder nicht ausreichend tätig wird (vergleiche den Rechtsgedanken der Art. 44 und 46 sowie BayVGH, Urteil vom 25. März 1974, Az. 2 IV 73). 3Gesetzliche Zuständigkeitsschranken, etwa für die Landratsämter oder Regierungen, bestehen aber insoweit nicht. 4Ferner unterstehen die staatlichen Behörden (Landratsämter, Regierungen) den Weisungen der jeweiligen vorgesetzten Behörden beziehungsweise des Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration als oberster Sicherheitsbehörde.
6.6
1Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung obliegt neben den Sicherheitsbehörden für spezielle Bereiche (zum Beispiel Berg-, Bau-, Gewerbe-, Wasser-, Luftaufsicht-, Waffen- und Sprengstoffwesen) auch anderen (Fach-)Behörden. 2Deren Zuständigkeit bleibt von Art. 6 unberührt. 3Hierzu gehören etwa die Katastrophenschutzbehörden oder die Polizei. 4Darüber hinaus können Gemeinden einen kommunalen Ordnungsdienst einrichten. 5Die Gemeinden entscheiden im Rahmen ihres verfassungsrechtlich verbürgten Selbstverwaltungsrechts über eine solche Maßnahme in eigener Organisations- und Finanzhoheit, da sie auch die Kosten tragen müssten.

7.Befugnisse der Sicherheitsbehörden

7.1
1Anordnungen im Sinn von Art. 7 Abs. 1 sind Anordnungen für den Einzelfall sowie Verordnungen, das heißt allgemein verbindliche Gebote und Verbote, die für eine unbestimmte Zahl von Fällen an eine unbestimmte Zahl von natürlichen oder juristischen Personen gerichtet sind und gleichbleibend gelten. 2Eine sonstige Maßnahme ist die Regelung eines Einzelfalls ohne vorausgehende Anordnung durch unmittelbaren Zugriff der Behörde auf eine Person oder Sache (vergleiche Art. 7 Abs. 3, sogenannte Tatmaßnahme).
7.2
1Gesetzliche Ermächtigung im Sinn von Art. 7 Abs. 2 ist die Befugnisnorm in einem Spezialgesetz oder im Dritten Teil des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes. 2Anordnungen für den Einzelfall im Sinn von Art. 7 Abs. 2 können mit den Mitteln des Verwaltungszwangs nach den Art. 29 ff. VwZVG vollstreckt werden, wenn die Anordnung unanfechtbar geworden oder die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) angeordnet ist.
7.3
Insbesondere folgende Spezialvorschriften gehen den Anordnungen nach Art. 7 Abs. 2 vor:
  • Art. 12, 15 in Verbindung mit Art. 24 Abs. 2 Satz 1 des Bayerischen Versammlungsgesetzes (BayVersG),
  • § 41 Abs. 1 und 2 des Waffengesetzes,
  • § 15 Abs. 2, §§ 35, 51 Satz 1, § 56a Abs. 7, §§ 57, 59, 60d, 70a der Gewerbeordnung (GewO),
  • §§ 5, 12, 19 des Gaststättengesetzes (GastG),
  • Art. 16, 18b des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG),
  • § 24 der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz (1. SprengV),
  • Art. 16 des Bayerischen Pressegesetzes,
  • § 16 Abs. 3 des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks,
  • §§ 20, 24, 25, 25a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG),
  • § 16 Abs. 1, § 17 Abs. 1 bis 3, § 28 Abs. 1 und 2, § 29 Abs. 1, § 30 Abs. 1 und 2, §§ 31, 39 Abs. 2 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG),
  • § 5, § 24 Abs. 3, § 38 Abs. 11 des Gesetzes zur Vorbeugung vor und Bekämpfung von Tierseuchen,
  • § 16a des Tierschutzgesetzes (TierSchG),
  • § 49 Abs. 5 des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung,
  • §§ 71 bis 73 des Bundesberggesetzes,
  • § 39 Abs. 1, § 40 Abs. 2 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG),
  • Art. 20, 21, 22, 26 Abs. 1, Art. 27 Abs. 2 des Bayerischen Abfallwirtschaftsgesetzes,
  • Art. 19 Abs. 5, Art. 23, 24 Abs. 2, Art. 26 Abs. 2, Art. 28 Abs. 3, Art. 29 Abs. 1, Art. 61 LStVG,
  • Art. 57, 74, 75, 76 der Bayerischen Bauordnung (BayBO),
  • § 3 Abs. 2, § 17 Abs. 8 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG),
  • Art. 6 Abs. 2, Art. 12 Abs. 3, Art. 18 Abs. 2, Art. 31, 34 Abs. 3, Art. 35, 38, 54 Abs. 2 des Bayerischen Naturschutzgesetzes (BayNatSchG),
  • Art. 58 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Wassergesetzes (BayWG),
  • Art. 12 Satz 1 des Bayerischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes (BayPsychKHG),
  • Art. 14 Abs. 1 des Bestattungsgesetzes,
  • § 21 der Garagen- und Stellplatzverordnung,
  • § 24 der Verordnung über die Verhütung von Bränden (VVB).
7.4
Die Generalklausel von Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 normiert Tatbestände, bei deren Erfüllung die Sicherheitsbehörden für den Einzelfall Anordnungen treffen können, beispielsweise zur Abwehr von Gefahren für die dort angegebenen Rechtsgüter.
7.4.1
1Verhüten ist jede vorbeugende Tätigkeit der Sicherheitsbehörden, die darauf gerichtet ist, konkret drohende Handlungen nicht zustande kommen zu lassen, die Gefahren für die öffentliche Sicherheit und/oder Ordnung verursachen. 2Unterbinden meint die Fortsetzung einer bereits begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Handlung verhindern. 3Beseitigen bedeutet einen Zustand aufheben, beenden oder die ihn verursachende Handlung rückgängig machen. 4Sachwerte, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint, sind im Privateigentum oder im Eigentum des Staates oder anderer juristischer Personen des öffentlichen Rechts stehende bewegliche Sachen oder Grundstücke, die aus überwiegendem Allgemeininteresse vor Zerstörung zu schützen und zu erhalten sind.
7.4.2
1Primäre Aufgabe der Sicherheitsbehörden ist die Verhütung oder Unterbindung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten. 2Hierfür räumt Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 die notwendige Befugnis ein. 3Dem Gesetzeswortlaut zufolge kommt es dabei nicht auf ein Verschulden des Betroffenen an; das Gleiche gilt für die Bekämpfung von verfassungsfeindlichen Handlungen im Sinn von Art. 7 Abs. 5. 4Art. 7 Abs. 2 Nr. 2 enthält die Befugnis, durch solche Handlungen verursachte Gefahrenzustände zu beseitigen. 5Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 enthält eine allgemeine Befugnis zur Gefahrenabwehr oder Störungsbeseitigung, wenn Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen konkret gefährdet oder verletzt sind. 6Diese existentiellen Schutzgüter (vergleiche Art. 1, 2 GG, Art. 100 ff. BV) genießen absoluten Vorrang gegenüber anderen Rechten. 7Zu ihrem Schutz räumt Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 den Sicherheitsbehörden eine generalklauselartige Befugnisnorm ein. 8Ihr Anwendungsbereich erstreckt sich von der Beseitigung drohender Felsstürze über das Verbot von Veranstaltungen, den Erlass von Aufenthalts- und Kontaktverboten und die Anordnung von Meldeauflagen bis zur Unterbringung von Obdachlosen durch Beschlagnahmeanordnungen (vergleiche Nr. 7.6.3). 9Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 befugt darüber hinaus zur Gefahrenabwehr oder Störungsbeseitigung, wenn Sachwerte bedroht oder verletzt sind, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse, das heißt im Interesse der Allgemeinheit, geboten erscheint. 10Die Erfordernisse der Notwendigkeit, der Geeignetheit und der Verhältnismäßigkeit bleiben unberührt. 11Art. 7 Abs. 2, insbesondere Nr. 3, stellt einen allgemeinen Auffangtatbestand dar, der dann Anwendung findet, wenn spezielle Rechtsvorschriften nicht in Betracht kommen (vergleiche Nr. 6.2 und 7.3).
7.5
In Fällen in denen eine Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 nicht möglich, nicht zulässig ist oder keinen Erfolg verspricht, kommt Art. 7 Abs. 3 in Betracht.
7.5.1
1Art. 7 Abs. 3 sieht ein unmittelbares Tätigwerden der Sicherheitsbehörden vor, wenn Maßnahmen nach Abs. 2 nicht möglich, nicht zulässig oder nicht erfolgversprechend sind (sogenannte Tatmaßnahme). 2Eine Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 ist dann nicht möglich, wenn tatsächliche Gründe entgegenstehen, so zum Beispiel wenn eine verantwortliche Person nicht vorhanden, nicht bekannt oder nicht feststellbar ist. 3Eine Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 ist nicht zulässig, wenn ein Handeln, Dulden oder Unterlassen verlangt wird, das einen Gesetzesverstoß darstellt. 4Einer Anordnung können auch privatrechtliche Verpflichtungen des Normadressaten (zum Beispiel Verträge) und sonstige öffentlich-rechtliche Gründe (zum Beispiel Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, vergleiche Art. 8) entgegenstehen. 5Unzulässig und zudem nicht erfolgversprechend ist eine Anordnung auch, wenn ein Handeln, Dulden oder Unterlassen verlangt wird, das für den Betroffenen objektiv oder subjektiv unmöglich ist oder für diesen ein unzumutbares Opfer bedeutet (zum Beispiel Art. 9 Abs. 3 Satz 2). 6Eine Anordnung verspricht auch dann keinen Erfolg, wenn die verantwortliche Person zwar bekannt ist oder festgestellt werden kann, aber nicht so rechtzeitig erreichbar ist, wie es die Abwehr der Gefahr oder die Beseitigung der Störung erfordert.
7.5.2
Unmittelbare Maßnahmen im Sinn von Art. 7 Abs. 3 (vergleiche auch die unmittelbare Ausführung nach Art. 9 PAG) treffen die Sicherheitsbehörden durch eigene Bedienstete und/oder unter Einsatz eigener Sachmittel (zum Beispiel mit Maschinen des gemeindlichen Bauhofs oder mit Geräten der Feuerwehr).
7.5.3
1Sofern sich die Gefahr oder Störung durch die Polizei abwehren oder beseitigen lässt, kann diese von der Sicherheitsbehörde als ausführendes Organ bestimmt werden. 2Die Maßnahme wird von der Polizei im Rahmen einer zugewiesenen Aufgabe im Sinn von Art. 2 Abs. 4 PAG getroffen, bleibt aber ein Verwaltungsakt der Sicherheitsbehörde. 3Rechtsgrundlage für die polizeilichen Maßnahmen ist dabei nicht das materielle Polizeirecht, sondern Art. 7 Abs. 3.
7.5.4
1Die Sicherheitsbehörde kann eine Gefahr oder Störung auch durch vertraglich Beauftragte abwehren oder beseitigen. 2Vertraglich Beauftragte im Sinn von Art. 7 Abs. 3 sind Unternehmer, die aufgrund privatrechtlicher Vereinbarungen (zum Beispiel nach §§ 631 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB) von der Sicherheitsbehörde mit der unmittelbaren Ausführung beauftragt worden sind (zum Beispiel Handwerksbetriebe, Sachverständige).
7.5.5
1Für die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme nach Art. 7 Abs. 3 werden Kosten (Gebühren und Auslagen) nach den allgemeinen kostenrechtlichen Vorschriften erhoben. 2Kostenschuldner ist der Verantwortliche, soweit sein Tun oder Unterlassen für die Amtshandlung ursächlich war und er dieses Tun oder Unterlassen zu vertreten hat.
7.6
Einschränkungen der Anordnungen oder Maßnahmen auf der Grundlage des Art. 7 Abs. 2 und 3 ergeben sich unter anderem aus Art. 7 Abs. 4.
7.6.1
1Maßnahmen, die Art. 7 Abs. 4 für die Sicherheitsbehörden ausschließt, können zur Abwehr konkreter Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung von der Polizei anhand der polizeirechtlichen Befugnisnormen getroffen werden, auch wenn kein unaufschiebbarer Fall im Sinn von Art. 3 PAG vorliegt. 2In diesem Zusammenhang wird auf das Weisungsrecht der Sicherheitsbehörden gegenüber der Polizei gemäß Art. 9 Abs. 2 des Polizeiorganisationsgesetzes (POG) hingewiesen (vergleiche auch Art. 10 Satz 2).
7.6.2
1Nach Art. 7 Abs. 2 und 3 nicht einschränkbare Grundrechte sind die Freiheit der Person und die Unverletzlichkeit der Wohnung (vergleiche Art. 7 Abs. 4). 2Allerdings lässt Art. 13 Abs. 7 GG zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen Eingriffe und Beschränkungen gegenüber dem Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung mit Ausnahme von Durchsuchungen auch ohne besondere gesetzliche Ermächtigung zu. 3Das Grundrecht auf Eigentum kann durch Maßnahmen der Sicherheitsbehörden nach Art. 7 Abs. 2 und 3 eingeschränkt werden (vergleiche Art. 58).
7.6.3
Zur Unterbringung Obdachloser wird auf die Gemeinsame Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien für Familie, Arbeit und Soziales, des Innern, für Sport und Integration, für Wohnen, Bau und Verkehr sowie für Gesundheit und Pflege über die Empfehlungen für das Obdach- und Wohnungslosenwesen vom 2. Oktober 2023 (BayMBl. Nr. 518, 2024 Nr. 66) verwiesen.
7.7
Verstöße gegen vollziehbare Anordnungen einer Meldeauflage, eines Betretungsverbots oder eines Aufenthaltsverbots können mit Geldbuße nach Art. 7 Abs. 6 geahndet werden.
7.7.1
1Mit dem Gesetz zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes und weiterer Rechtsvorschriften vom 23. Juli 2024 (GVBl. S. 247) wurde Art. 7 Abs. 6 LStVG eingeführt. 2Dieser ermöglicht eine Ahndung von vorsätzlichen oder fahrlässigen Zuwiderhandlungen gegen vollziehbare Anordnungen einer Meldeauflage, eines Betretungsverbots oder eines Aufenthaltsverbots mit Geldbuße bis zu dreitausend Euro.
7.7.2
1Eine Meldeauflage ist eine Anordnung die einen Betroffenen verpflichtet, sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums oder zu einem bestimmten Zeitpunkt bei einer bestimmten staatlichen Stelle (zumeist einer Polizeidienststelle) zu melden und sich dort durch ein gültiges Personaldokument auszuweisen. 2Anwendungsbereiche hierfür waren in der Vergangenheit typischerweise Fälle von gewaltbereiten Hooligans etwa bei Fußballspielen. 3Mithilfe der Meldeauflage konnte verhindert werden, dass die Hooligans zu einem Sportereignis anreisen konnten. 4Darüber hinaus kommt die Meldeauflage in Fällen häuslicher Gewalt zur Anwendung. 5Betretungs- und Aufenthaltsverbote untersagen dem Betroffenen, sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums oder zu einem bestimmten Zeitpunkt an einen bestimmten Ort zu begeben und sich dort aufzuhalten. 6Anwendungsfälle können zum Beispiel gewaltbereite Personen sein, die von der Teilnahme an einem Volksfest ausgeschlossen werden sollen.
7.7.3
1Die Anordnung muss vollziehbar sein. 2Sie kann zum Beispiel entweder durch die erlassende Behörde für sofort vollziehbar erklärt werden, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, oder anderweitig rechtskräftig geworden sein (beispielsweise durch Eintritt der Bestandskraft).

8.Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

8.1
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt über das Sicherheits- und Polizeirecht hinaus für das gesamte Verwaltungsrecht und hat Verfassungsrang (vergleiche hierzu Art. 4 PAG und Nr. 4 der Bekanntmachung über den Vollzug des Polizeiaufgabengesetzes; vergleiche BVerfG, Beschluss vom 5. März 1968, Az. 1 BvR 579/67, BVerfGE 23, 127, 133).
8.1.1
Möglich sind Maßnahmen, für die eine Befugnisnorm besteht, denen keine rechtlichen Schranken entgegenstehen und die nach Sachlage tatsächlich ausführbar sind.
8.1.2
Geeignet sind Maßnahmen, die nicht nur rechtlich und tatsächlich möglich sind, sondern mit denen der angestrebte Zweck auch ganz oder wenigstens teilweise erreicht werden kann.
8.2
Sind mehrere geeignete Maßnahmen möglich, so ist die Maßnahme zu treffen, die für den Betroffenen und die Allgemeinheit die geringste Beeinträchtigung bedeutet.
8.3
1Ein durch die Maßnahme zu erwartender Schaden steht dann außer Verhältnis zum Erfolg, wenn er bei gewissenhafter Abwägung aller Gesichtspunkte größer ist als der durch die eingetretene oder zu befürchtende Störung verursachte Schaden, der durch die Maßnahme verhütet oder beseitigt werden soll. 2Das Missverhältnis muss zum Zeitpunkt des Handelns für die Behörde erkennbar sein.
8.4
1Die Beendigung einer Maßnahme kann rein tatsächlich erfolgen. 2Verordnungen sind stets ausdrücklich aufzuheben.

9.Richtung der Maßnahmen

9.1
Art. 9 entspricht inhaltlich den Art. 7, 8 und 10 PAG.
9.2
1Eine Gefahr oder Störung verursacht derjenige, der durch sein Verhalten oder seinen Zustand allein oder im Zusammenwirken mit anderen die Gefahr oder Störung hervorruft (Handlungsstörer beziehungsweise Handlungsverantwortlicher). 2Dabei werden weder Verschulden noch Schuldfähigkeit oder Rechtswidrigkeit vorausgesetzt.
9.3
Die Aufsicht über eine Person hat derjenige, dessen Verantwortung die Person rechtlich oder tatsächlich anvertraut ist.
9.4
Inhaber der tatsächlichen Gewalt im Sinn von Art. 9 Abs. 2 ist derjenige, der aufgrund eines tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses eine unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache besitzt (Zustandsstörer beziehungsweise Zustandsverantwortlicher).
9.5
1Soweit nach Art. 9 Abs. 1 und 2 Maßnahmen auch gegen andere Verantwortliche zulässig sind, obliegt der Sicherheitsbehörde ein Auswahlermessen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vergleiche Art. 8) und nach pflichtgemäßem Ermessen (vergleiche Art. 40 BayVwVfG). 2Dabei ist in erster Linie zu berücksichtigen, wie die öffentliche Sicherheit oder Ordnung am ehestmöglichen aufrechterhalten werden kann. 3Zum Verhältnis zwischen Handlungs- und Zustandsverantwortlichkeit wird auf die Nrn. 8.9 und 9.3 der Bekanntmachung über den Vollzug des Polizeiaufgabengesetzes hingewiesen.
9.6
1Nach Art. 9 Abs. 3 können die Sicherheitsbehörden Maßnahmen gegen Unbeteiligte (Nichtstörer beziehungsweise Nichtverantwortliche) richten, wenn weder ein Vorgehen gegen die Verantwortlichen noch eigene Maßnahmen möglich, ausreichend oder zulässig sind. 2Es handelt sich hier aber um eine eng auszulegende Ausnahmenvorschrift für Hilfeleistungen in besonderen Gefahren- oder Notsituationen, wie zum Beispiel bei der Beschlagnahme von Unterkünften im Einzelfall für die Notunterbringung von Obdachlosen. 3Eine unmittelbare Maßnahme nach Art. 7 Abs. 3 ist dann nicht möglich, wenn die Schwierigkeit der Maßnahme besondere Sachkenntnisse oder technische Mittel erfordert, über welche weder die Sicherheitsbehörde noch die Polizei noch der vertraglich Beauftragte verfügen, während ein Unbeteiligter sie besitzt. 4Eine Maßnahme nach Art. 7 Abs. 3 ist nicht ausreichend, wenn durch den Einsatz der Sicherheitsbehörde, der Polizei oder eines vertraglich Beauftragten nur ein Teilerfolg, durch die hoheitliche Inanspruchnahme eines Unbeteiligten hingegen der volle Erfolg erzielt werden könnte.
9.7
1Eine Gefährdung des Unbeteiligten an Leben oder Gesundheit im Sinn von Art. 9 Abs. 3 ist jede objektiv erkennbare Lebensgefahr oder nicht nur geringfügige Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit. 2Andere Pflichten im Sinn von Art. 9 Abs. 3 sind gegen die vorliegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwägen. 3Dabei wiegt eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit stets schwerer als eine solche für Sachwerte; eine bereits eingetretene Störung kann gewichtiger sein als eine lediglich drohende Gefahr. 4Ausschlaggebend ist die höherwertige Verpflichtung des Betroffenen (vergleiche Art. 10 Abs. 1 Nr. 4 PAG, Nrn. 10.3 und 10.4 der Bekanntmachung über den Vollzug des Polizeiaufgabengesetzes).

10.Sicherheitsbehörden und Polizei

10.1
1Widersprechende Maßnahmen der Polizei sind solche, die mit Maßnahmen der Sicherheitsbehörden nicht in Einklang zu bringen sind, weil sie zu einem widerstreitenden Ergebnis führen würden. 2Trifft die Sicherheitsbehörde im Anschluss an eine polizeiliche Maßnahme eine dieser widersprechende Maßnahme, so besteht die polizeiliche Maßnahme zwar zunächst fort, wird aber nicht mehr vollzogen. 3Die Polizei ist verpflichtet, ihre Maßnahme gegebenenfalls aufzuheben und einen schon vorgenommenen Vollzug rückgängig zu machen.
10.2
Zur Abgrenzung des Aufgabenbereichs der Sicherheitsbehörden und der Polizei wird auf Art. 3 PAG und Art. 9 POG verwiesen.
10.3
1Auf folgende Möglichkeiten der Sicherheitsbehörden, die Polizei zu ihrer Unterstützung heranzuziehen beziehungsweise ihr Weisungen zu erteilen, wird hingewiesen (vergleiche ergänzend Nr. 29.2 der Bekanntmachung über den Vollzug des Polizeiaufgabengesetzes):
  • Art. 9 Abs. 2 POG für Weisungen im polizeilichen Aufgabenbereich,
  • Art. 7 Abs. 3 LStVG zum unmittelbaren Zugriff der Sicherheitsbehörde,
  • Art. 67 Abs. 1 PAG zur Vollzugshilfe,
  • Art. 4 ff. BayVwVfG zur Amtshilfe,
  • Art. 37 Abs. 2 VwZVG zur Vollstreckungshilfe,
  • Art. 5 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 3 Nr. 1 des Bayerischen Katastrophenschutzgesetzes zur Katastrophenhilfe.

2Bei Weisungen nach Art. 9 Abs. 2 POG handelt die Polizei auf der Grundlage des materiellen Polizeirechts. 3Die Maßnahme wird rechtlich nur ihr zugeordnet, während die Weisung der Sicherheitsbehörde als innerdienstlicher Rechtsakt einzuordnen ist.

11.Entschädigung

11.1
1Maßnahmen im Sinn von Art. 11 Abs. 1 können nur Einzelmaßnahmen der Sicherheitsbehörden sein. 2Demgegenüber ist Art. 11 Abs. 2 auch auf Verordnungen anzuwenden.
11.2
1Der Entschädigungsanspruch aus Art. 11 Abs. 1 LStVG in Verbindung mit Art. 87 Abs. 1 PAG setzt seitens des Anspruchsberechtigten – des Nichtverantwortlichen im Sinn von Art. 9 Abs. 3 – den Nachweis voraus, dass bestimmte Maßnahmen der Sicherheitsbehörde den Eintritt eines Schadens verursacht haben. 2Die Rechtmäßigkeit der Maßnahme oder ein Verschulden wird nicht geprüft. 3Ein Anspruch aus Amtshaftung (Art. 34 GG, § 839 BGB) setzt dagegen voraus, dass ein Schaden durch eine Maßnahme der Sicherheitsbehörde in Erfüllung hoheitlicher Aufgaben unter schuldhafter Verletzung einer Amtspflicht erfolgt ist, die dem Geschädigten gegenüber obliegt.
11.3
1Soweit Art. 11 Abs. 1 LStVG in Verbindung mit Art. 87 Abs. 2 PAG den Entschädigungsanspruch Unbeteiligter betrifft, die nicht Verantwortliche im Sinn von Art. 9 Abs. 1 und 2 sind und gegen die nicht sonstige Maßnahmen der Sicherheitsbehörden gemäß Art. 9 Abs. 3 getroffen worden sind, besteht außer bei Tötung und Körperverletzung nur ein Entschädigungsanspruch, wenn diesen Personen ein nicht zumutbarer sonstiger Schaden entstanden ist. 2Bloße Unannehmlichkeiten und geringfügige Opfer müssen hingenommen werden.
11.4
1Die Entschädigung nach Art. 11 wird nur für materielle Schäden (wie zum Beispiel Mietausfälle) gewährt. 2Der Ersatz immaterieller Schäden (§ 253 BGB) wie zum Beispiel Schmerzensgeld ist lediglich bei schuldhaften Amtspflichtverletzungen (vergleiche Art. 34 GG, § 839 BGB) möglich.
11.5
1Träger der Behörde im Sinn von Art. 11 Abs. 1 ist bei gemeindlichen Maßnahmen die Gemeinde, bei Maßnahmen einer Regierung oder des Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration der Freistaat Bayern. 2Hat ein Landratsamt eine Maßnahme getroffen, so ist der Landkreis verpflichtet, soweit nicht der Staat nach Art. 35 Abs. 3 oder Art. 37 Abs. 5 der Landkreisordnung (LKrO) haftet, weil ein Landrat oder ein Staats- oder Kreisbediensteter in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt schuldhaft seine Amtspflicht verletzt und es sich um die Erfüllung von Staatsaufgaben gehandelt hat.
11.6
1Bei Maßnahmen einer Verwaltungsgemeinschaft im übertragenen Wirkungskreis (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 VGemO) ist Träger der Behörde die Verwaltungsgemeinschaft. 2Handelt die Verwaltungsgemeinschaft im eigenen Wirkungskreis der Mitgliedsgemeinden (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VGemO), so verbleibt die Trägerschaft bei der jeweiligen Mitgliedsgemeinde.
11.7
1Eine Enteignung ist der gesetzlich zulässige zwangsweise Eingriff eines Hoheitsträgers in das Eigentum, der den Betroffenen im Vergleich zu anderen ungleich trifft und ihm in besonderem Maße vermögenswerte Rechte beschneidet oder entzieht. 2Der Begriff im Sinn von Art. 11 Abs. 2 schließt auch den enteignungsgleichen Eingriff ein. 3Darunter wird ein ohne Rechtsgrundlage erfolgter Eingriff in das Eigentum verstanden, der nach Inhalt und Wirkung einer Enteignung entspricht. 4Zu einem dauerhaften Entzug des Eigentums mittels einer Enteignung berechtigt das Landesstraf- und Verordnungsgesetz nicht, da dies schon aus Gründen der Subsidiarität zu einer Umgehung der Regelungen des Bayerischen Enteignungsgesetzes führen würde.

12.Ehrenamtliche Veranstaltung für das Gemeinwohl

12.1
1Art. 12 wurde mit dem Gesetz zur Erleichterung des Ehrenamts vom 9. Dezember 2024 (GVBl. S. 570) neu eingeführt. 2Unter bestimmten Voraussetzungen können wiederkehrende ehrenamtliche Veranstaltungen von landes- und ortsrechtlichen Anzeige- oder Genehmigungspflichten befreit werden. 3Nur Veranstaltungen, die dem Gemeinwohl dienen, sind hiervon umfasst. 4Einnahmen (wie beispielsweise Eintrittsgelder oder freiwillige Spenden) dürfen zwar erzielt werden, allerdings nur um die Kosten der Veranstaltung zu decken oder künftige ehrenamtliche Tätigkeiten zu finanzieren. 5Sollten Gewinnerzielungsabsichten vorliegen und es sich damit um – Einzelinteressen fördernde – gewerbliche Veranstaltungen handeln, gilt Art. 12 nicht. 6Der Veranstaltungszweck kann dabei alle Arten von Veranstaltungen, insbesondere soziale, gesellschaftliche, kulturelle, sportliche, bildungspolitische oder vereinseigene Veranstaltungen oder Feierlichkeiten, umfassen.
12.2
1Die Befreiung betrifft nur landes- und ortsrechtliche Anzeige- und Genehmigungspflichten. 2Von der Vorschrift erfasst sind:
  • Anzeigepflicht bei Veranstaltungen mit weniger als eintausend Besuchern nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1,
  • Erlaubnispflicht bei Großveranstaltungen mit mehr als eintausend Besuchern in einer Großgaststätte nach Art. 19 Abs. 3,
  • Erlaubnispflicht bei Sondernutzung nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG,
  • Anzeigepflicht bei vorübergehender Verwendung von Räumen nach § 47 der Versammlungsstättenverordnung (VStättV).
12.3
1Art. 12 Abs. 1 ermöglicht die einmalige Anzeige für regelmäßig wiederkehrende, gleichartige Veranstaltungen für das Gemeinwohl, die grundsätzlich nach Landes- oder Ortsrecht anzuzeigen sind. 2Eine gleichartige Veranstaltung liegt unter anderem vor, wenn die Veranstaltung in ihrer Wesensart (beispielsweise Gemeinde- oder Sportfest) sich nicht verändert, der Veranstaltungszweck, der Ort und der Umfang im Wesentlichen gleich bleibt. 3Im Kern muss die Veranstaltung lediglich in gleicher Art und Weise wiederholt werden. 4Gleichartig ist die Veranstaltung dann nicht, wenn wesentliche Merkmale sich ändern, beispielsweise, wenn die Veranstaltung sich beachtlich ausweitet (anstelle von einer Gemeinde feiern nun drei Gemeinden zusammen). 5Regelmäßig wiederkehrend ist eine Veranstaltung dann, wenn sie in einem bestimmten Zeitraum zu einem bestimmten Zeitpunkt wiederholt werden soll. 6Anknüpfungspunkte können bestimmte Tage im Jahr sein, wie zum Beispiel der Gründungstag einer Gemeinde. 7Bei der einmaligen Anzeige sind die regelmäßig wiederkehrenden Veranstaltungstermine möglichst bereits so konkret wie nur möglich zu nennen. 8Die Sicherheitsbehörden müssen rechtzeitig und ordnungsgemäß über die Folgeveranstaltungstermine informiert sein. 9Es genügt nicht, dass der Veranstalter nur darauf hinweist, dass das Fest irgendwann wiederholt werden soll. 10Sollte eine taggenaue Festlegung nicht möglich sein, so muss die Woche oder zumindest der Monat genannt werden und sobald bekannt der konkrete Veranstaltungstermin der Sicherheitsbehörde rechtzeitig mitgeteilt werden.
12.4
1Nach Art. 12 Abs. 2 können künftige Veranstaltungen, die landes- oder ortsrechtlichen Genehmigungspflichten unterfallen, nach Maßgabe der bisherigen Genehmigung durchgeführt werden, wenn die Veranstaltungen ehrenamtlich für das Gemeinwohl wiederholt und ohne Beanstandungen durchgeführt wurden und die jeweils zuständige Behörde rechtzeitig hierüber unterrichtet wird und nichts anderes bestimmt. 2Die Befreiung erfolgt kraft Gesetzes, sodass eine Befreiungsentscheidung durch Verwaltungsakt nicht erforderlich ist. 3Die Befreiung nach Art. 12 Abs. 2 kann nur von landes- oder ortsrechtlichen Genehmigungspflichten entbinden (vergleiche hierzu Nr. 12.2). 4Zum Begriff des Gemeinwohls vergleiche Nr. 12.1. 5Die jeweils zuständige Behörde ist rechtzeitig über die Veranstaltung zu unterrichten. 6Sie muss rechtzeitig vom konkreten Termin der Veranstaltung in Kenntnis gesetzt werden, um gegebenenfalls notwendige Vorkehrungen treffen zu können (beispielsweise Straßen zu sperren). 7Die Behörde muss dabei in der Lage sein, abweichende Anordnungen zu treffen oder die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens zu verlangen, sollte sich die Sach- und/oder Rechtslage geändert haben. 8Die jeweils zuständige Behörde sollte dem Veranstalter im Rahmen der vorherigen Genehmigungsverfahren in geeigneten Fällen, in denen die Anwendung des Art. 12 Abs. 2 in Betracht kommt, mitteilen, wann aus ihrer Sicht eine rechtzeitige Unterrichtung vorliegt. 9So kann der Veranstalter sich entsprechend darauf einstellen. 10Die Pflicht zur Information über die Veranstaltung besteht gegenüber jeder Genehmigungsbehörde gesondert. 11Die jeweils zuständigen Behörden sollten dies dem Veranstalter entsprechend mitteilen. 12Nach der Unterrichtung ist es der Entscheidung der Behörde vorbehalten, ob eine erneute Durchführung eines Genehmigungsverfahrens notwendig ist. 13Dies kann sich vor allem bei wesentlichen Veränderungen der Veranstaltung ergeben. 14Die Behörde hat bei ihrer Verwaltungstätigkeit Art. 87 BayVwVfG entsprechend zu berücksichtigen. 15Daneben müssen die vorherigen Veranstaltungen mindestens zweimal hintereinander beanstandungsfrei durchgeführt worden sein. 16Beanstandungsfrei meint, dass die Bedingungen und Auflagen der Genehmigung befolgt wurden und kein behördliches Einschreiten gegen den Veranstalter wegen nicht ordnungsgemäßer Durchführung oder sonstiger Störungen erforderlich geworden ist.
12.5
1Art. 12 Abs. 3 regelt, dass Anordnungen im Einzelfall nach dem Landesstraf- und Verordnungsgesetz oder anderen Rechtsvorschriften unberührt bleiben. 2Entsprechende Anordnungen können beispielsweise aufgrund von Art. 23 oder Art. 19 Abs. 5 Satz 1 getroffen werden.

13.(nicht besetzt)

14.(nicht besetzt)

15.(nicht besetzt)

16.Bekämpfung verwilderter Tauben

16.1
Verwilderte Tauben sind Haustauben, die nicht (mehr) von Menschen gehalten werden.
16.2
1Die Haustaube (verwilderte Form) gehört nicht zu den besonders geschützten heimischen Tierarten, so dass eine Bekämpfung grundsätzlich möglich ist. 2Zu beachten sind jedoch die Vorschriften des Naturschutz- und Tierschutzrechts, die vor allem Quälen, Misshandeln sowie unnötiges Fangen oder Töten verbieten (vergleiche § 39 BNatSchG, § 4 TierSchG).
16.3
1Auf die Möglichkeit eines Verbots der Taubenhaltung und -fütterung auf der Grundlage des § 17 Abs. 2 IfSG durch die Kreisverwaltungsbehörde (§ 65 Satz 1 ZustV) wird hingewiesen. 2Die Pflicht der Behörde, entsprechende Maßnahmen anzuordnen, greift, wenn zum einen Gesundheitsschädlinge (§ 2 Nr. 12 IfSG) festgestellt werden und zum anderen die konkrete Gefahr begründet ist, dass durch sie eine Verbreitung der Krankheitserreger stattfindet.

17.(nicht besetzt)

18.Halten von Hunden

18.1
1Als große Hunde können Hunde mit einer Schulterhöhe von mindestens 50 cm angesehen werden. 2Zu den großen Hunden gehören unter anderem erwachsene Hunde der Rassen Schäferhund, Boxer, Dobermann, Rottweiler und Deutsche Dogge.
18.2
1Einschränkungen des freien Umherlaufens können durch Verordnung generell für alle großen Hunde und Kampfhunde oder differenziert für einzelne Rassen oder Gruppen von Hunden bestimmt werden. 2Insbesondere kommt die Festlegung von Anleinpflichten in Frage. 3Dabei kann die zulässige Höchstlänge von Leinen bestimmt werden. 4Es empfiehlt sich die Festlegung, dass nur reißfeste Leinen verwendet werden dürfen. 5Als Grundlage für die Einführung eines Maulkorbzwangs kommt Art. 18 Abs. 1 nicht in Betracht. 6Der räumliche und zeitliche Geltungsbereich der Verordnung ist auf die örtlichen Verhältnisse abzustimmen. 7Dabei kommt insbesondere eine Begrenzung auf bestimmte öffentliche Anlagen, Wege, Straßen oder Plätze (zum Beispiel Fußgängerzonen) in Betracht. 8In größeren zusammenhängenden Siedlungsbereichen gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in ausreichendem Maße geeignete öffentliche Flächen vom Leinenzwang auszunehmen, um dem Bewegungsbedürfnis der Hunde Rechnung zu tragen (vergleiche § 2 Nr. 2 TierSchG). 9Für besonders empfindliche Bereiche (zum Beispiel den näheren Umgriff von Kinderspielplätzen) kann das Mitführen von großen Hunden und Kampfhunden ganz ausgeschlossen werden. 10Von der Geltung der Verordnung sind auszunehmen:
a)
Assistenzhunde im Sinn von § 12e Abs. 3 des Behindertengleichstellungsgesetzes, unter anderem Blindenführhunde,
b)
Diensthunde der Polizei, des Strafvollzugs, der Bundespolizei, der Zollverwaltung und der Bundeswehr im Einsatz,
c)
Hunde, die zum Hüten einer Herde eingesetzt sind,
d)
Hunde, die die für Rettungshunde vorgesehenen Prüfungen bestanden haben und als Rettungshunde für den Zivilschutz, den Katastrophenschutz, den Rettungsdienst eingesetzt sind, sowie
e)
im Bewachungsgewerbe eingesetzte Hunde, soweit der Einsatz dies erfordert.

11Weist die Gemeinde im räumlichen Umgriff durch Anschläge oder Zeichen auf die Verordnung gesondert hin, so ist auch auf die Ausnahmeregelung zugunsten der Blindenführhunde hinzuweisen.

18.3
1Art. 18 Abs. 2 enthält die Befugnis für den Erlass von Einzelfallanordnungen zum Halten von Hunden (zum Beispiel Anleinpflicht, Maulkorbpflicht, Schließvorrichtungen und Warnschilder am Grundstück). 2Der Erlass von Einzelfallanordnungen ist für alle Hunde möglich. 3Einzelfallanordnungen, die über das Halten hinausgehen (zum Beispiel Wegnahme oder Tötung des Hundes), sind dagegen auf Art. 7 Abs. 2 (vor allem Nr. 3) zu stützen.

19.Veranstaltung von Vergnügungen

19.1
Begriffsbestimmungen
19.1.1
1Vergnügung im Sinn von Art. 19 ist eine Veranstaltung, die dazu bestimmt und geeignet ist, die Besucher zu unterhalten, zu belustigen, zu zerstreuen oder zu entspannen. 2Keine Vergnügungen sind Veranstaltungen, die vorwiegend der künstlerischen oder kulturellen Erbauung, der Unterweisung, Belehrung oder religiösen Zwecken dienen. 3Das ist nicht der Fall, wenn lediglich der Erlös der Veranstaltung für diese Zwecke verwendet wird. 4Sportveranstaltungen sind dann Vergnügungen, wenn es dem Veranstalter wesentlich auf die Zuschauer ankommt (zum Beispiel Profifußballspiele). 5Das gilt insbesondere, wenn er die Veranstaltung öffentlich ankündigt, Zuschauer einlädt, Entgelt verlangt oder Einrichtungen für die Zuschauer bereitstellt. 6Keine Vergnügung im Sinn von Art. 19 ist das nicht organisierte Faschingstreiben auf den Straßen (vergleiche dazu aber Art. 23).
19.1.2
1Eine Vergnügung veranstaltet, wer sie organisiert, leitet oder in sonstiger Weise wesentliche Voraussetzungen für sie schafft. 2Als Mitveranstalter ist anzusehen, wer maßgeblichen Einfluss auf die Durchführung der Veranstaltung ausübt, wenn seine Mitwirkung selbstständig und gleichwertig neben die Tätigkeit dessen tritt, der wegen seiner wirtschaftlichen Beteiligung in erster Linie als Veranstalter erscheint. 3Es reicht aus, wenn von mehreren Veranstaltern einer Vergnügung nur einem die Erlaubnis erteilt wird.
19.1.3
Öffentlich ist eine Vergnügung, wenn die Teilnahme nicht auf einen bestimmten, durch gegenseitige Beziehungen oder durch Beziehungen zum Veranstalter persönlich untereinander verbundenen, abgegrenzten Personenkreis beschränkt ist.
19.1.4
1Belästigungen im Sinn von Art. 19 Abs. 4 sind das normale Maß übersteigende Beeinträchtigungen des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens, ohne dass eine konkrete Gefahr für die Gesundheit vorliegen muss. 2Dabei sind für die Beurteilung ortsübliche Maßstäbe ausschlaggebend.
19.1.5
1Nachbarschaft sind alle Personen, die infolge eines nahen räumlichen Zusammenhangs mit dem Ort der Vergnügung auf gewisse Dauer von den schädlichen Einwirkungen der Veranstaltung betroffen sind. 2Für die Abgrenzung der Nachbarschaft von der Allgemeinheit ist der Nachbarbegriff des Immissionsschutzrechts heranzuziehen.
19.1.6
1Erhebliche Beeinträchtigungen der Natur oder Landschaft können insbesondere eintreten, wenn die Veranstaltung auf oder in der Nähe von geschützten oder ökologisch wertvollen Flächen durchgeführt wird oder wenn sie während der Brut- oder Aufzuchtszeit von Vögeln (15. März bis 15. Juli) in Gebieten mit bedeutenden Brutstätten (zum Beispiel Feuchtwiesen, Feldgehölzen) stattfinden soll. 2Dabei sind auch die von den Zuschauern zu erwartenden Störungen mit zu berücksichtigen.
19.2
Anzeige- beziehungsweise Erlaubnisverfahren
19.2.1
1Aufgrund der Anzeige gemäß Art. 19 Abs. 1 hat die zuständige Behörde zu prüfen, ob die Durchführung der beabsichtigten Vergnügung Gefahren für die in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 genannten Rechtsgüter erwarten lässt. 2Maßgebend ist hierfür der Erkenntnisstand, der sich vor der Veranstaltung gewinnen lässt. 3Hierzu kann die Anhörung von Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten oder sonstigen Fachdienststellen erforderlich sein. 4Sind Gefahren nicht zu erwarten und brauchen keine Anordnungen für den Einzelfall getroffen zu werden (Art. 19 Abs. 5), so duldet die Behörde den Ablauf der angezeigten Vergnügung ohne förmliche Entscheidung. 5Die Anzeige kann schriftlich oder elektronisch erfolgen. 6Eine Anzeige per E-Mail ist zulässig. 7Auf die Möglichkeiten des elektronischen Schriftformersatzes nach Art. 3a BayVwVfG kommt es nicht an.
19.2.2
1In der Erlaubnis nach Art. 19 Abs. 3 soll darauf hingewiesen werden, dass sie unter den Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 4 zurückgenommen oder widerrufen werden kann. 2Auch nach Erteilung der Erlaubnis sind noch Anordnungen nach Art. 19 Abs. 5 zulässig; unter den dort genannten Voraussetzungen ist auch eine Untersagung möglich.
19.2.3
Das Versagen der Erlaubnis nach Art. 19 Abs. 4 ist nicht zulässig, wenn Auflagen (Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG) als milderes Mittel zur Gefahrenverhütung ausreichen.
19.2.4
Von der Erteilung, der Rücknahme, dem Widerruf oder der Versagung einer Erlaubnis (einschließlich der verfügten Auflagen) sowie von sonstigen Maßnahmen der zuständigen Behörde nach Art. 19 sind, soweit erforderlich, die örtliche Polizeidienststelle, die Feuerwehr, die Rettungsdienste und gegebenenfalls sonstige Fachdienststellen unverzüglich zu unterrichten.
19.2.5
Überlässt der Inhaber einer Erlaubnis nach § 33a GewO seine Räume dem Veranstalter einer nicht unter Nr. 19.2.8 fallenden öffentlichen Darbietung, so gilt für diesen Veranstalter Art. 19.
19.2.6
Für öffentliche Vergnügungen, die gewerbsmäßig oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen veranstaltet werden, gelten die Vorschriften über die Sperrzeit (vergleiche § 18 GastG, §§ 7 und 8 der Bayerischen Gaststättenverordnung).
19.2.7
1Ist für Teile einer Vergnügung eine Erlaubnispflicht oder eine Anordnungsbefugnis nach anderen Rechtsvorschriften gegeben (zum Beispiel gaststättenrechtliche Erlaubnisse im Rahmen eines Volksfestes), so beschränken sich Anordnungen oder Erlaubnisse nach Art. 19 auf den Bereich, der nicht sondergesetzlich geregelt ist. 2Umfasst eine Vergnügung über das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände hinaus noch weitere vom Veranstalter organisierte Darbietungen, Hilfsmittel oder sonstige Beiträge, die dem Zweck der Vergnügung dienen (zum Beispiel Bereitstellung von Sitzgelegenheiten, Absperrung zum Zweck der Erhebung eines Eintrittsgeldes), so ist eine Anzeige oder Erlaubnis erforderlich; Anordnungen nach Art. 19 Abs. 5 und Auflagen in der Erlaubnis nach Art. 19 Abs. 4 können sich jedoch nicht auf den durch das Sprengstoffrecht erfassten Bereich erstrecken.
19.2.8
1Für folgende Veranstaltungen schließen spezialgesetzliche Regelungen eine Anzeige- oder Erlaubnispflicht nach Art. 19 aus:
  • Vergnügungen, die durch Verordnung der Gemeinde nach Art. 19 Abs. 6 Nr. 1 von dieser Pflicht befreit sind,
  • Vergnügungen, für die eine Gestattung nach § 12 GastG erforderlich ist; die Auflagen richten sich nach § 12 Abs. 3 GastG,
  • Vergnügungen, für deren Veranstaltung eine Erlaubnis nach den §§ 33a ff. GewO notwendig ist oder nach § 5a der Spielverordnung eine Erlaubnis nicht erforderlich ist (vergleiche aber Nr. 19.2.5),
  • bei einem nach § 60b Abs. 2 in Verbindung mit § 69 Abs. 1 GewO festgesetzten Volksfest,
  • Veranstaltung von öffentlichen Glücksspielen im Sinn von § 3 des Glücksspielstaatsvertrags 2021,
  • Betrieb einer Spielbank im Sinn des Spielbankgesetzes,
  • Luftfahrtveranstaltungen (vergleiche § 24 des Luftverkehrsgesetzes),
  • Rad- oder motorsportliche Veranstaltungen sowie sonstige Veranstaltungen im Sinn von Abschnitt A Nr. IV.1 und 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (VwV) zu § 29 Abs. 2 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) (vergleiche hierzu Nr. 19.3.1.2), die ausschließlich auf öffentlichem Verkehrsgrund stattfinden (vergleiche § 29 StVO),
  • Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 27 Abs. 1 Nr. 2, § 32 Abs. 1 bis 3 des Sprengstoffgesetzes (SprengG), § 4 Abs. 2, §§ 23, 24 1. SprengV, vergleiche jedoch Nr. 19.2.7.

2Dem Anwendungsbereich des Art. 19 unterliegen ferner nicht solche Veranstaltungen, die gesetzlich verboten sind (zum Beispiel unerlaubte Veranstaltung öffentlicher Glücksspiele gemäß § 284 StGB).

19.2.9
Ferner sind zu beachten
  • Gesetz über den Schutz der Sonn- und Feiertage (FTG),
  • Bayerisches Immissionsschutzgesetz (BayImSchG), Bundesnaturschutzgesetz, Bayerisches Naturschutzgesetz.
19.3
Motorsportliche Veranstaltungen
19.3.1
1Art. 19 gilt auch für motorsportliche Veranstaltungen, wenn sie zumindest teilweise oder auch ganz außerhalb einer verkehrsrechtlich öffentlichen Fläche stattfinden. 2Auch Radsportveranstaltungen sind in der Regel als Vergnügungen im Sinn von Nr. 19.1.1 anzusehen. 3Für die Erteilung der Erlaubnis nach Art. 19 Abs. 3 und für Anordnungen nach Art. 19 Abs. 5 sind bei motorsportlichen Veranstaltungen neben den kreisfreien Gemeinden und Landratsämtern auch die Großen Kreisstädte zuständig (vergleiche Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LKrO, Art. 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GO, § 1 Abs. 1 Nr. 9 der Verordnung über Aufgaben der Großen Kreisstädte). 4Neben der Erlaubnis oder Anzeige nach Art. 19 können noch weitere Ausnahmegenehmigungen oder Erlaubnisse erforderlich sein, zum Beispiel nach der Straßenverkehrs-Ordnung, nach dem Feiertagsgesetz oder nach dem Bayerischen Immissionsschutzgesetz, nach dem Bundesnaturschutzgesetz und dem Bayerischen Naturschutzgesetz (vergleiche Nr. 19.2.9). 5In Fällen, in denen für die Erteilung weiterer Ausnahmegenehmigungen oder Erlaubnisse unterschiedliche Behörden oder Stellen zuständig sind, ist eine gegenseitige Beteiligung angezeigt. 6Werden motorsportliche Veranstaltungen teils auf öffentlichem Verkehrsgrund, teils außerhalb abgehalten, so hat sich die Kreisverwaltungsbehörde vorher mit der für die Erlaubnis zuständigen Straßenverkehrsbehörde (vergleiche Art. 4 des Gesetzes über Zuständigkeiten im Verkehrswesen) ins Benehmen zu setzen.
19.3.2
Die Erlaubnisbehörde hat durch entsprechende Maßnahmen, Auflagen oder Bedingungen sicherzustellen, dass die folgenden allgemeinen Grundsätze eingehalten werden:
19.3.2.1
1Auf das Erholungs- und Ruhebedürfnis der Bevölkerung ist besondere Rücksicht zu nehmen. 2Was die Errichtung und den Betrieb von Anlagen anbelangt, regelt das Bundes-Immissionsschutzgesetz den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, wozu auch der Schutz vor Lärm gehört. 3Konkretisierungen sind zum Beispiel in der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) enthalten. 4Für Sportanlagen enthält die Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) Sonderregelungen. 5Die jeweils einzuhaltenden Immissionsrichtwerte variieren je nach Situation (Gebietstyp, Tag oder Nacht, et cetera). 6Findet die Veranstaltung innerhalb beziehungsweise auf einer genehmigungsbedürftigen Anlage im Sinn von § 4 in Verbindung mit § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG statt (zum Beispiel eine Renn- oder Teststrecke für Kraftfahrzeuge gemäß Nr. 10.17 des Anhangs 1 zur Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen – 4. BImSchV), so ist der Lärmschutz gemäß § 5 Abs. 1 BImSchG sicherzustellen. 7Bei Veranstaltungen, die auf einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage im Sinn des Bundes-Immissionsschutzgesetzes stattfinden, ist ausreichender Lärmschutz gemäß § 22 BImSchG sicherzustellen. 8Können die gesetzlichen Vorgaben nicht gewährleistet werden, so ist die Erlaubnis nach Art. 19 Abs. 4 zu versagen. 9Die ortsübliche Zeit des Hauptgottesdienstes nach Art. 2 Abs. 2, 4 Satz 1 FTG ist zu berücksichtigen. 10Ergänzend wird auf die sinngemäß geltenden Grundsätze in Abschnitt A Nr. V der VwV zu § 29 Abs. 2 StVO hingewiesen.
19.3.2.2
1Der Veranstalter haftet nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften für Schäden, die durch die Veranstaltung verursacht werden, insbesondere für Schäden, die Leitern, Ordnern, Teilnehmern oder Zuschauern als Personenschaden oder Sachschaden (auch an öffentlichen Gegenständen) erwachsen. 2Der Veranstalter haftet nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften weiter für Schäden, die durch die Veranstaltung oder aus Anlass ihrer Durchführung entstehen, insbesondere für Flurschäden. 3Er hat hierfür eine Veranstaltungs-Haftpflichtversicherung abzuschließen (vergleiche Abschnitt A Nr. V.9 der VwV zu § 29 Abs. 2 StVO).
19.3.2.3
Für das Erlaubnisverfahren bei motorsportlichen Veranstaltungen ist ergänzend zu dem sinngemäß geltenden Abschnitt A Nr. VI der VwV zu § 29 Abs. 2 StVO Folgendes zu beachten:
  • Neben der Polizei sind, soweit erforderlich, Feuerwehr, Rettungsdienste, Naturschutzbehörden und gegebenenfalls weitere Behörden und öffentliche Stellen, deren Zuständigkeit berührt wird, zu hören.
  • Forderungen der gehörten Stellen sind grundsätzlich im Erlaubnisbescheid durch entsprechende Bedingungen und Auflagen zu berücksichtigen. Den beteiligten Stellen ist ein Abdruck des Erlaubnisbescheids zu übersenden.
  • Die an der Veranstaltung teilnehmenden Fahrzeuge sollen vor dem Start grundsätzlich von einem Sachverständigen überprüft werden.
  • Bei Geschicklichkeitsprüfungen für Kraftfahrer, zum Beispiel nach der Aachener Turnierordnung, soll im Allgemeinen kein Nachweis einer Versicherung gefordert werden.
19.4
Im Übrigen trifft die Erlaubnisbehörde im Einzelfall die Anordnungen, die für einen sicheren Ablauf der Veranstaltung erforderlich sind.
19.5
1Je nach Art der Veranstaltung ist für ausreichenden Brandschutz und Sanitätsdienst zu sorgen. 2Eine größere Anzahl von Zuschauern oder Teilnehmern kann sanitäre Einrichtungen oder private Bewachungsdienste erforderlich machen.
19.6
Bei den Anzeige- und Genehmigungspflichten ist Art. 12 zu berücksichtigen, vergleiche hierzu Nr. 12.1 ff.

20.Staatliche Parkanlagen

20.1
1Staatliche Parkanlagen sind Grünanlagen und Grünflächen, die im Eigentum des Freistaates Bayern stehen und von der Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen verwaltet werden (Legaldefinition in Art. 20 Abs. 1). 2Sie sind öffentliche Einrichtungen im Sinn von Art. 21 GO. 3Art. 20 Abs. 1 Satz 1 ermächtigt das Staatsministerium der Finanzen und für Heimat zum Erlass von sogenannten Parkanlagenverordnungen. 4Das Staatsministerium der Finanzen und für Heimat kann die Verordnungsermächtigung auf die Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen übertragen (vergleiche § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen. 5Gemäß Art. 20 Abs. 1 Satz 4 obliegt der Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen der Vollzug der Anlagenverordnungen.
20.2
1Art. 20 Abs. 2 räumt dem Staatsministerium der Finanzen und für Heimat und der Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen die Befugnis ein, Verstöße gegen Parkanlagenverordnungen durch Anordnungen für den Einzelfall zu verhüten. 2Da es sich beim Staatsministerium der Finanzen und für Heimat und der Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen nicht um allgemeine Sicherheitsbehörden im Sinn von Art. 6 handelt, ist der Rückgriff auf die sicherheitsrechtliche Generalklausel des Art. 7 gesperrt.

21.Unerlaubter Verkehr mit Verwahrten

21.1
Unbefugt im Sinn von Art. 21 handelt, wer keine Erlaubnis hat, mit dem auf behördliche Anordnung Verwahrten zu verkehren oder wer seine diesbezügliche Befugnis überschreitet.
21.2
Verwahrte sind Personen, die sich insbesondere aufgrund folgender Vorschriften in behördlichem Gewahrsam befinden:
  • Ordnungshaft im Zivil- oder Verwaltungsprozess (§ 178 des Gerichtsverfassungsgesetzes),
  • Zwangshaft (§ 888 der Zivilprozessordnung),
  • Abschiebungshaft (§§ 62, 62a des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG), Ausreisegewahrsam (§ 62b AufenthG) und ergänzende Vorbereitungshaft (§ 62c AufenthG),
  • Unterbringungsanordnung (Art. 5 BayPsychKHG),
  • polizeilicher Gewahrsam (Art. 17, 18, 13 Abs. 2 Satz 3, Art. 14 Abs. 7, Art. 15 Abs. 3 PAG),
  • Inobhutnahme von Kindern oder Jugendlichen mit freiheitsentziehenden Maßnahmen (§§ 42, 42a des Achten Buches Sozialgesetzbuch).
21.3
Für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach Art. 21 ist gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 ZustV in Verbindung mit Art. 3 LStVG in Verbindung mit § 35 OWiG grundsätzlich diejenige Verwaltungsbehörde zuständig, der der Vollzug der Rechtsvorschrift obliegt, gegen die sich die Zuwiderhandlung richtet.

22.Notzeichen

Auf die Verordnung über öffentliche Schallzeichen wird hingewiesen.

23.Menschenansammlungen

23.1
1Eine Ansammlung im Sinn von Art. 23 ist ein Zusammentreffen einer größeren Anzahl von Menschen im Freien oder in geschlossenen Räumen. 2Unerheblich ist dabei, ob die Ansammlung zufällig oder vorbereitet stattfindet und welchen Anlass oder Grund sie hat. 3Im Gegensatz zu einer Versammlung im Sinn des Bayerischen Versammlungsgesetzes ist eine gemeinschaftliche Meinungsbildung oder -äußerung in einer bestimmten öffentlichen Angelegenheit nicht erforderlich.
23.2
Art. 23 ist nicht anzuwenden, wenn Veranstaltungen durch besondere Vorschriften abschließend geregelt sind (zum Beispiel Veranstaltungen nach § 24 LuftVG, Volksfeste, die nach § 60b Abs. 2 in Verbindung mit § 69 Abs. 1 GewO festgesetzt wurden).
23.3
1Art. 23 hat gegenüber Art. 19 selbstständige Bedeutung. 2Verordnungen nach Art. 23 kommen vor allem für öffentliche Veranstaltungen in Betracht, die keine Vergnügungen im Sinn von Art. 19 sind, aber auch für Vergnügungen, die nach Art. 19 Abs. 2 von der Anzeigepflicht befreit sind.
23.4
1Sind Veranstaltungen durch andere Vorschriften nicht abschließend geregelt, so ist Art. 23 anzuwenden, soweit nach den anderen Vorschriften die in Abs. 1 genannten Gefahren nicht verhütet werden können. 2Für Menschenansammlungen auf öffentlichem Verkehrsgrund gilt demnach Art. 23 nur, wenn Gefahren verhütet werden sollen, die das Straßenverkehrsrecht nicht berücksichtigt.

23a.Uniform- und politisches Kennzeichenverbot

1Das Uniformierungsverbot des Art. 23a gilt nach seinem Wortlaut nur außerhalb von Versammlungen. 2Im Rahmen einer Versammlung im Sinn von Art. 2 Abs. 1 BayVersG greift das Uniformierungsverbot des Art. 7 Nr. 1 BayVersG. 3Ein Tragen gleichartiger Kleidungsstücke als Ausdruck gemeinsamer politischer Gesinnung liegt nur vor, wenn das Auftreten in derartigen Kleidungsstücken nach den Gesamtumständen geeignet ist, eine suggestiv-militante, einschüchternde Wirkung gegenüber anderen zu erzielen. 4Das ist der Fall, wenn durch das Tragen der einheitlichen Kleidungsstücke der Eindruck entstehen kann, dass die Kommunikation im Sinn eines freien Meinungsaustausches abgebrochen und die eigene Ansicht notfalls gewaltsam durchgesetzt werden soll (vergleiche BGH, Urteil vom 11. Januar 2018, Az. 3 StR 427/17 zu § 3 des Versammlungsgesetzes).

23b.Verbot der Gesichtsverhüllung

1Das geltende Recht kennt ein strafbewehrtes Vermummungsverbot während der Teilnahme an Versammlungen oder sonstigen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel oder auf dem Weg dorthin (Art. 20 Abs. 2 Nr. 6 in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 Nr. 1 BayVersG). 2Es bezieht sich allerdings nur auf die genannten Veranstaltungen. 3Doch auch über diesen Tatbestand hinaus gibt es Fallgestaltungen, in denen es von erheblicher Bedeutung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist, dass Polizei und Sicherheitsbehörden Personen jederzeit sicher identifizieren und individualisieren können. 4Dies gilt insbesondere für den Bereich der Vergnügungen nach Art. 19 und Menschenansammlungen nach Art. 23. 5Hier gilt es im besonderen Maße, den Gemeinden klare Befugnisse an die Hand zu geben, die es ihnen ermöglichen, zum Schutz der in Art. 23b Abs. 1 Satz 1 genannten Rechtsgüter anlass- und ortsbezogene Regelungen zu treffen. 6Dies bezweckt Satz 1. 7Dadurch können die Gemeinden (und, soweit im Rahmen des Art. 19 zuständig, auch die Kreisverwaltungsbehörden, siehe Art. 23b Abs. 1 Satz 2) in Verordnungen und Anordnungen zu Vergnügungen und Menschenansammlungen, soweit erforderlich, in rechtssicherer Weise auch ein Verhüllungsverbot aufnehmen (vergleiche LT-Drs. 17/16131, S. 11). 8Die Gesetzesbegründung zu Art. 23b enthält keine nähere Definition, wann von einer Gesichtsverhüllung ausgegangen werden kann. 9Eine gesichtsverhüllende Verschleierung liegt etwa vor im Falle des Tragens eines Niqabs (vergleiche BayVGH, Beschluss vom 22. April 2014, Az. 7 C 13.2593).

24.Ski- und Skibobfahren, Rodeln

24.1
1Art. 24 unterscheidet zwischen Hauptabfahrten, die durch Verordnung der Gemeinde gemäß Abs. 1 hierzu erklärt worden sind, und sonstigen Abfahrten; das Gleiche gilt für Skiwanderwege (Loipen) und Rodelbahnen. 2Ob eine Gemeinde eine Abfahrt zu einer Hauptskiabfahrt erklärt, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. 3Die allgemeine Verkehrssicherungspflicht für präparierte Pisten oder gespurte Loipen bleibt hiervon unberührt.
24.2
1Unter Gefahren im Sinn von Art. 24 Abs. 2 sind zum Beispiel Vereisungen der Abfahrt, Lawinengefahr, Steinschlaggefahr, durch Sturm gefällte Bäume oder durch menschliche Handlungen (Baumaßnahmen, Holzabfuhr) verursachte Zustände zu verstehen. 2Die öffentlich-rechtliche Verkehrssicherungspflicht der Gemeinde reicht hier allerdings nur so weit, als die Gefahrenlage für die Gemeinde vorhersehbar und die Untersagung oder Beschränkung des Sportbetriebs zumutbar ist. 3Sonstige wichtige Gründe sind unter anderem das Präparieren der Abfahrtsstrecke und die Schonung der Strecke für bevorstehende Sportveranstaltungen.
24.3
Zum Skifahren, Skibobfahren und Rodeln auf öffentlichem Verkehrsgrund wird auf die Straßenverkehrs-Ordnung verwiesen (vergleiche §§ 1, 24 Abs. 1, § 31 StVO).
24.4
Zur Kennzeichnung nach Art. 24 Abs. 3 Nr. 2 wird auf die Verordnung über die Kennzeichnung der Skiabfahrten, Skiwanderwege und Rodelbahnen und auf die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern über Skiabfahrten, Skiwanderwege und Rodelbahnen, motorisierte Schneefahrzeuge und Sicherheit auf Skiabfahrten und Skiwanderwegen hingewiesen.
24.5
1Die Gemeinden haben die Möglichkeit, Anordnungen für den Einzelfall zu treffen (Art. 24 Abs. 2 Satz 1) und den Sportbetrieb auf einer Hauptabfahrt oder auf einer sonstigen Skiabfahrt, Rodelbahn oder einem Skiwanderweg vorübergehend zu untersagen oder zu beschränken, wenn es zur Verhütung von Gefahren oder sonst aus wichtigen Gründen erforderlich ist. 2Hierdurch kann die Sperrung von Skipisten für den Sportbetrieb während der Zeiten der Pistenpräparierung mit Geltung sogar für die ganze Skisaison angeordnet werden. 3Durch die Pistenpräparierung entstehen auf der Skiabfahrt gefährliche Hindernisse, die eine konkrete Gefahr im Sinn des Art. 24 Abs. 2 Satz 1 für die Sporttreibenden begründen (vergleiche VG München, Beschluss vom 19. März 2014, Az. M 22 S 13.5901). 4Ein selektiver Ausschluss einer Variante des Sportbetriebs, zum Beispiel das aufsteigende Pistenbenutzen (Tourengeher), ist hingegen nicht von der Ermächtigungsnorm des Art. 24 Abs. 2 Satz 1 gedeckt (vergleiche BayVGH, Urteil vom 21. November 2013, Az. 14 BV 13.487). 5Die Einzelfallanordnung muss sich auf den gesamten Sportbetrieb erstrecken.

25.Zelten, Aufstellen von Wohnwagen

25.1
1Campingplätze sind nach Art. 25 Abs. 1 Plätze, die zum Aufstellen und Bewohnen von mehr als drei Zelten oder Wohnwagen bestimmt sind. 2Darunter fallen neben besonders hergerichteten oder der Allgemeinheit zur Verfügung gestellten Plätzen auch solche, auf denen in größerer Zahl Zelte und/oder Wohnwagen zur bestimmungsgemäßen Verwendung aufgestellt werden. 3Es ist dabei ohne Bedeutung, ob sich die Plätze auf staatlichen, gemeindlichen oder privaten Grundstücken befinden. 4Betrieb im Sinn von Art. 25 Abs. 1 umfasst die Betreuung des Platzes, die Festlegung der Belegungsdichte, die Instandhaltung und Reinigung der sanitären Anlagen sowie auch die Abfallbeseitigung und den Brandschutz. 5Der Unternehmer kann auch verpflichtet werden, für Aufsicht und geordnete Zustände zu sorgen. 6Unter Benutzung sind die Zulassung zum Platz, das Abstellen von Fahrzeugen und sonstige Ordnungsregeln für die Zeltenden und die Benutzer der Wohnwagen zu verstehen. 7Wohnwagen sind Fahrzeuge, die besondere Einrichtungen zum Übernachten besitzen. 8Dabei kann es sich um Kraftfahrzeuge oder Anhänger handeln, die entsprechend ausgestattet und dazu bestimmt sind, das Wohnen und Schlafen im Wagen zu ermöglichen.
25.2
1Einer gemeindlichen Erlaubnis bedürfen solche Campingplätze nicht, für die eine Genehmigung nach der Bayerischen Bauordnung erforderlich ist. 2Campingplätze sind bauliche Anlagen (Art. 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BayBO) und daher grundsätzlich genehmigungspflichtig (Art. 55 Abs. 1 BayBO). 3Keiner Baugenehmigung bedürfen nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. f BayBO Zeltlager, die ersichtlich nur gelegentlich und für kurze Zeit, höchstens zwei Monate, errichtet werden. 4Häufigster Anwendungsfall der Erlaubnis nach Art. 25 Abs. 2 ist damit das aus mehr als drei Zelten bestehende Zeltlager, das für einen Zeitraum von bis zu zwei Monaten errichtet wird.
25.3
1Stellt ein Campingplatz einen Eingriff im Sinn des § 14 Abs. 1 BNatSchG dar, hat die Gemeinde auch §§ 15 und 17 BNatSchG in Verbindung mit den Vorschriften der Bayerischen Kompensationsverordnung zu beachten. 2Die gemeindliche Erlaubnis kann die naturschutzrechtlichen Gestattungen nach Art. 18, 23 Abs. 3, Art. 34 BayNatSchG und § 34 Abs. 3 bis 5, § 67 BNatSchG in Verbindung mit Art. 56 BayNatSchG ersetzen.
25.4
Folgende Vorschriften sind gegenüber Art. 25 vorrangig:
  • Vorschriften der Bayerischen Bauordnung über genehmigungspflichtige bauliche Anlagen,
  • § 28 Abs. 1 in Verbindung mit § 69 Abs. 1 Nr. 2 KrWG,
  • § 51 des Wasserhaushaltsgesetzes, Art. 31, 32 und 33 BayWG,
  • §§ 3, 14 ff. BNatSchG, Art. 31 und 57 BayNatSchG sowie Schutzgebietsvorschriften, einstweilige Sicherstellungen und Veränderungssperren aufgrund des Naturschutzrechts,
  • §§ 37 ff., § 69 BNatSchG,
  • § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG,
  • §§ 38 bis 40 des Bundesjagdgesetzes, Art. 44, 45 des Bayerischen Jagdgesetzes (BayJG),
  • Art. 66 des Bayerischen Fischereigesetzes,
  • Art. 17, 46 Abs. 4 Nr. 3 des Bayerischen Waldgesetzes (BayWaldG),
  • § 3 VVB.

26.Betreten und Befahren von Grundstücken

1Verordnungen nach Art. 26 gelten auch für die Eigentümer und Besitzer der betroffenen Grundstücke. 2Auf Art. 16 PAG (Platzverweisung durch die Polizei) und Art. 9 Abs. 2 POG (Weisungsrecht der Sicherheitsbehörden) wird hingewiesen. 3Das naturschutzrechtliche Betretungsrecht gemäß Art. 26 ff. BayNatSchG kann gemäß Art. 31 BayNatSchG eingeschränkt werden.

27.Baden, Betreten und Befahren von Eisflächen

27.1
Baden im Sinn von Art. 27 Abs. 1 ist nur das Wasserbaden, nicht das Luftbaden.
27.2
Art. 27 Abs. 2 umfasst auch das öffentliche Luft- und Sonnenbaden.
27.3
1Zum Gemeingebrauch an oberirdischen Gewässern gehört auch das Baden, vergleiche Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayWG. 2Der Gemeingebrauch kann nach Art. 18 Abs. 3 BayWG unter anderem durch Verordnung der Kreisverwaltungsbehörde näher geregelt, beschränkt und auch verboten werden, und zwar nicht nur zum Schutz von Leben und Gesundheit. 3Eine Gemeinde kann die Benutzung einer gemeindeeigenen Badeanstalt auch gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO durch eine bewehrte Satzung regeln und eine solche Satzung könnte auch weitere Verbote enthalten. 4Zur Umsetzung der Richtlinie 2006/7/EG wurde die Bayerische Badegewässerverordnung (BayBadeGewV) erlassen. 5Vgl. unter anderem die Bewirtschaftungsmaßnahmemöglichkeit der Kreisverwaltungsbehörde bei Massenvermehrung von Cyanobakterien (Blaualgen) im Sinn von § 8 BayBadeGewV.
27.4
Sicherheitsvorkehrungen im Sinn von Art. 27 Abs. 2 sind Maßnahmen oder Einrichtungen zum Schutz von Leben oder Gesundheit der Badenden oder des Personals der Badeanstalten, insbesondere Regelungen über die Beaufsichtigung des Badebetriebs durch geprüfte Schwimmmeister oder andere dafür ausgebildete Personen (zum Beispiel Mitglieder der Wasserwacht).

28.Öffentliche Anschläge

28.1
1Art. 28 bezieht sich auf Anschläge, die nicht gewerblichen oder beruflichen Zwecken dienen, sowie auf nicht ortsfeste Anschläge (vergleiche Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayBO). 2Werden Plakate mit einer baulichen Anlage oder einem Baum fest verbunden (zum Beispiel angeklebt), so sind sie ortsfest. 3Wird ein „an sich“ bewegliches Fahrzeug so abgestellt, dass es wie eine ortsfeste Werbeanlage benutzt wird, also eine gleichartige Funktion erfüllt, fällt es auch unter die Bayerische Bauordnung (vergleiche BayObLG, Beschluss vom 31. Juli 1997, Az. 3 ObOWi 77/97). 4Transparente, Plakate und Plakattafeln mit politischem Inhalt fallen unter Art. 28. 5Die Gemeinden können zum Schutz der Rechtsgüter des Art. 28 das Anbringen durch Verordnung beschränken (Abs. 1) oder deren Beseitigung durch Einzelanordnung verfügen (Abs. 3). 6Die Verordnung nach Abs. 1 kann auf das gesamte Ortsgebiet erstreckt werden, es kann aber auch lediglich ein Ortsteil geschützt werden. 7Die zulässigen Anschläge können auf bestimmte Flächen beschränkt und im Übrigen verboten werden. 8Dabei müssen die zulässigen Standorte durch Aufzählung oder Hinweis auf die Standorte anhand einer Karte bezeichnet werden. 9Durch Beschränkungen dürfen öffentliche Anschläge nicht überhaupt unmöglich gemacht werden, ebenso ist ein vollständiges Verbot unzulässig (vergleiche VG München, Beschluss vom 26. Mai 2006, Az. 22 E 06.1484). 10Wegen der Anschläge auf öffentlichem Verkehrsgrund wird auf § 33 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 StVO verwiesen.
28.2
1In Verordnungen nach Art. 28 muss von Verfassungs wegen der Werbung für politische Parteien, Wählergruppen, Volksbegehren, Volksentscheide, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide genügend Raum gegeben werden. 2Auf die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern über Werbung auf öffentlichen Straßen aus Anlass von allgemeinen Wahlen, Volksbegehren, Volksentscheiden, Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden vom 13. Februar 2013 (AllMBl. S. 52, 139) wird hingewiesen.
28.3
Zum Begriff der Naturdenkmäler wird auf § 28 BNatSchG und zum Begriff der Kunst- und Kulturdenkmäler auf Art. 1 des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes hingewiesen.

29.Fliegende Verkaufsanlagen

1Der Regelungsbereich des Art. 29 ist auf Orte außerhalb öffentlicher Straßen, Wege und Plätze beschränkt. 2Für fliegende Verkaufsanlagen, die auf öffentlichem Verkehrsgrund stehen, gilt § 33 Abs. 1 Nr. 2 StVO. 3Das Aufstellen fliegender Verkaufsanlagen kann durch Verordnung oder Einzelanordnung der Gemeinde nach Art. 29 Abs. 1 nur an bestimmten Orten verboten werden. 4Ein sich auf das gesamte Gemeindegebiet erstreckendes Verbot ist unzulässig (vergleiche BayVerfGH, Urteil vom 10. März 1981, Az. Vf. 16-VII-79, Vf. 17-VII-79, Vf. 18-VII-79). 5In Fällen, in denen die Verordnung fliegende Verkaufsanlagen generell verbietet, hat sie einen Anspruch auf die Erteilung einer (Ausnahme-)Erlaubnis vorzusehen, wenn im Einzelfall eine Beeinträchtigung der durch Art. 29 und die darauf fußende Verordnung geschützten Rechtsgüter nicht zu befürchten ist (vergleiche BayVGH, Beschluss vom 2. Juni 1986, Az. 21 N 85 A 402).

30.Konsum von alkoholischen Getränken und Cannabisprodukten auf öffentlichen Flächen

30.1
1Durch das PAG-Neuordnungsgesetz vom 18. Mai 2018 (GVBl. S. 301) wurde Art. 30 abgeändert. 2Die zuvor in Art. 30 Abs. 1 a. F. vorgesehene Beschränkung des möglichen zeitlichen Geltungsbereichs einer Alkoholverbotsverordnung auf den Zeitraum von 22 Uhr bis 6 Uhr ist entfallen (LT-Drs. 17/20425, S. 100). 3Mit dem Bayerischen Cannabisfolgenbegrenzungsgesetz vom 23. Juli 2024 (GVBl. S. 254) wurde die bestehende Vorschrift des Art. 30 um den Konsum von Cannabisprodukten erweitert.
30.2
1Gemäß Abs. 1 Satz 1 kann das Konsumverbot von alkoholischen Getränken und Cannabisprodukten nur auf bestimmten öffentlichen Flächen erlassen werden. 2Auf das gesamte Gemeindegebiet darf das Verbot nicht erstreckt werden (vergleiche Weißenberger, BayVBl. 2014, 488).
30.3
1Es obliegt den Gemeinden, unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes den konkreten Umfang von Verboten des Konsums alkoholischer Getränke und von Cannabisprodukten festzulegen. 2Hierbei sind zahlreiche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die von Gemeinde zu Gemeinde differieren können. 3Unter Berücksichtigung der im konkreten Fall bestehenden Gefahrenlage sind das Ausgeh- und Freizeitverhalten der Bevölkerung einerseits und der Schutz der Bevölkerung vor Straftaten (insbesondere gegen Leben, Gesundheit und Eigentum) und Ordnungswidrigkeiten (zum Beispiel Vermüllung und Belästigung der Allgemeinheit) von erheblicher Bedeutung andererseits in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. 4Wie beim Alkoholverbot gilt, dass Erkenntnisse auf der Grundlage belastbarer Erhebungen die Annahme rechtfertigen müssen, dass an den in der Verordnung bezeichneten Orten aufgrund Cannabiskonsums oder in Kombination mit dem übermäßigen Konsum von Alkohol (sogenannter Mischkonsum) regelmäßig, das heißt nicht nur vereinzelt oder gelegentlich, Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten begangen werden (vergleiche LT-Drs. 19/2073, S. 13). 5Die Gemeinden sind gefordert, die Belastung des weit überwiegenden Teils der Bevölkerung, der keine alkoholbedingten Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung begeht, möglichst gering zu halten (vergleiche LT-Drs. 16/15831, S. 4). 6Gleiches gilt entsprechend für den Konsum von Cannabisprodukten.
30.4
1Im Gegensatz zu dem Konsum von Alkohol kommt es nicht auf den übermäßigen Konsum von Cannabis an. 2Auch der einfache Konsum von Cannabisprodukten kann unvorhergesehene Auswirkungen verursachen, wie zum Beispiel Angst, Panik oder Überempfindlichkeit (vergleiche LT-Drs. 19/2073, S. 13).

31.Gifte, Giftwaren, Arzneien

31.1
1Mit dem Erlass der Gefahrstoffverordnung durch den Bund ist die auf Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 und 2 beruhende Giftverordnung außer Kraft getreten. 2Aufgrund der zu Giften umfassenden bundesrechtlichen Regelungen bleibt kaum ein denkbarer Anwendungsbereich für die Regelungen des Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 und 2 (BeckOK PolR Bayern/Münkler, 24. Ed. 1. März 2024, LStVG, Art. 31 Rn. 2 und 5).
31.2
1In der Gefahrstoffverordnung und der Chemikalien-Verbotsverordnung sind umfassende Regelungen zu giftigen und gesundheitsschädlichen Stoffen zu finden. 2An Stelle des in Art. 31 verwendeten Begriffs „Arzneien“ ist heute der Begriff „Arzneimittel“ (vergleiche § 2 des Arzneimittelgesetzes) üblich. 3Gifte und Giftfertigwaren sind gefährliche Stoffe, die durch ihre chemische oder chemisch-physikalische Beschaffenheit geeignet sind, gesundheitsschädigende Wirkungen hervorzurufen.
31.3
Bundesrechtliche Vorschriften im Sinn vom Art. 31 Abs. 1 sind insbesondere:
  • § 56 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GewO,
  • Arzneimittelgesetz,
  • Tiergesundheitsgesetz,
  • Heilmittelwerbegesetz,
  • Apothekengesetz,
  • Betäubungsmittelgesetz.

32.Hochgiftige Stoffe

1Bundesrechtliche Vorschriften im Sinn von Art. 32 Abs. 3 sind das Pflanzenschutzgesetz sowie das Chemikaliengesetz (ChemG). 2Ein Anwendungsbereich für Art. 32 Abs. 1 und 2 dürfte darüber hinaus nicht mehr gegeben sein.

33.Überwachung

1Art. 33 verpflichtet den Betriebseigentümer oder den sonst für den Betrieb Verantwortlichen, unabhängig davon, ob es sich um eine natürliche oder juristische Person handelt, zur Auskunft und zur Duldung von Untersuchungen auf dem Betriebsgelände. 2Der Anwendungsbereich des Art. 33 dürfte nur noch für Fälle des Art. 38 Abs. 5 in Bezug auf die Überwachung von brandgefährdeten Anlagen und Objekten eröffnet sein (BeckOK PolR Bayern/Münkler, 24. Ed. 1. März 2024, LStVG, Art. 33 Rn. 8).

34.(nicht besetzt)

35.(nicht besetzt)

36.(nicht besetzt)

37.Halten gefährlicher Tiere

37.1
Halterbegriff

1Bei der Bestimmung des Halterbegriffs ist eine Orientierung an der zivil- und tierschutzrechtlichen Rechtsprechung (vergleiche § 833 BGB und § 2 TierSchG) sowie an der sicherheitsrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit (Art. 9) angezeigt. 2Danach ist maßgeblich darauf abzustellen, wer (zumindest für eine gewisse Zeitdauer) die tatsächliche Verfügungs- und Bestimmungsmacht über das Tier ausübt. 3Auch der Nichteigentümer des Tieres kann demnach (auch) Halter sein.

37.2
Gefährliche Tiere wildlebender Arten

1Wildlebend sind alle Tierarten, die üblicherweise nicht in menschlicher Obhut gehalten werden. 2Gefährlich sind solche Tiere, wenn der Umgang mit ihnen wegen der ihnen eigentümlichen Veranlagungen oder Verhaltensweisen zu Verletzungen oder Schäden führen kann (zum Beispiel Löwen, Tiger, Bären, große oder giftige Schlangen). 3Auf die spezifische Eigenschaft des einzelnen Tieres (Gutmütigkeit, Gezähmtheit) kommt es für die Begründung der Erlaubnispflicht nicht an. 4Das Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration gibt in Abstimmung mit dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz in regelmäßigen Abständen eine Beispielsliste heraus, die die Einordnung von gehaltenen Tieren erleichtert. 5Soweit die Tiere in einem Tiergehege gehalten werden, sind ergänzend die Vorschriften des Bayerischen Naturschutzgesetzes und der Art. 23 bis 25 BayJG zu beachten. 6Für eine Versagung aufgrund anderer Vorschriften kommen insbesondere die §§ 2 und 3 TierSchG sowie Rechtsverordnungen aufgrund von § 2a Abs. 1 TierSchG in Betracht. 7Besonders zu beachten ist die Einhaltung der artenschutzrechtlichen Vorschriften, da eine Reihe gefährlicher Tiere zugleich besonders geschützt sind und damit Zutritts-, Besitz-, Vermarktungs- und sonstigen Verkehrsverboten sowie Nachweispflichten bezüglich ihrer Herkunft unterliegen. 8Besonders hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die §§ 44 ff. BNatSchG, auf die Bundesartenschutzverordnung und auf die (unmittelbar geltende) Verordnung (EG) Nr. 338/97. 9Die Anwendung des Art. 37 kann neben arten- und tierschutzrechtlichen Vorschriften stehen, die in der Vollzugszuständigkeit der Veterinärbehörden liegen. 10Bei der Veranstaltung einer nichtgewerbsmäßigen öffentlichen Tierschau sind Art. 19 sowie die oben genannten artenschutzrechtlichen Vorschriften zu beachten.

37.3
Kampfhunde
37.3.1
Kampfhundebegriff
37.3.1.1
1Die Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit (BayHundAggressV) bestimmt, für welche Rassen, Kreuzungen und sonstige Gruppen von Hunden die Eigenschaft als gesteigert aggressiv und gefährlich vermutet wird. 2Eine nähere Beschreibung enthält die Anlage. 3Als gesteigert aggressiv und gefährlich sind Hunde anzusehen, die permanent jede sich bietende Gelegenheit wahrnehmen, um zu raufen und/oder zu wildern und/oder nahezu bei jeder Belastungs-, Stress- oder Reizsituation Menschen attackieren (zum Beispiel auch anspringen) und dabei den Gehorsam verweigern. 4In der Regel steht dieses Verhalten im Zusammenhang mit geringem oder fehlendem Drohverhalten und einem zunehmenden Verlust der Beißhemmung.
37.3.1.2
1In den Fällen des § 1 Abs. 1 BayHundAggressV gilt die Vermutung unwiderlegbar. 2Bei den in § 1 Abs. 2 BayHundAggressV genannten Rassen wird die Eigenschaft als Kampfhunde widerlegbar vermutet. 3Die Vermutung ist widerlegt, wenn für die einzelnen Hunde der zuständigen Behörde gegenüber nachgewiesen wird, dass diese keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweisen. 4In den Fällen des § 1 Abs. 3 BayHundAggressV hat die Gemeinde im Einzelfall zu prüfen, ob der Hund aufgrund seiner Ausbildung (zum Beispiel für das Bewachungsgewerbe) eine gesteigerte, das heißt über die natürliche Veranlagung hinausgehende Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweist. 5Auf Nr. 37a.2 wird hingewiesen. 6Brauchbare Jagdhunde sind in aller Regel keine Kampfhunde.
37.3.1.3
1In der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit ist bestimmt, dass auch Kreuzungen der betreffenden Hunderassen untereinander oder mit anderen Rassen als gesteigert aggressiv und gefährlich gelten. 2Sind die Elterntiere des konkreten Tieres nicht bekannt, so kann die Rasse durch einen Sachverständigen gegebenenfalls nach dem Äußeren (Phänotyp) bestimmt werden. 3Ist dies nicht zuverlässig möglich, kann ein Hund nur einer Rasse zugeordnet werden, wenn folgende drei Zuordnungskriterien gleichzeitig erfüllt sind: Phänotyp, Wesen, Bewegungsablauf. 4Entscheidend ist dabei die Beurteilung, ob das Tier das Verhalten zeigt, das für die Einstufung einer bestimmten Rasse als Kampfhund maßgeblich war.
37.3.1.4
1Soweit die Elterntiere bekannt und reinrassig sind, ist zu beachten, dass es aus genetischen Gründen in der Regel nur sinnvoll ist, die Nachkommen bis zur F1-Generation als von der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit erfasste Kreuzungen zu behandeln. 2Bei neu hinzugekommenen Kreuzungsrassen, wie beispielsweise dem American Bully, dem Alauntbull, dem Exotic Bully, dem Alba Bull, ist die Tatsache, dass die Rasse nicht in der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit genannt wird, nicht ausreichend, um die Kampfhundezugehörigkeit zu widerlegen. 3Da diese Kreuzungsrassen aufgrund der wiederholten Einkreuzung von Kampfhunderassen im Phänotyp und/oder Wesen den Kampfhunderassen ähneln, wird eine Rassebestimmung durch einen Hundesachverständigen in jedem Einzelfall empfohlen.
37.3.1.5
1Eine alleinige Gen-Analyse zur Rassenzuordnung ist nicht hilfreich, da eine eindeutige genetische Zuordnung von vielen verschiedenen Faktoren (zum Beispiel Bandbreite körperlicher und genetischer Merkmale einer Rasse, der als Vergleichsbasis verwendete Genpool kann stark variieren) abhängig und derzeit kaum möglich ist. 2Eine Gen-Analyse kann zur Unterstützung einer Rassebestimmung allerdings sinnvoll sein.
37.3.2
Wesenstest

1Die Darlegungs- und Beweislast, dass das konkrete Tier keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweist (§ 1 Abs. 2 BayHundAggressV), trägt der Halter. 2Führt der Halter den Nachweis nicht, besteht für die Haltung des Tieres Erlaubnispflicht; die Gemeinde kann auf Basis des Art. 37 nicht vorschreiben, dass ein Gutachten eingeholt werden muss. 3Dieser Nachweis kann durch die Vorlage eines Gutachtens (Wesenstest) einer für das Hundewesen sachverständigen Person erfolgen, durch die neben der Gefährlichkeit des Hundes auch die zur Vermeidung von Gefahren erforderliche Sachkunde des Halters zu überprüfen ist. 4Im Vorfeld kann die Gemeinde den Halter bei der Auswahl des Hundesachverständigen unterstützen. 5Grundsätzlich kann auch die Vorlage eines von einer deutschen Rettungshundeorganisation (zum Beispiel Rotes Kreuz, Technisches Hilfswerk, Arbeiter-Samariter-Bund, Malteser Hilfsdienst, Johanniter-Unfall-Hilfe, Bundesverband Rettungshunde) ausgestellten Ausbildungsnachweisheftes für Rettungshunde oder einer Rettungshundeplakette die Kampfhundeeigenschaft widerlegen. 6Aus Altersgründen aus dem Rettungsdienst ausgeschiedene Hunde stehen den aktiven gleich. 7Entsprechendes gilt für geprüfte Blindenführhunde. 8Eine bestandene Begleithundeprüfung ist als bloße Sportprüfung nicht mit einem Wesenstest vergleichbar.

37.3.3
Person des Sachverständigen

1Ein Sachverständiger darf nicht die Besorgnis einer Befangenheit begründen und muss die zur Wesensbeurteilung von gefährlichen Hunden erforderlichen Fachkenntnisse besitzen. 2Hiervon ist auszugehen, wenn die Person nach früherem Recht zum Sachverständigen durch eine Regierung öffentlich bestellt und vereidigt worden ist oder wenn er beispielsweise als Tierarzt, Hundeführer der Polizei oder Richter aus dem Hundesport seine Fachkenntnisse durch Nachweise oder sonstige Zertifizierungen über die Teilnahme an entsprechenden Aus-, Fort- oder Weiterbildungen (etwa durch die Bayerische Landestierärztekammer) belegt. 3Die Fachkenntnisse sind bei Fachtierärzten für Verhaltenskunde und bei Tierärzten anzunehmen, die die Zusatzbezeichnung „Verhaltenstherapie“ erworben haben. 4Hingegen reicht die Teilnahme am Seminar „Hundeführerschein“ der Bayerischen Landestierärztekammer nicht aus. 5Bei öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ist in regelmäßigen Abständen zu prüfen, ob die Bestellung (gegebenenfalls durch die Industrie- und Handelskammern) widerrufen wurde.

37.3.4
Anforderungen an das Gutachten

Grundsätzlich muss ein Sachverständigengutachten mindestens folgende Aussagen enthalten:

a)
Formelle Aspekte
  • Datum der Erstellung des Gutachtens,
  • Datum, Dauer und Ort(e) der Untersuchung,
  • Name und Anschrift des Halters sowie Bezeichnung der Personen, die vom Halter mit der Betreuung des Hundes beauftragt sind,
  • Beschreibung des Hundes (Rasse, Geburtsdatum, Geschlecht, gegebenenfalls Abstammung, Name, Farbe, Abzeichen), Identitätssicherung (Tätowierung, Chip),
  • Ort(e), an dem/denen der Hund überwiegend gehalten wird (Halteranwesen),
  • Ergebnis der Überprüfung: „Das Tier wird als ein/kein Hund mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit beurteilt.“
b)
Inhaltliche Aspekte (Regelfall)
  • Ereignisse, die die Verhaltensentwicklung des Hundes seit Eintritt der Geschlechtsreife beeinflusst haben (unter anderem Ausbildungsstand, abgelegte Prüfungen, Auffälligkeiten, Sicherheitsstörungen),
  • Verwendungszweck des Hundes,
  • Beschaffenheit des Halteranwesens (Einzäunung, freie oder Zwingerhaltung) und sonstige für die Entwicklung der Wesensart relevante Haltungsumstände,
  • Verhalten des Hundes gegenüber fremden Personen im Halteranwesen,
  • Verhalten des Hundes gegenüber fremden Personen außerhalb des Halteranwesens (zum Beispiel Kinder, Radfahrer und Jogger) und im Straßenverkehr angeleint (und/oder frei laufend) in bekannter und unbekannter Umgebung,
  • Reaktion des Hundes auf Kommandos angeleint und/oder frei laufend,
  • Leinenführigkeit,
  • Verhalten des Hundes gegenüber anderen Hunden und Tieren angeleint (und/oder frei laufend),
  • Verhalten des Hundes bei ihm unbekannten optischen und akustischen Reizen,
  • Verhalten des Hundes gegenüber dem Halter und den sonstigen Betreuungspersonen in verschiedenen Situationen,
  • Empfehlungen für das weitere Halten und Führen des Hundes; diese stellen für die Behörden eine wertvolle Hilfe dar bei ihrer Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche Einzelanordnungen im konkreten Fall auszusprechen sind (etwa Haltung in einem ausbruchsicheren Grundstück beziehungsweise Zwinger; Leinenzwang in bewohnten Bereichen, kein unbeaufsichtigter Aufenthalt im Halteranwesen et cetera).
c)
Ausnahmen

1In begründeten Einzelfällen kann von den vorstehenden (Mindest-)Anforderungen abgewichen werden. 2Abweichungen sind beispielsweise möglich bei der Vorgabe, den Hund im Halteranwesen zu überprüfen, wenn nach Aussage des Sachverständigen eine abschließende Bewertung des Territorialverhaltens des Hundes auch anderweitig durchgeführt werden konnte. 3Insoweit gilt Folgendes:

  • Bei Hunden, die ausschließlich oder überwiegend im Halteranwesen gehalten werden und nicht beziehungsweise nur ausnahmsweise ausgeführt werden, ist stets eine Überprüfung im Halteranwesen erforderlich.
  • Bei Hunden, die regelmäßig ausgeführt und an andere Orte mitgenommen werden, ist die Beurteilung unter verschiedenen Reizlagen und Situationen des täglichen Lebens ausreichend (zum Beispiel Verhalten im Verkehr; Begegnung mit Radfahrern, Joggern, Kindern, älteren oder gehbehinderten Menschen, anderen Hunden). In diesem Fall muss im Gutachten eine nachvollziehbare Bewertung des Territorialverhaltens des Hundes im heimischen Bereich enthalten sein.
  • Die gleichzeitige Überprüfung von mehr als zwei Hunden erfüllt die Anforderungen an eine sorgfältige Begutachtung nicht. Ebenfalls ungeeignet ist die ausschließliche Überprüfung auf Hundesportplätzen.
37.3.5
Umgang der Gemeinde mit einem Gutachten

1Ob die mit dem Wesenstest beabsichtige Widerlegung der Vermutung nach § 1 Abs. 2 BayHundAggressV gelungen ist, hat die Gemeinde zu beurteilen. 2Ist sie nach Vorlage des Gutachtens in begründbarer Weise nicht davon überzeugt, dass der Hund keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweist, geht dies zulasten des Hundehalters. 3Bei der Prüfung eines Gutachtens beteiligt die Gemeinde stets das Veterinäramt.

37.3.6
Negativzeugnis

1Hält die Gemeinde den Nachweis für erbracht, stellt sie auf Antrag hierüber eine Bescheinigung aus, aus der hervorgehen muss, dass die Haltung des Hundes keiner Erlaubnis nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 bedarf (Negativzeugnis). 2Bei einem etwaigen Halterwechsel verliert ein Negativzeugnis nicht seine Gültigkeit, da dies nicht zwingend zu einer Wesensänderung des Hundes führt. 3Es hängt vom Inhalt des bisherigen Gutachtens ab, ob es in Betracht kommt, einen Halterwechsel zum Anlass zu nehmen, eine erneute Begutachtung anzuordnen. 4Für den Fall, dass bereits aufgrund des Wesenstests bestimmte Auflagen zum Führen oder Halten des Hundes vorgeschrieben wurden, ist bei einem Halterwechsel eine erneute Begutachtung des Hundes, seiner neuen Bezugsperson und Lebensumgebung angezeigt. 5Die Vorlage eines Führungszeugnisses ist keine Voraussetzung für die Erteilung eines Negativzeugnisses. 6Für den Inhalt der Bescheinigung gilt Nr. 37.3.4 entsprechend.

37.3.7
Negativzeugnis bei jungen Hunden

1Bei jungen Hunden im Sinn des § 1 Abs. 2 BayHundAggressV können gesicherte Aussagen hinsichtlich des Vorliegens einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit im Sinn des Art. 37 Abs. 1 in der Regel erst ab einem Alter von etwa 18 Monaten getroffen werden. 2Es ist folgendes Verfahren veranlasst: 3Die Gemeinde stellt ein befristetes Negativzeugnis aus. 4Dabei ist zum Ausdruck zu bringen, dass der verfahrensgegenständliche Hund derzeit nicht als Kampfhund einzustufen sei, aber wegen der noch nicht überschaubaren Entwicklung eine Begutachtung zu einem bestimmten Termin für erforderlich gehalten werde. 5Die Formulierung „gilt bis ... nicht als Kampfhund“ sollte dabei vermieden werden. 6Im jeweiligen Einzelfall sollte das zuständige Veterinäramt eingeschaltet werden.

37.3.8
Sonstige Vorschriften

1Auf das Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz und auf die Hundeverbringungs- und -einfuhrverordnung wird hingewiesen. 2Mangels spezieller gesetzlicher Zuständigkeitsregelung sind in Bayern die Sicherheitsbehörden gemäß Art. 6 für den Vollzug sachlich zuständig. 3Nach dem Subsidiaritätsprinzip sind dies bei der Anwendung des Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetzes und der Hundeverbringungs- und -einfuhrverordnung in der Regel die Gemeinden. 4Gegebenenfalls können die Veterinärbehörden dabei unterstützen. 5Die Anwendung des Art. 37 wird durch eine Haltererlaubnis nach § 11 TierSchG nicht verdrängt. 6Beide Vorschriften sind nebeneinander anwendbar.

37.4
Erlaubniserteilung für Kampfhunde oder gefährliche Tiere wildlebender Arten
37.4.1
Berechtigtes Interesse
37.4.1.1
1Das Tatbestandsmerkmal „berechtigtes Interesse“ ist streng zu handhaben, um zu gewährleisten, dass die Haltung von gefährlichen Tieren oder Kampfhunden auf wenige Ausnahmetatbestände beschränkt und somit die Zahl der genehmigten Haltungen – auch im Interesse eines effektiven Vollzugs – gering bleibt. 2Ein reines „Liebhaberinteresse“ genügt daher nicht. 3Ein berechtigtes Interesse kann nach diesen Maßgaben im Einzelfall wissenschaftlicher, wirtschaftlicher oder gegebenenfalls sonstiger persönlicher Art sein.
37.4.1.2
1Ein berechtigtes Interesse zur Haltung von Kampfhunden kann bei Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen zum Zweck der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder bei Bewachungsunternehmen und bei Besitzern gefährdeter Grundstücke vorliegen. 2Die Gefährdung eines Besitztums kann sich insbesondere aus seiner Lage ergeben. 3Eine gegebenenfalls erteilte Erlaubnis berechtigt nicht die Mitarbeiter des Bewachungsunternehmens, die Tiere außerhalb des betrieblichen Einsatzes zu halten.
37.4.1.3
1Die sogenannte „tierschützerische Aufnahme“ insbesondere eines der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit unterliegenden Hundes, der nicht aufgrund seiner Gefährlichkeit dem Halter weggenommen werden musste, durch eine besonders ausgesuchte und geeignete Person, die nicht mit dem früheren Halter identisch sein darf, kann ein berechtigtes Interesse im Sinn des Art. 37 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 begründen. 2Diesen Anforderungen genügt eine Person, die lediglich ein Liebhaberinteresse an dem betreffenden Tier hat, nicht. 3Geeignete Personen könnten etwa Hundesachverständige oder Polizeihundeführer sowie in Ausnahmefällen Personen, die über langjährige Erfahrungen aufgrund einer legalen Haltung von Kampfhunden ohne Beanstandungen verfügen, sein. 4Im Rahmen der Beurteilung können im Einzelfall auch die jeweiligen örtlichen Verhältnisse und Lebensumstände der Person eine Rolle spielen.
37.4.1.4
1Der Zuzug nach Bayern mit einem in einem anderen Land legal gehaltenen Kampfhund oder gefährlichen Tier wildlebender Art begründet grundsätzlich kein berechtigtes Interesse. 2Bei Zuzug von alten und/oder kranken Tieren, bei denen aufgrund ihres körperlichen Zustandes zu vermuten ist, dass sie ungeachtet der Rassezugehörigkeit keine Gefahr für Menschen oder Tiere darstellen können, ist eine „tierschützerische Aufnahme“ auch beim bisherigen Halter als Begründung des berechtigten Interesses denkbar.
37.4.1.5
1Der Wunsch, mit der Haltung oder einem hierauf gestützten Handel von gefährlichen Tieren Geld zu verdienen (gleich ob haupt- oder nebengewerblich), kann ein wirtschaftliches Interesse für sich nicht begründen. 2Es ist mindestens erforderlich, dass für die Behörde eindeutig belegt ist, dass die gehaltenen Tiere in einer bestimmten Anzahl und in einem zeitlich sachgerechten Rahmen legal abgegeben werden können.
37.4.2
Zuverlässigkeit

1An die persönliche Eignung sind strenge Anforderungen zu stellen. 2Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Antragstellers sind dann gegeben, wenn dieser nicht ausreichend Gewähr dafür bietet, dass er im öffentlichen und im Nachbarschaftsinteresse für eine ordnungsgemäße, sichere und artgerechte Tierhaltung sorgt. 3Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht,

  • die wegen vorsätzlicher Begehung einer Straftat gegen das Leben oder die Gesundheit, der Vergewaltigung, der Zuhälterei, des Land- oder Hausfriedensbruchs, des Widerstands gegen die Staatsgewalt, einer gemeingefährlichen Straftat, einer Straftat gegen das Eigentum oder Vermögen von erheblicher Bedeutung rechtskräftig verurteilt worden sind,
  • die wegen Begehung einer nach dem Tierschutzgesetz, dem Waffengesetz, dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, dem Sprengstoffgesetz oder dem Bundesjagdgesetz strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt worden sind oder nur deshalb nicht verurteilt worden sind, weil sie zum Tatzeitpunkt schuldunfähig waren oder dies nicht auszuschließen war; eine Verurteilung bleibt in der Regel außer Betracht, wenn der Eintritt der Rechtskraft länger als drei Jahre zurückliegt; in die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Antragsteller auf behördliche oder richterliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist,
  • denen Geldbußen wegen Ordnungswidrigkeiten nach dem Tierschutzgesetz oder der Bundesartenschutzverordnung auferlegt worden sind; eine Ahndung bleibt in der Regel außer Betracht, wenn der Eintritt der Bestandskraft oder Rechtskraft länger als zwei Jahre zurückliegt,
  • die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften der Art. 18, 37, 37a oder eines der in Nr. 37.2 genannten Gesetze und der hierauf beruhenden Verordnungen verstoßen haben,
  • die geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind,
  • die betreut werden (§ 1896 BGB),
  • die keinen festen Wohnsitz nachweisen können,
  • die minderjährig sind,
  • die trunksüchtig, rauschmittelsüchtig, geisteskrank oder geistesschwach sind,
  • die nach ihren körperlichen Kräften zur Führung des Tieres ungeeignet sind,
  • die wiederholt Tiere an Personen, die zu einer Haltung nicht berechtigt sind, abgegeben haben.

4Zum Nachweis der Zuverlässigkeit und Eignung des Tierhalters kann die Vorlage eines Führungszeugnisses und eines Sachverständigengutachtens (Art. 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BayVwVfG) verlangt werden.

37.4.3
Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz

1Bei der Prüfung, ob und inwieweit der Erlaubniserteilung Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz entgegenstehen, ist ein strenger Maßstab anzulegen. 2Die Tiere müssen ihrer potenziellen Gefährlichkeit entsprechend gehalten und beaufsichtigt werden. 3Andererseits müssen die Erfordernisse einer artgerechten Tierhaltung erfüllt sein. 4An die Haltung mehrerer Tiere sind besonders hohe Anforderungen zu stellen.

37.4.4
Inhalt der Erlaubnis

1Der Erlaubnisbescheid soll neben den Personalien des Halters auch Angaben über Art, Rasse beziehungsweise Kreuzung, Geschlecht und Geburtsdatum oder Alter des Tieres sowie erforderlichenfalls eine nähere Beschreibung seines Aussehens enthalten. 2Falls eine Kennzeichnung (zum Beispiel Mikrochip, Tätowierung) am Tier vorhanden ist oder durch Nebenbestimmung vorgeschrieben wird (vergleiche zur Kennzeichnungspflicht bei Kampfhunden Nr. 37.4.5.3), soll auch deren Inhalt aufgenommen werden. 3Wird ein Antrag auf Erteilung der Erlaubnis zur Haltung mehrerer Tiere gestellt, können die Erlaubnisse in einem Bescheid zusammengefasst werden.

37.4.5
Nebenbestimmungen
37.4.5.1
1Mit der Erlaubnis können vollziehbare Nebenbestimmungen verbunden werden (Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG). 2Durch Nebenbestimmungen für die Haltung von gefährlichen Tieren wildlebender Arten ist insbesondere den verschiedenen Formen der Tierhaltung und der Art der Tiere Rechnung zu tragen. 3Bei der Festlegung sicherer Haltungsvorgaben, insbesondere zum ausbruchsicheren Haltungsort oder den gebotenen Haltungsmodalitäten, sollen die Veterinärbehörden, bei Betroffenheit artengeschützter Tiere zudem die unteren Naturschutzbehörden beteiligt werden. 4Für das Halten in Tierhandlungen und auf Tierbörsen soll in Nebenbestimmungen dem Antragsteller vorgeschrieben werden, die Tierhaltungseinrichtungen mit der aktuellen deutschen und lateinischen Bezeichnung der Tierart, bei Reptilien zusätzlich mit der erreichbaren Endgröße des Tieres zu beschriften und dort einen Hinweis auf die Erlaubnispflicht nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 anzubringen.
37.4.5.2
Wird die Haltung von giftigen Tieren erlaubt, soll regelmäßig angeordnet werden, die Tierhaltungseinrichtungen mit der deutschen und lateinischen Bezeichnung der Tierart zu beschriften, an den Tierhaltungseinrichtungen von außen bedienbare Absperrmöglichkeiten (Schlupfkasten, Wechselkäfig und Ähnliches) vorzusehen, die notwendigen Hilfsmittel (Greifzange, Metallhaken, Schutzschild, Augenschutz und Ähnliches) verfügbar zu halten, alle Öffnungen und Durchbrüche im Aufbewahrungsraum (Abflüsse, Rohre, Kabelschächte, Fenster und Ähnliches) so zu sichern, dass ausgebrochene Tiere den Raum nicht verlassen können, und einen Notfallplan an gut sichtbarer Stelle aufzuhängen, dem sich insbesondere das Vorgehen bei einem Unfall, die Telefonnummern von Polizei, Feuerwehr und Kreisverwaltungsbehörde sowie die Bezugsquelle für ein erforderliches Serum entnehmen lassen.
37.4.5.3
1Die Erlaubnis kann ferner mit der Auflage verbunden werden, das Tier in geeigneter und eindeutiger Weise zu kennzeichnen. 2Hunde und deren Kreuzungen, die § 1 Abs. 1, 2 und 3 BayHundAggressV unterliegen, sind grundsätzlich mittels eines Mikrochips eindeutig zu kennzeichnen.
37.4.5.4
1Bei Kampfhunden ist regelmäßig die Auflage anzuordnen, dass sie außerhalb des eingefriedeten Besitztums an der Leine zu führen sind. 2Zusätzlich ist in der Regel die Anordnung eines Maulkorbzwangs erforderlich. 3Die Anleinpflicht ist regelmäßig nicht ausreichend zum Schutz vor den Gefahren, die von Kampfhunden ausgehen (Losreißen, Attacke auf eine Person, die sich im Radius der Leine bewegt). 4Die Erlaubnis zur Haltung eines gefährlichen Hundes soll die vollziehbare Auflage enthalten, dass der Hund außer vom Antragsteller nur von bestimmten, namentlich zu benennenden, hierfür geeigneten Personen geführt werden darf (gegebenenfalls ist hierfür die im Rahmen einer Begutachtung gewonnene Erkenntnis zum Verhalten des Hundes gegenüber sonstigen Betreuungspersonen in verschiedenen Situationen zu berücksichtigen, vergleiche Nr. 37.3.4 Buchst. b). 5Das Mitführen des Erlaubnisbescheids kann vorgeschrieben werden.
37.4.5.5
1Regelmäßig soll für die Haltung von Kampfhunden und gefährlichen Tieren wildlebender Arten von der in Art. 37 Abs. 2 Satz 2 eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, in einer Nebenbestimmung (Art. 36 BayVwVfG) die Haltungserlaubnis vom Nachweis des Bestehens einer besonderen Haftpflichtversicherung abhängig zu machen, die eine Mindestversicherungssumme von 1 Million Euro für Personenschäden und 0,25 Millionen Euro für Sachschäden vorsieht. 2Der Nachweis des Bestehens einer besonderen Haftpflichtversicherung kann durch Vorlage einer formlosen Bescheinigung des Versicherungsunternehmens geführt werden. 3Die Vorlage der Police genügt hierzu in der Regel nicht.
37.5
Bußgeldvorschriften

Folgende Bußgeldvorschriften sind neben Art. 37 Abs. 4 insbesondere zu beachten:

  • § 121 OWiG,
  • § 11 in Verbindung mit § 18 Abs. 1 Nr. 20 TierSchG,
  • § 28 in Verbindung mit § 49 Abs. 2 Nr. 3 und 4 StVO.

37a.Zucht und Ausbildung von Kampfhunden

37a.1
1Die Kreisverwaltungsbehörden überwachen unter Mitwirkung der Veterinärämter das Verbot der Züchtung und Kreuzung von Kampfhunden. 2Welche Rassen, Kreuzungen und sonstigen Gruppen von Hunden Kampfhunde im Sinn des Art. 37a Abs. 1 sind, bestimmt sich nach der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit. 3In § 1 Abs. 1 BayHundAggressV sind Hunde aufgeführt, bei denen stets von einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit auszugehen ist. 4Für diese Hunde gilt das Zuchtverbot ausnahmslos. 5Das Zuchtverbot gilt auch für Hunde, die in § 1 Abs. 2 BayHundAggressV aufgeführt sind. 6Es gilt nicht, wenn für die Zuchttiere die Vermutung der Eigenschaft als Kampfhunde nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 BayHundAggressV widerlegt ist. 7Dies kann durch Vorlage eines Negativzeugnisses für die Haltung nach Nr. 37.3.6 geschehen.
37a.2
1Art. 37a Abs. 2 unterwirft die Ausbildung von Hunden mit dem Ziel einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren einer Erlaubnispflicht. 2Die Ausbildung (Schutzhundesport), wie sie nach den internationalen Regeln der Fédération Cynologique Internationale (FCI) für Gebrauchshunde nach den Reglements IPO und Mondioring durchgeführt wird, wird hiervon nicht erfasst. 3Das Scharfmachen von Hunden, wie es zum Beispiel im Zivilschutzdienst erfolgt, unterliegt hingegen der Erlaubnispflicht. 4Unter Scharfmachen ist auch eine Ausbildung zu verstehen, bei der der Hund lernt, einen Angriff durch sofortiges festes Zugreifen ohne Rücksicht auf eine sichtbare Schutzkleidung der angreifenden Person zu vereiteln. 5Von einer Erlaubnis nach Art. 37a Abs. 2 bleiben nach anderen Vorschriften erforderliche Erlaubnisse unberührt (vergleiche § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 8 TierSchG).
37a.3
1Die Erlaubnis zur Ausbildung ist personenbezogen; sie bezieht sich nicht auf den jeweils auszubildenden Hund. 2Der Erlaubnisvorbehalt soll sicherstellen, dass der Bedarf an entsprechend ausgebildeten Hunden für besondere Bewachungszwecke auch weiterhin gedeckt werden kann. 3Für Kampfhunde im Sinn des § 1 Abs. 1 und 2 BayHundAggressV ist eine Erlaubnis zur Ausbildung nicht zu erteilen. 4Die erforderliche Sachkunde besitzt in der Regel, wer eine mehrjährige Erfahrung in der Ausbildung von Kampfhunden nachweist und ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit ihnen besitzt. 5Zum Nachweis dieser Voraussetzungen kann die Kreisverwaltungsbehörde die Ablegung einer Prüfung vor einem beamteten Tierarzt verlangen. 6Dieser kann als weiteren Sachkundigen einen zum Leistungsrichter im Polizeidiensthundewesen bestellten Beamten der Bayerischen Polizei hinzuziehen.
37a.4
Zur Prüfung der Zuverlässigkeit des Antragstellers wird auf Nr. 37.4.2 hingewiesen.
37a.5
1Mit der Erlaubnis können vollziehbare Nebenbestimmungen (Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG) verbunden werden. 2Während der Ausbildung ist insbesondere eine verhaltensgerechte und ausbruchsichere Unterbringung der Hunde zu gewährleisten. 3Die Zahl der gleichzeitig auszubildenden Hunde kann beschränkt werden, soweit es erforderlich ist, um Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz auszuschließen. 4Die Erlaubnis kann die vollziehbare Auflage enthalten, das Ausbildungsgelände nach außen mit deutlich sichtbaren Warntafeln zu versehen. 5Die Erlaubnis kann vom Nachweis einer besonderen Haftpflichtversicherung abhängig gemacht werden. 6Dem Ausbilder ist aufzugeben, ein Ausbildungsbuch zu führen und dieses auf Verlangen der Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen. 7Das Ausbildungsbuch muss Angaben über die einzelnen ausgebildeten Hunde (Art, Rasse beziehungsweise Kreuzung, Geschlecht, Geburtsdatum oder Alter, nähere Beschreibung des Aussehens, Kennzeichnung) sowie die Personalien derjenigen Personen enthalten, an welche die ausgebildeten Tiere abgegeben werden. 8Der Zweck der Ausbildung ist im Ausbildungsbuch kurz zu schildern (zum Beispiel Schutz des Einödhofs).

38.Verhütung von Bränden

38.1
Bei der Anwendung des Art. 38 sind die folgenden Punkte zu beachten:
38.1.1
Zum Feuer im Sinn des Art. 38 Abs. 3 Nr. 1 gehören auch brennende Zündhölzer, Zigaretten usw.
38.1.2
Brennstoffe sind feste, flüssige oder gasförmige brennbare Stoffe, die dazu bestimmt sind, Wärme durch Verbrennung zu erzeugen.
38.1.3
Brandgefährlich sind insbesondere brennbare Stoffe, ferner Stoffe, die sich selbst erwärmen und dadurch zu Brandgefahren führen können oder bei denen bei einem Brand die Entstehung gefährlicher Zersetzungsprodukte oder gefährlichen Rauchs möglich ist.
38.1.4
Brandgefährliche Anlagen im Sinn von Art. 38 Abs. 3 Nr. 3 sind insbesondere technische Einrichtungen (Betriebsstätten, Maschinen und sonstige Geräte), in denen brandgefährliche Stoffe hergestellt, verarbeitet, verwendet, gelagert, befördert oder vertrieben werden oder in denen durch andere Vorgänge Brände oder Explosionen entstehen können.
38.1.5
1Unter anderen Schutzmaßnahmen im Sinn von Art. 38 Abs. 3 Nr. 4 sind Maßnahmen zu verstehen, die der Verhütung oder Bekämpfung von Bränden dienen und in Art. 38 nicht bereits ausdrücklich genannt sind. 2Dazu gehören neben Verhaltensweisen und organisatorischen Maßnahmen auch technische Einrichtungen und Geräte, deren Zulassung, Überprüfung, Bereithaltung, Instandhaltung und Verwendung geregelt werden können.
38.2
Bundesrechtliche Vorschriften im Sinn von Art. 38 sind insbesondere:
  • Bundes-Immissionsschutzgesetz,
  • Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen (1. BImSchV),
  • Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV),
  • Störfall-Verordnung (12. BImSchV),
  • Chemikaliengesetz,
  • Schornsteinfeger-Handwerksgesetz,
  • Kehr- und Überprüfungsordnung,
  • Produktsicherheitsgesetz,
  • Gesetz über überwachungsbedürftige Anlagen,
  • Betriebssicherheitsverordnung,
  • Verordnung über elektrische Betriebsmittel (1. ProdSV),
  • Explosionsschutzprodukteverordnung (11. ProdSV),
  • Arbeitsstättenverordnung,
  • Gefahrstoffverordnung,
  • Energiewirtschaftsgesetz,
  • Verordnung über brennbare Flüssigkeiten,
  • Gashochdruckleitungsverordnung.
38.3
Besondere landesrechtliche Vorschriften im Sinn von Art. 38 sind insbesondere:
  • Bayerische Bauordnung (BayBO),
  • Feuerungsverordnung (FeuV),
  • Bayerisches Feuerwehrgesetz (BayFwG),
  • Feuerwehrgesetzausführungsverordnung (AVBayFwG),
  • Bayerisches Waldgesetz (BayWaldG),
  • Bayerische Bergverordnung (BayBergV).
38.4
Auf Art. 38 ganz oder teilweise gestützt, wurden insbesondere folgende Verordnungen erlassen:
  • Verordnung über die Feuerbeschau (FBV),
  • Verordnung über die Verhütung von Bränden (VVB),
  • Garagen- und Stellplatzverordnung (GaStellV),
  • Versammlungsstättenverordnung (VStättV),
  • Bayerische Verkaufsstättenverodnung (BayVkV).
38.5
1Art. 38 Abs. 3 Nr. 1 gibt den Gemeinden die Befugnis, durch Verordnung zu regeln, wo Feuer oder offenes Licht nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen verwendet werden darf. 2Die Verwendung kann auch von einer Erlaubnis abhängig gemacht werden. 3Daneben sind Vorschriften über das Verhalten und die Aufsicht bei der Verwendung von Feuer und offenem Licht möglich.

39.(nicht besetzt)

40.Weidefrevel

1Vieh im Sinn von Art. 40 sind alle nutzbaren Haustiere, die man gewöhnlich weiden lässt, wie Pferde, Rinder, Esel, Schweine, Ziegen und Schafe. 2Unter Hausgeflügel sind vor allem Gänse, Enten, Hühner und Truthühner zu verstehen, nicht aber Tauben. 3Weiden ist das Verweilen von Vieh und Hausgeflügel in Feld und Flur, um an Ort und Stelle Futter zu suchen. 4Fremde Grundstücke sind solche, die sich nicht im Eigentum dessen befinden, der weiden lässt. 5Unbefugt handelt, wer ohne zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Befugnis handelt oder seine Befugnis überschreitet. 6Hinsichtlich des nicht unter Art. 40 fallenden Forstweidefrevels wird auf Art. 46 Abs. 3 BayWaldG hingewiesen.

41.Feldgefährdung

1Fremdes Eigentum im Sinn von Art. 41 sind insbesondere Grundstücke, Saat- und Pflanzengut, Pflanzen, Frucht und Ernte. 2Saatzeit im Sinn von Art. 41 Abs. 1 Nr. 2 ist die Zeit der Frühjahrs- und Herbstaussaat. 3Die Erntezeit wird entweder per Verordnung durch die Gemeinde oder den Landkreis bestimmt, Art. 41 Abs. 2, oder sie ist in der Regel von Juli bis September anzunehmen, für späte Früchte auch noch Oktober bis November. 4Bestellt im Sinn von Art. 41 Abs. 1 Nr. 3 sind Grundstücke, solange sie besät oder bepflanzt sind; beendet ist die Ernte nach Abschluss der Jahresernte. 5Abgraben und Abpflügen im Sinn von Art. 41 Abs. 1 Nr. 4 ist eine Veränderung der Oberfläche, die eine Verringerung der Nutzfläche des Grundstücks zur Folge hat. 6Sofern ein Grenzstein dabei versetzt wird, ist § 274 Abs. 1 Nr. 3 StGB zu beachten. 7Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung gemäß §§ 13 ff. BNatSchG und naturschutzrechtliche Schutzgebietsvorschriften sind zu beachten.

42.Verordnungen der Gemeinden, Landkreise und Bezirke

42.1
1Der Vierte Teil des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes gilt unmittelbar auch für Verordnungen, die nicht auf diesem Gesetz beruhen, soweit nicht Bundesrecht entgegensteht oder Landesgesetze etwas anderes bestimmen. 2Der Vierte Teil stellt somit den „Allgemeinen Teil“ des Verordnungsrechts dar.
42.2
Die Überschrift der Verordnungen soll erkennen lassen, wer sie erlassen hat und was der Gegenstand der Verordnung ist, zum Beispiel „Verordnung der Gemeinde X über das Betreten und Befahren von Grundstücken“ oder „Verordnung der Stadt Y über öffentliche Anschläge“.
42.3
Gilt eine Verordnung eines Landkreises oder eines Bezirks nur in einer oder in wenigen Gemeinden, so sollte zweckmäßigerweise die Überschrift bereits auf den örtlichen Geltungsbereich hinweisen, zum Beispiel „Verordnung des Landkreises X über das Aufstellen von Wohnwagen in den Gemeinden Y und Z“.
42.4
Ist eine Verordnung dringlich (Art. 42 Abs. 2), so wird darauf nicht in der Überschrift hingewiesen, sondern der Vorschrift über das Inkrafttreten folgender Satz vorangestellt: „Diese Verordnung ist dringlich“.
42.5
1Dringlich ist eine Verordnung, wenn ihr sofortiger Erlass notwendig ist, um eine bestehende oder nach allgemeiner Lebenserfahrung mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintretende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und/oder Ordnung oder die nach der Zweckbestimmung der Vorschrift zu schützenden Rechtsgüter zu verhindern oder zu beseitigen. 2Der Erlass einer Verordnung duldet keinen Aufschub, wenn die Verhinderung oder Beseitigung der konkreten Gefahr durch den Zeitverlust bis zum nächstmöglichen Zusammentritt der Vertretungskörperschaft im Sinn von Art. 42 Abs. 1 ernstlich in Frage gestellt wäre. 3Auf Art. 51 Abs. 3 (Notbekanntmachung) wird in diesem Zusammenhang hingewiesen.
42.6
1Die Ausfertigung der Verordnungen obliegt in Gemeinden dem ersten Bürgermeister, in Landkreisen dem Landrat und in Bezirken dem Bezirkstagspräsidenten. 2Zur Ausfertigung gehört neben dem Text der Verordnung die Angabe von Ort und Datum sowie die Unterschrift des Unterzeichnenden mit seiner Dienststellung.

43.Vollzug der Verordnungen

43.1
1Art. 43 bestimmt für den Vollzug von Verordnungen, dass grundsätzlich die den Rechtssatz erlassende Behörde auch für dessen Vollzug zuständig ist. 2Damit ist die Verantwortung für Erlass und Vollzug einer Rechtsnorm im Rang unter dem Gesetz bei einer Körperschaft zusammengefasst.
43.2
1Verordnungen der Landkreise und Bezirke können aber den Vollzug durch die Gemeinden vorschreiben, um einen möglichst ortsnahen Vollzug sicherzustellen (Delegation des Vollzugs, vergleiche Art. 77 Abs. 2 BV). 2Verordnungen der Staatsministerien und der Staatsregierung sind grundsätzlich von den Landratsämtern und den kreisfreien Gemeinden zu vollziehen. 3Die Verordnung kann aber auch den Vollzug durch die Großen Kreisstädte (vergleiche die Verordnung über Aufgaben der Großen Kreisstädte) oder die Gemeinden, denen die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde übertragen sind (vergleiche Art. 53 Abs. 2 BayBO und § 5 der Zuständigkeitsverordnung im Bauwesen), oder die Regierungen vorsehen. 4Soweit eine solche Regelung in der Verordnung nicht getroffen wurde, verbleibt es bei der Vollzugskompetenz der Kreisverwaltungsbehörden.

44.Zuständigkeit verschiedener Behörden oder Stellen

44.1
Ist zum Erlass einer Verordnung neben dem Landkreis auch die Gemeinde ermächtigt, so sollen – außer bei Gefahr im Verzug – die Gemeinden angehört werden, bevor eine Verordnung des Landkreises beschlossen wird.
44.2
1Erforderlich ist eine einheitliche Regelung, wenn nur auf diese Weise ein vom Allgemeinwohl bestimmter Zweck erreicht werden kann. 2Eine einheitliche Regelung ist insbesondere dann erforderlich, wenn die für das Gebiet mehrerer ermächtigter Körperschaften zu treffenden Regelungen zusammenhängen oder auch unter Berücksichtigung ihrer praktischen Auswirkungen voneinander abhängen. 3Zweckmäßig ist eine einheitliche Regelung dann, wenn mehrere Behörden oder Stellen gleichlautende Verordnungen erlassen müssten.
44.3
1Hebt eine Verordnung des Landkreises oder Bezirks Verordnungen anderer Behörden oder Stellen auf, so soll sie die aufgehobenen Verordnungen im Einzelnen benennen. 2Ist das wegen der Zahl der aufzuhebenden Verordnungen nicht zweckmäßig, so soll die Verordnung die aufzuhebenden Verordnungen allgemein umschreiben, zum Beispiel „Die Verordnungen der Gemeinden des Landkreises X über ... werden aufgehoben“. 3Hebt eine Verordnung andere Verordnungen nur zum Teil auf, so sollen die geänderten Verordnungen alsbald neu erlassen werden.

45.Rechtmäßigkeit und Angabe der Rechtsgrundlage

1Die Angabe der besonderen Rechtsgrundlage gemäß Art. 45 Abs. 2 soll das ermächtigende Gesetz mit Datum und amtlicher Fundstelle und die einschlägige Einzelvorschrift möglichst genau (Artikel, Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe) benennen. 2Als Rechtsgrundlage sind nur die materiellen Ermächtigungsnormen und ergänzende Zuständigkeitsvorschriften anzugeben. 3Dazu gehören auch Art. 44 Abs. 2, Art. 46 Abs. 1 und Art. 49 Abs. 2, nicht jedoch die sonstigen Vorschriften der Art. 42 ff., auch nicht Straf- oder Bußgeldvorschriften.

46.Pflicht zum Erlass von Verordnungen (Selbsteintritt der Rechtsaufsichtsbehörde)

46.1
1Die Verordnung der Rechtsaufsichtsbehörde gemäß Art. 46 Abs. 1 muss im Einleitungssatz darauf hinweisen, dass diese Behörde anstelle einer Gebietskörperschaft die Verordnung erlässt, zum Beispiel „... erlässt das Landratsamt X anstelle der Gemeinde Y folgende ...“. 2In ihrer Überschrift sind solche Verordnungen als Verordnungen der erlassenden Behörde zu bezeichnen, zum Beispiel „Verordnung des Landratsamts X ...“.
46.2
1Aufforderungen im Sinn von Art. 46 Abs. 1 sollen schriftlich ergehen, wenn nicht Gefahr im Verzug besteht. 2Mündliche Aufforderungen sollen schriftlich bestätigt werden.
46.3
Zwingend erforderlich zum Wohl der Allgemeinheit ist eine Verordnung, wenn im Falle des Unterlassens erhebliche Belästigungen oder Gefahren für die Sicherheit eines größeren, unbestimmten Personenkreises zu erwarten wären.

47.(nicht besetzt)

48.Änderung und Aufhebung von Verordnungen

48.1
1Eine Änderung ist jede Veränderung des bestehenden Inhalts einer Verordnung. 2Wird eine Verordnung nur zum Teil aufgehoben, so ist das keine Aufhebung im Sinn von Art. 48, sondern eine Änderung. 3Art. 48 Satz 2 stellt klar, dass der Wegfall der gesetzlichen Ermächtigung nicht notwendig zur Ungültigkeit einer vorher rechtmäßig erlassenen Verordnung führt. 4Es kommt auf den Zweck der Gesetzesänderung im Einzelfall an. 5Vor allem ist eine Bußgeldbestimmung in der Verordnung nicht mehr anwendbar, wenn zugleich mit der Ermächtigung auch der gesetzliche Bußgeldtatbestand entfällt. 6Ob die erlassende Stelle von ihrer Aufhebungsbefugnis Gebrauch macht, steht in deren pflichtgemäßem Ermessen.
48.2
1Die Aufhebung oder Änderung einer Verordnung hat in der Form einer Verordnung zu erfolgen. 2Verordnungen, die ausschließlich eine andere Verordnung aufheben, sind als „Verordnung... zur Aufhebung der Verordnung...“, solche, die ausschließlich eine andere Verordnung ändern, als „Verordnung... zur Änderung der Verordnung...“ zu bezeichnen.

49.Allgemeine Aufsichtspflicht

Für Aufforderungen der Rechtsaufsichtsbehörde nach Art. 49 Abs. 1 gilt Nr. 46.2 entsprechend.

50.Geltungsdauer

50.1
Für die Berechnung der Frist des Art. 50 Abs. 1 Satz 1 gelten § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 BGB, für die Berechnung der Geltungsdauer einer Verordnung § 187 Abs. 2, §§ 188, 189 und 192 BGB entsprechend (vergleiche Art. 31 BayVwVfG).
50.2
1Die Verordnung muss den Zeitpunkt angeben, an dem sie in Kraft tritt. 2Dies erfolgt grundsätzlich durch die Festlegung eines bestimmten Datums durch den Verordnungsgeber. 3Der Verordnungsgeber kann darüber hinaus eine zusätzliche Uhrzeit angeben, was vor allem bei Notbekanntmachungen hilfreich sein kann. 4Soll in der Verordnung lediglich angegeben werden, dass sie einen bestimmten Zeitabschnitt nach der Bekanntmachung in Kraft tritt (zum Beispiel „einen Monat nach ihrer Bekanntmachung“), so muss das Druckwerk (zum Beispiel Amtsblatt), in dem die Verordnung amtlich bekannt gemacht wird, den Tag der Ausgabe ausdrücklich angeben. 5Wird der Zeitpunkt des Inkrafttretens nicht in der Verordnung bestimmt, tritt die Regelung nicht in Geltung.
50.3
Die Geltungsdauer der Verordnung muss nicht besonders angegeben werden, wenn sie sich bereits aus dem Inhalt der Verordnung zweifelsfrei ergibt.
50.4
Enthalten Verordnungen, die auf dem Bundesnaturschutzgesetz, dem Bayerischen Naturschutzgesetz oder dem Bayerischen Wassergesetz beruhen, eine Beschränkung ihrer Geltungsdauer, so soll diese Beschränkung durch Änderungsverordnung aufgehoben werden.
50.5
1Mit Ausnahme der in Art. 50 Abs. 3 genannten Vorschriften gelten bewehrte Verordnungen keinesfalls länger als 20 Jahre und müssen nach Ablauf dieses Zeitraums erforderlichenfalls neu erlassen werden (vergleiche Art. 60). 2Die Verlängerung der Geltungsdauer durch die Änderungsverordnung ist nicht möglich.
50.6
Unbewehrte Verordnungen treten zu dem in der Verordnung selbst bestimmten Zeitpunkt in Kraft und treten erst wieder außer Kraft, wenn sie förmlich aufgehoben werden.

51.Amtliche Bekanntmachung

51.1
1Die Behörde oder Stelle, die für den Erlass der Verordnung zuständig ist, macht die Verordnung auch amtlich bekannt. 2Für Mitgliedsgemeinden von Verwaltungsgemeinschaften handelt die Verwaltungsgemeinschaft, jedoch kann auch der erste Bürgermeister die Verordnung ausfertigen.
51.2
Für Verordnungen der Gemeinden gelten Art. 26 Abs. 2 GO und die Bayerische Verordnung zur Ausführung kommunalrechtlicher Vorschriften entsprechend.
51.3
Für Verordnungen der Landkreise und Landratsämter gilt Art. 20 Abs. 2 LKrO
51.4
Für Verordnungen der Bezirke und der Regierungen gilt Art. 19 Abs. 2 BezO.
51.5
Die grobe Umschreibung der Grenzen des Geltungsbereichs einer Verordnung gemäß Art. 51 Abs. 2 Satz 1 kann verbal oder durch Abdruck einer Karte erfolgen.
51.6
Anlässe für Notbekanntmachungen im Sinn von Art. 51 Abs. 3 können zum Beispiel die Verbreitung von giftigen Gasen, der Ausbruch einer sich stark ausbreitenden Infektionskrankheit mit hohen Erkrankungszahlen oder einer Seuche oder eines Flächenbrandes oder der Fund von Sprengmitteln bei Bauarbeiten sein.
51.7
1Im Fall der Notbekanntmachung (Art. 51 Abs. 3) muss der vollständige Wortlaut der Verordnung mitgeteilt werden. 2Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung auch in dem namentlich zu bezeichnenden Druckwerk (vergleiche die Nrn. 51.1 bis 51.4) veröffentlicht oder durch Niederlegung der Verordnung in der Verwaltung der Gemeinde bekannt gegeben wird, soweit der Wortlaut nicht bereits im Rahmen der Notbekanntmachung öffentlich und dauerhaft gesichert nachlesbar ist. 3Wird die Verordnung einer Gemeinde zunächst nur mündlich amtlich bekannt gemacht, so ist dabei auch darauf hinzuweisen, dass ihr Wortlaut in der Verwaltung der Gemeinde eingesehen werden kann.
51.8
Die Ausfertigung einer genehmigungspflichtigen Verordnung, die amtlich bekannt gemacht wird, darf kein Datum haben, das vor der Genehmigung liegt.

52.Hinweis auf die Bekanntmachung

52.1
Als Hinweis auf die Bekanntmachung einer Verordnung sind folgende Angaben erforderlich:
  • Überschrift und Datum der Verordnung,
  • namentliche Bezeichnung des Druckwerks, in dem die Verordnung amtlich bekannt gemacht worden ist, mit Datum, fortlaufender Seitenzahl oder Nummer,
  • Datum des Inkrafttretens der Verordnung,
  • Möglichkeit der Einsichtnahme in der Verwaltung der Gemeinde.
52.2
Zur Form der ortsüblichen Bekanntmachung vergleiche auch Art. 27 Abs. 2 GO.
52.3
Einsichtnahme in den Wortlaut ihrer Verordnungen ist von den Gemeinden während der allgemeinen Dienststunden der Gemeindeverwaltung zu ermöglichen.

53.Mitteilungen

53.1
Zur Mitteilung verpflichtet sind die Gemeinden für ihre Verordnungen und das Landratsamt für Verordnungen des Landkreises und des Landratsamts.
53.2
Örtliche Polizeidienststellen im Sinn von Art. 53 sind alle Dienststellen der Landespolizei, die für eine Gemeinde oder einen Landkreis örtlich zuständig sind (vergleiche die Verordnung zur Durchführung des Polizeiorganisationsgesetzes).

54.(nicht besetzt)

55.Verordnungsermächtigung für besondere Zuständigkeiten

55.1
1Die Regelung des Art. 55 Abs. 1 Satz 1 sieht eine Übertragung der Aufgaben im Bereich der Abwehr von Gefahren aus bergbaulichen Anlagen auf bestimmte besondere Behörden vor. 2Art. 55 Abs. 1 Satz 2 räumt den so bestimmten Behörden Befugnisse nach dem Landesstraf- und Verordnungsgesetz ein.
55.2
1Art. 55 Abs. 2 ermächtigt das Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration, durch Verordnung die zuständigen Behörden nach § 23 des Schornsteinfeger-Handwerksgesetzes zu bestimmen. 2Hiervon hat das Innenministerium durch die Schornsteinfegerzuständigkeitsverordnung entsprechend Gebrauch gemacht.

56.Zuständigkeit für gemeindefreie Gebiete

Art. 56 regelt allgemein die Zuständigkeit für gemeindefreie Gebiete und gilt auch für Erlaubnisse, Anordnungen, Maßnahmen und Anzeigen nach anderen Gesetzen.

57.(nicht besetzt)

58.(nicht besetzt)

59.(nicht besetzt)

60.Fortbestand alten Verordnungsrechts

60.1
1Art. 60 erklärt alle aufgrund früheren Rechts (das heißt vor Inkrafttreten des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes am 1. Januar 1957) erlassenen straf- oder bußgeldrechtlichen Vorschriften des Landesrechts unter dem Rang eines formellen Gesetzes für außer Kraft getreten, wenn seit ihrem Inkrafttreten zwanzig Jahre vergangen sind. 2Da seit Bestehen des Art. 60 mehr als 20 Jahre vergangen sind, spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass vor Inkrafttreten des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes erlassene Verordnungen außer Kraft getreten sind. 3Zusammen mit Art. 50 Abs. 2 hat Art. 60 Rechtsbereinigungscharakter. 4Bußgeldbewehrte Verordnungen sind grundsätzlich Zeitnormen mit dem Zwang für die erlassende Körperschaft, deren Notwendigkeit und Geeignetheit in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen.
60.2
Ausgenommen hiervon sind nur Verordnungen aufgrund bundesrechtlicher Ermächtigungen, Satzungen nach der Gemeindeordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung, Anordnungen durch amtliche Verkehrszeichen und Verordnungen nach dem Naturschutzrecht.

61.Einstweilige Vorschriften über die Stilllegung und Beseitigung von Anlagen und Geräten

61.1
1Anlagen im Sinn von Art. 61 sind ortsfeste und auf längere Dauer bestimmte sowie für kurze Zeit oder für einen einmaligen Anlass aufgestellte Einrichtungen (zum Beispiel Betriebsstätten, fest installierte Maschinen, sonstige technische Einrichtungen). 2Geräte sind bewegliche oder zur vorübergehenden Benutzung angebrachte unbewegliche Einrichtungen (zum Beispiel Maschinen, Elektrogeräte, Sportgeräte). 3Für bauliche Anlagen gelten die Vorschriften der Bayerischen Bauordnung.
61.2
1Im Sinn von Art. 61 Abs. 1 verwirklicht eine rechtswidrige Tat bereits dann den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit, wenn deren objektive Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. 2Verschulden beziehungsweise Vorwerfbarkeit ist hierzu nicht erforderlich. 3Etwaige Schuld- oder Strafausschließungsgründe stehen der Anordnung nicht entgegen.
61.3
Gefahr im Verzug im Sinn von Art. 61 Abs. 1 ist gegeben, wenn der mit einem Straf- oder Bußgeldverfahren verbundene Zeitverlust den Zweck der Maßnahme vereiteln würde.
61.4
Ein dringendes öffentliches Interesse an einem sofortigen Vollzug kann sich insbesondere daraus ergeben, dass durch sofortiges Einschreiten weitere gleichartige Zuwiderhandlungen verhindert werden sollen.
61.5
Die Unmöglichkeit, ein Straf- oder Bußgeldverfahren durchzuführen, kann sich aus rechtlichen (zum Beispiel Exterritorialität, Immunität, Verjährung, Amnestie) oder aus tatsächlichen Gründen (zum Beispiel Tod, Schuldunfähigkeit) ergeben.
61.6
1Die Zuwiderhandlung ist im Sinn von Art. 61 Abs. 1 rechtskräftig festgestellt, wenn ein Gericht deswegen durch Urteil oder Strafbefehl eine Strafe oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung rechtskräftig verhängt hat. 2Gleiches gilt im Bereich des Ordnungswidrigkeitenverfahrens für einen rechtskräftigen Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde. 3Eine Verwarnung nach § 56 OWiG ist keine rechtskräftige Feststellung in diesem Sinn, da sie nicht in dem für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten vorgesehenen besonderen Bußgeldverfahren ergeht.
61.7
Besondere gesetzliche Vorschriften im Sinn von Art. 61 Abs. 2 sind insbesondere § 20 BImSchG, § 32 SprengG, § 23 ChemG, Art. 20 und 30 BayWG.

62.Inkrafttreten, Außerkrafttreten

1Diese Bekanntmachung tritt am 1. Februar 2025 in Kraft. 2Mit Ablauf des 31. Januar 2025 tritt die Bekanntmachung über den Vollzug des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (VollzBekLStVG) vom 8. August 1986 (MABl. S. 361), die zuletzt durch Bekanntmachung vom 16. Juni 2023 (BayMBl. Nr. 324) geändert worden ist, außer Kraft.

Dr. Erwin Lohner

Ministerialdirektor



Anlage